Online-Nachricht - Mittwoch, 02.03.2022

Gewerbemietrecht | Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Absage einer Hochzeitsfeier (BGH)

Der BGH hatte in einem Fall zu entscheiden, ob die Mieter der für eine Hochzeitsfeier gemieteten Räume zur vollständigen Zahlung der Miete verpflichtet sind, wenn die Feier aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte. Im konkreten Fall wiesen die Richter die Klage auf Rückzahlung der vollen Miete ab ().

Sachverhalt und Verfahrensgang: Die Kläger mieteten bei der Beklagten Räume für eine am geplante Hochzeitsfeier mit ca. 70 Personen. Nach mündlichen Vertragsverhandlungen übersandte die Beklagte den Klägern eine auf den datierte Rechnung über die vereinbarte Miete von 2.600 €, die von den Klägern beglichen wurde. Die geplante Hochzeitsfeier konnte coronabedingt wegen einer behördlichen Anordnung nicht stattfinden.

Am bot die Beklagte den Klägern unter Angabe von Alternativterminen an, die Hochzeitsfeier zu verschieben. Mit Schreiben vom baten die Kläger um Rückzahlung der geleisteten Miete und erklärten gleichzeitig den Rücktritt vom Vertrag.

Das Amtsgericht wies die auf Rückzahlung der vollen Miete gerichtete Klage ab. Das LG änderte das Urteil ab und verurteilte die Beklagte, an die Kläger 1.300 € nebst Zinsen zu zahlen.

Der BFH hob das Berufungsurteil auf und wies die Klage ab:

  • Die Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie haben nicht zu einer Unmöglichkeit im Sinne der §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB geführt. Denn der Beklagten war es trotz des zum Zeitpunkt der geplanten Hochzeitsfeier in NRW geltenden Veranstaltungsverbots und der angeordneten Kontaktbeschränkungen nicht unmöglich, den Klägern den Gebrauch der Mietsache entsprechend dem vereinbarten Mietzweck zu gewähren.

  • Ebenso zutreffend hat das LG eine Minderung des Mietzinses nach § 536 Abs. 1 BGB abgelehnt. Durch die Coronaschutzverordnung wurde weder den Klägern die Nutzung der angemieteten Räume noch der Beklagten tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten.

  • Das Mietobjekt stand daher trotz der Regelungen in der Coronaschutzverordnung, die die Durchführung der geplanten Hochzeitsfeier untersagte, weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung. Eine Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, stellt somit keinen Mangel der Mietsache iSv § 536 Abs. 1 BGB dar.

  • Beides hat der Senat in seiner grundlegenden Entscheidung v. - XII ZR 8/21 bereits ausgeführt. Gleiches gilt, wenn aus diesem Grund in Räumlichkeiten, die von Privatpersonen bei einem gewerblichen Anbieter angemietet wurden, eine dort geplante Veranstaltung nicht stattfinden konnte. Damit stand der Klägerin auch kein Recht zum Rücktritt nach § 326 Abs. 5 BGB oder zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrags nach § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB zu.

  • Entgegen der Auffassung des LG steht den Klägern im vorliegenden Einzelfall auch kein Anspruch aus § 313 Abs. 1 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) auf Anpassung des Mietvertrags dahingehend zu, dass sie von ihrer Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Miete vollständig oder teilweise befreit wären.

  • Zwar kommt nach der Rechtsprechung des für den Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, ein solcher Anpassungsanspruch grundsätzlich in Betracht (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 12.1.2022). Nach der vorliegenden Entscheidung gilt dies auch für Räume, die zur Durchführung einer Veranstaltung gemietet wurden, wenn die Feier aufgrund von hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte.

  • Dies bedeutet aber nicht, dass der Mieter in diesen Fällen stets eine Anpassung der Miete verlangen kann. Ob ihm ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (§ 313 Abs. 1 BGB).

  • Die Anwendung der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage führt nur ausnahmsweise zur völligen Beseitigung des Vertragsverhältnisses; in aller Regel ist der Vertrag nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten und lediglich in einer den berechtigten Interessen beider Parteien Rechnung tragenden Form der veränderten Sachlage anzupassen. Nur wenn dies nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, kann nach § 313 Abs. 3 BGB der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten oder bei Dauerschuldverhältnissen den Vertrag kündigen.

  • Im vorliegenden Fall beschränkt sich der Anpassungsanspruch der Kläger nach § 313 Abs. 1 BGB auf die von der Beklagten angebotene Verlegung der Hochzeitsfeier, weil bereits dadurch eine interessengerechte Verteilung des Pandemierisikos bei einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngliche Regelung hergestellt werden kann.

  • Die Beklagte hat den Klägern bereits am eine Vielzahl von Ausweichterminen, auch für das Jahr 2021, angeboten. Den Klägern wäre zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung eine Verlegung der Hochzeitsfeier auch zumutbar gewesen. Sie hatten bereits im Dezember 2018 standesamtlich geheiratet und die Hochzeitsfeier stand daher nicht, wie regelmäßig, im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer standesamtlichen oder kirchlichen Trauung.

  • Die Kläger haben auch keine anderen Gründe dafür vorgetragen, dass die Feier ausschließlich am und nicht auch zu einem späteren Termin hätte stattfinden können. Sollten sie inzwischen endgültig auf eine Hochzeitsfeier verzichten wollen, fiele diese Entscheidung allein in ihren Risikobereich und hätte daher auf die vorzunehmende Vertragsanpassung keine Auswirkung. Denn sie beträfe das allgemeine Verwendungsrisiko eines Mieters und stünde nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit der pandemiebedingten Störung der Geschäftsgrundlage.

Quelle: BFH, Pressemitteilung v. (il)

Fundstelle(n):
NWB DAAAI-05419