BGH Beschluss v. - 2 StR 34/20

Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung: Geschlossenes Vorgehen von ca. 20 Personen als Bedrohung mit Gewalttätigkeiten aus einer Menschenmenge; Begriff der Beteiligung; Voraussetzungen einer Mittäterschaft; Anwesenheit am Tatort

Gesetze: § 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB, § 125 Abs 1 StGB, § 223 StGB, § 224 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Erfurt Az: 850 Js 33913/17 - 7 KLs

Gründe

I.

11. Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:

2‒ den Angeklagten M.    U.    wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in fünf tateinheitlichen Fällen und wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten,

3‒ den Angeklagten C.      U.    wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in fünf tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten,

4‒ den Angeklagten B.     wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in fünf tateinheitlichen Fällen und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichen unerlaubten Besitzes eines Elektroimpulsgerätes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten,

5‒ den Angeklagten W.     wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in fünf tateinheitlichen Fällen und wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes eines Schlagrings zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten,

6‒ den Angeklagten St.   wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in fünf tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten,

7‒ den Angeklagten S.        wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in fünf tateinheitlichen Fällen sowie wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes eines Elektroimpulsgerätes in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz von Munition und mit fahrlässigem unerlaubtem Besitz eines Springmessers zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat; die Vollstreckung dieser Strafe hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt.

8Zum Nachteil der Angeklagten M.    U.   , B.     , W.     und S.       hat das Landgericht überdies u.a. die Einziehung näher bezeichneter Mobiltelefone angeordnet.

92. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie jeweils die Verletzung sachlichen Rechts rügen; die Angeklagten M.    und C.      U.    , B.    , W.     und S.       beanstanden zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel der Angeklagten M.   U.   , B.    , W.     und S.        haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie, wie auch die Revisionen der Angeklagten C.      U.    und St.   , unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

II.

101. Aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts bleibt sämtlichen Verfahrensrügen der Erfolg versagt.

112. Die Schuldsprüche haben überwiegend Bestand.

12a) Im Fall II. 1. der Urteilsgründe weist der Schuldspruch hinsichtlich der Angeklagten M.    und C.      U.    , B.     und St.   im Ergebnis keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil auf (unter bb)). Soweit es den Angeklagten S.        betrifft, belegen die Feststellungen nur eine Beihilfe zu der zum Landfriedensbruch tateinheitlich hinzutretenden gefährlichen Körperverletzung in fünf tateinheitlichen Fällen (unter cc)). Die Täterschaft des Angeklagten W.     ist aufgrund rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung nicht belegt (unter dd)).

13aa) Das Landgericht hat zu Fall II. 1. der Urteilsgründe festgestellt:

14Am späten Nachmittag des versammelten sich etwa 20 Männer, darunter auch die sechs Angeklagten, wie zuvor verabredet in der       Altstadt. Die Männer, meist im Alter zwischen 30 und 40 Jahren, die teilweise mit Tüchern und Kapuzen vermummt und von denen mindestens zwei bis drei mit Pfefferspray bewaffnet waren, machten sich zu Fuß auf den Weg zu dem nur wenige 100 m entfernten Gasthaus „C.      “. Die Angeklagten M.    und C.     U.   , B.     und ein weiterer unbekannter Mittäter betraten gegen 18.30 Uhr das Gasthaus, in dem zu diesem Zeitpunkt alle Tische mit Gästen besetzt waren. Sie lockten den Inhaber der Gaststätte, den armenischen Staatsbürger       G.      , mit der falschen Behauptung auf die Straße, dass sein Kraftfahrzeug beschädigt worden sei.

15Als G.      vor die Tür trat, „wurde er unmittelbar attackiert“; nahezu zeitgleich näherten sich mindestens 15 Männer aus dem Teil der Gruppe, die zuvor in unmittelbarer Nähe des Lokals - vor dem Gasthaus „A.       “ - gewartet hatten. „Sie alle rückten in Richtung Eingang des ‚C.       ‘ vor und waren nur noch wenige Schritte von diesem entfernt“; der Wirt und zwei weitere Personen aus der Gaststätte, die ihm gefolgt waren, rannten zurück in das Lokal. G.       verließ sodann gemeinsam mit seinem Sohn, dem Kellner, dem Koch und dem Hilfskoch wieder das Lokal, wobei mindestens einer von ihnen ein Messer in der Hand hatte. Sie liefen nach rechts „der Gruppe der Angreifer hinterher“, die sich zum Teil wieder von der Gaststätte wegbewegt hatten. „In der Folgezeit verlagerte sich das Geschehen mehrfach vom Straßenraum direkt vor dem Gasthaus ‚C.      ‘ nach rechts in den Straßenraum vor dem Gasthaus ‚A.       ‘ und zurück“. Der Angeklagte M.    U.    und andere zielten mit Pfefferspray „auf die Gruppe der Angegriffenen“, die alle Augenreizungen davontrugen. „Von der Gruppe der Angreifer wurden mehrere Gegenstände, insbesondere Stühle geworfen“, die den Sohn des Inhabers und den Kellner trafen und jeweils zu Prellungen führten. Mindestens einen großen Gegenstand warf auch der Angeklagte St.  . Der Hilfskoch trug anlässlich dieser Auseinandersetzung eine Prellung und ein Hämatom an der Nase davon. Besucher der Gasthäuser „A.       “ und „C.      “ waren verängstigt und verbargen sich während des Geschehens teilweise unter den Tischen. Passanten warteten „in sicherer Entfernung, um nicht in die Auseinandersetzung zu geraten.“ Nach wenigen Minuten zog sich die „Gruppe der Angreifer“ zunächst langsam, dann teilweise fluchtartig zurück. „Dass durch die Gewalttätigkeiten Menschen verletzt wurden, haben alle Angeklagten billigend in Kauf genommen.“

16bb) Die auf rechtsfehlerfreier Grundlage getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch des Landfriedensbruchs, soweit es die Angeklagten M.    und C.      U.    , B.     , St.   und S.       betrifft.

17(1) Nach § 125 Abs. 1 StGB macht sich unter anderem strafbar, wer sich an Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder an Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit, die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, als Täter oder Teilnehmer beteiligt. Die Angeklagten M.    und C.     U.   , B.     , S.       und St.   waren Bestandteil der „Gruppe der Angreifer“. Wie vom Landgericht im Einzelnen zutreffend dargelegt, beteiligten sie sich auch (als Täter oder Teilnehmer) an entsprechenden Gewalttätigkeiten gegenüber dem Inhaber des „C.       “ und seinen Begleitern.

18(a) Ob die Feststellungen bereits die Tatvariante des § 125 Abs. 1 Nr. 1 StGB belegen, kann der Senat offenlassen. Denn zweifelhaft könnte sein, ob der erste Angriff auf den Wirt bereits aus einer Menschenmenge im Sinne des § 125 StGB (vgl. dazu , juris Rn. 21 mwN) begangen wurde bzw. ob zum Zeitpunkt der zweiten Welle der Gewalttätigkeiten noch eine entsprechende Menschenmenge bestand oder sich durch den teilweisen Rückzug der Angreifer nicht bereits aufzulösen begonnen hatte.

19(b) Ungeachtet dessen ist jedenfalls dadurch, dass die Angeklagten sich an Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit aus einer Menschenmenge heraus beteiligt haben, der Tatbestand des § 125 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt, ohne dass damit eine Änderung des Schuldspruchs veranlasst wäre. Auch § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich die Angeklagten nicht erfolgsversprechender hätten verteidigen können.

20Die Angeklagten haben sich mit mindestens 14 weiteren Personen in der belebten        Altstadt gegen 18.30 Uhr versammelt und sich von dort aus gemeinsam auf den Weg zum Gasthaus „C.      “ gemacht. Sie haben damit einen räumlichen Zusammenhang hergestellt, der bei den Mitarbeitern und Gästen der dortigen Gaststätten sowie bei Passanten, an denen sie auf dem Weg zu ihrem Ziel vorbeikamen, die Vorstellung einer Menschenmenge als räumlich verbundenes Ganzes (vgl. dazu , BGHSt 33, 306, 308 mwN) entstehen ließ. Mit Blick insbesondere auf ihr äußeres Auftreten und ihr geschlossenes Vorgehen stellt sich dieses gemeinsame „Vorrücken“ auch als (konkludente) Bedrohung mit Gewalttätigkeiten aus einer Menschenmenge dar (vgl. Fischer, StGB, 68. Aufl., § 125 Rn. 6), an der die gewaltbereiten und sich später tatsächlich an Gewalttätigkeiten beteiligenden Angeklagten M.    U.    , C.      U.   , B.     , S.       und St.   auch mitgewirkt haben. Die tatzeitnah innerhalb kurzer Zeit eingegangenen vier Notrufe bei der Polizei und die Aussagen zahlreicher unbeteiligter Mitarbeiter und Gäste belegen zudem, dass schon mit dem Aufmarsch hin zum Gasthaus „C.       “ das Sicherheitsgefühl unbestimmt vieler Menschen beeinträchtigt und damit die öffentliche Sicherheit im Sinne von § 125 Abs. 1 StGB gefährdet war. Angesichts der einige Tage vor der Tat begonnenen Vorbereitungen, des teilweise martialischen Auftretens der Gruppe und des Umstands, dass vor dem ersten Angriff „allen Gruppenmitgliedern klar (war), dass Ziel des Angriffs der Inhaber des Gasthauses ‚C.       ‘ ist, ist es angesichts des nur wenige Minuten dauernden Gesamtgeschehens ausgeschlossen, nur von gewalttätigen ‚Einzelkämpfern‘ auszugehen“.

21(2) Auch der tateinheitlich jeweils hinzutretende Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung in fünf tateinheitlichen Fällen hat aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts Bestand, soweit es die Angeklagten M.    und C.      U.   , B.     und St.   betrifft.

22cc) Soweit der Angeklagte S.        im Fall II. 1. der Urteilsgründe ebenfalls wegen gefährlicher Körperverletzung in fünf tateinheitlichen Fällen gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 StGB verurteilt worden ist, belegen die Feststellungen nur eine Strafbarkeit dieses Angeklagten als Gehilfen (§ 27 StGB), nicht aber seine mittäterschaftliche Beteiligung.

23(1) Die Strafkammer hat dem Angeklagten S.       sämtliche von den anderen Gruppenmitgliedern ausgehenden Verletzungshandlungen ohne eine nähere - diesen Angeklagten betreffende - Begründung nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet.

24(2) Diese Wertung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

25(a) Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Beteiligte einen objektiven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jeder sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Diese Willensrichtung ist keine einfache innere Tatsache und auch nicht davon abhängig, welchen Sinn der Beteiligte seinem Handeln beilegt; ihre Annahme oder Ablehnung ist vielmehr das Ergebnis einer wertenden Gesamtbetrachtung, in die alle festgestellten Umstände einzubeziehen sind. Wesentliche Anhaltspunkte können dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Beteiligten abhängt (st. Rspr.; vgl. nur , NStZ-RR 2019, 203, 204 mwN).

26(b) Daran gemessen hat der Angeklagte S.       nicht als Mittäter gehandelt. Anders als bei den Angeklagten C.       U.    und B.     ‒ bei denen die Strafkammer zwar ebenfalls eine jeweils eigenhändig begangene Gewalttätigkeit nicht hat feststellen können, die jedoch einen wesentlichen Tatbeitrag leisteten, weil sie den Wirt des Lokals in Kenntnis der sich anschließenden Gewalthandlungen unter einem Vorwand vor dessen Lokal lockten ‒ beschränkten sich die Tatbeiträge des Angeklagten S.        darauf, an dem „Gesamtauftritt der Gruppe“ teilzunehmen, diese durch seine Anwesenheit zu vergrößern und den aktiv handelnden Beteiligten Rückhalt zu geben. Zwar kann eine psychische Bestärkung ein relevanter Tatbeitrag im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB sein; um allein - in Abgrenzung zur psychischen Beihilfe - die Annahme von Mittäterschaft zu tragen, muss ihr dann aber ein erhebliches Gewicht zukommen. Hier jedoch lassen die Feststellungen nicht erkennen, dass die Anwesenheit des Angeklagten S.        für die Durchführung und den Ausgang der Tat maßgeblich war und diese damit auch von seinem Willen abhing.

27(c) Da die getroffenen Feststellungen eine Beihilfe des Angeklagten zu einer gefährlichen Körperverletzung in fünf tateinheitlichen Fällen in den festgestellten Tatmodalitäten (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4, § 27 StGB) tragen und unter den hier gegebenen Umständen auszuschließen ist, dass bei erneuter Verhandlung der Sache weitere Feststellungen getroffen werden können, die möglicherweise die Annahme von Mittäterschaft rechtfertigen, war der Schuldspruch entsprechend zu ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung des Strafausspruchs im Fall II. 1. der Urteilsgründe und des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge.

28dd) Die Verurteilung des Angeklagten W.     im Fall II. 1. der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil die Beweiswürdigung hinsichtlich seiner Beteiligung an der tateinheitlich zum Landfriedensbruch begangenen gefährlichen Körperverletzung der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht standhält.

29(1) Dass der Angeklagte W.     „mehrere Gruppenmitglieder rekrutiert und mindestens einen Tatbeteiligten zum Tatort gelotst“ hat, mag zwar für sich genommen den Tatbestand des § 125 Abs. 1 StGB begründen. Denn eine Beteiligung im Sinne des § 125 Abs. 1 StGB kann auch im Vorfeld der eigentlichen Tathandlung erfolgen und setzt nicht voraus, dass der Täter oder Teilnehmer unmittelbar vor Ort an der Gewalttätigkeit mitwirkt (vgl. Senat, Urteil vom - 2 StR 414/16, BGHSt 62, 178, 182).

30(2) Das Landgericht hat aber im Rahmen der rechtlichen Würdigung auch hinsichtlich der ihm zugerechneten gefährlichen Körperverletzung darauf abgestellt, dass sich der Angeklagte W.     „durch die Anwesenheit in der gewalttätigen Gruppe und der Teilnahme an dem festgestellten gruppendynamischen Geschehen bis zum Schluss vor Ort befunden“ habe. Dieses ist indes nicht rechtsfehlerfrei belegt.

31(a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Die revisionsgerichtliche Prüfung ist auf das Vorliegen von Rechtsfehlern beschränkt (vgl. § 337 StPO). Ein sachlich-rechtlicher Fehler kann dann vorliegen, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur , juris Rn. 14 mwN). Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht, ist ebenso rechtsfehlerhaft wie eine solche, die gewichtige Umstände nicht mit in Betracht zieht, welche die Überzeugung des Tatrichters von der Täterschaft eines Angeklagten in Frage zu stellen geeignet sind (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 552/19, juris Rn. 13).

32(b) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird das Urteil hinsichtlich der Anwesenheit des Angeklagten am Tatort nicht gerecht.

33Die Strafkammer hat insoweit ausgeführt, dass es keine Anhaltspunkte gebe, wonach der schon an der Rekrutierung der Gruppe beteiligt gewesene Angeklagte W.      „entgegen der Verabredung nicht vor Ort gewesen sein könnte“. Dass dessen Mobiltelefon nach der Aussage des Zeugen K.   , der die übermittelten Funkzellendaten ausgewertet hat, nicht in den Funkzellen eingeloggt war, die den Tatort versorgen, entlaste den Angeklagten nicht. Nach den Bekundungen des Sachverständigen Ko.     speicherten Funkzellen nur dann Daten, wenn es eine Aktivität gebe. Anrufversuche würden nicht gespeichert. Um solche könne es sich bei den Telefonaten um ca. 18.07 Uhr und 18.11 Uhr gehandelt haben. Es seien jeweils nur wenige Sekunden verzeichnet.

34Diese Beweiswürdigung weist Lücken auf und kann letztlich vom Senat nicht nachvollzogen werden. Es fehlen schon Angaben dazu, wie lang die „Telefonate“ um ca. 18.07 Uhr und 18.11 Uhr gedauert haben, um die sich daran anschließenden weiteren Überlegungen des Landgerichts nachvollziehen zu können. Hinzu kommt, dass sich die Unterscheidung des Landgerichts zwischen Telefonaten und Anrufversuchen in diesem Kontext nicht erklärt. Warum Anrufversuche, die zu „wenigen Sekunden“ dauernden Telefonaten um ca. 18.07 Uhr und um 18.11 Uhr geführt haben, nicht als „Aktivität“ von den Funkzellen gespeichert werden können, erklärt sich ebenfalls nicht ohne Weiteres, zumal das Landgericht andererseits festgestellt hat, dass auf dem Mobiltelefon des Angeklagten S.       Anrufversuche als Aktivität gespeichert worden sind.

35Hinzu kommt, dass bereits ein eingeschaltetes und betriebsbereites Mobiltelefon von sich aus in periodischen Abständen Daten erzeugt, wobei die Netzbetreiber die sog. „Local Area", in der ein Mobiltelefon eingebucht ist, erfassen, welche ihrerseits aus einer variablen Anzahl von Funkzellen besteht. In wiederkehrenden Abständen meldet das Mobiltelefon dem Netzbetreiber, in welcher „Local Area“ es gerade eingebucht ist. Darüber hinaus wird sofort gemeldet, wenn das Mobiltelefon in eine Funkzelle einer anderen „Local Area“ wechselt (vgl. dazu , BGHSt 63, 82, 83; BT-Drucks. 18/2695, S. 5 f.). Auch vor diesem Hintergrund ist der einer Anwesenheit des Angeklagten W.     am Tatort entgegenstehende Gesichtspunkt, dessen Mobiltelefon sei nicht in der Funkzelle eingeloggt gewesen, nur lückenhaft erörtert.

36(c) Infolge dieser lückenhaften Beweiswürdigung entfällt die Grundlage für die vom Landgericht dem Angeklagten im Wege sukzessiver Mittäterschaft zugerechnete gefährliche Körperverletzung in fünf tateinheitlichen Fällen. Die Aufhebung erstreckt sich wegen des tateinheitlichen Zusammentreffens auch auf den Schuldspruch wegen Landfriedensbruchs.

37(3) Auf der rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung beruhen nur die die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort betreffenden Feststellungen; im Übrigen sind die Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

38(4) Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II. 1. der Urteilsgründe entzieht der insoweit gegen den Angeklagten W.     verhängten Einzelstrafe, der Gesamtstrafe und der Einziehungsentscheidung ihre Grundlage.

39b) Im Fall II. 2. der Urteilsgründe ändert der Senat den Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten M.    U.    in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus Ziffer 1. a) der Beschlussformel ersichtlich ab.

40aa) Nach den Feststellungen bewahrte der Angeklagte M.    U.   am in seiner Wohnung neben einer halbautomatischen Selbstladepistole insgesamt 55 Patronen passenden Kalibers auf, die auch Gegenstand der den Angeklagten betreffenden Einziehungsentscheidung sind; eine Erlaubnis zu deren Besitz hatte der Angeklagte nicht. Neben dem unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG hat er sich somit des tateinheitlichen unerlaubten Besitzes von Munition gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2 b) WaffG schuldig gemacht.

41Das Verschlechterungsverbot des § 358 StPO hindert die Verschärfung des Schuldspruchs nicht (vgl. KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 358 Rn. 18 mwN). Auch § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der insoweit geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

42bb) Der Senat hat zudem im Hinblick auf § 52 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG den Zusatz vorsätzlicher Tatbegehung entfallen lassen. Nach § 15 StGB ist nur vorsätzliches Handeln strafbar, fahrlässiges hingegen lediglich dann, wenn es ausdrücklich mit Strafe (vgl. § 52 Abs. 4 WaffG) bedroht ist. Dies bedeutet, dass der Zusatz vorsätzlicher Tatbegehung in die Urteilsformel nicht aufgenommen zu werden braucht, sondern dass dort nur die fahrlässige Tat besonders zu kennzeichnen ist (vgl. , juris Rn. 16; Beschluss vom - 3 StR 61/92, BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Tatbezeichnung 7).

43c) Die Schuldsprüche in den Fällen II. 3. bis II. 5. der Urteilsgründe weisen keinen die Angeklagten B.    , W.     und S.        beschwerenden Rechtsfehler auf.

443. Die ohne jede nähere Erläuterung auf § 74 StGB gestützte Einziehung des bei den Angeklagten M.    U.    sichergestellten Mobiltelefons iPhone 7 mit Ladekabel PIN     , des bei dem Angeklagten B.     sichergestellten Mobiltelefons Samsung Note 8 und des bei dem Angeklagten S.       sichergestellten Ladekabels PIN       als Tatmittel hat keinen Bestand; sie entfällt. Die Urteilsgründe belegen auch unter Berücksichtigung ihres Gesamtzusammenhangs nicht, dass diese Gegenstände konkret zur Vorbereitung oder Begehung der abgeurteilten Taten gebraucht oder bestimmt wurden. Der Senat schließt aus, dass die Einziehungsvoraussetzungen begründende Feststellungen getroffen werden können.

45Soweit sich die Einziehung auch auf das bei dem Angeklagten W.     im Fall II.1. der Urteilsgründe sichergestellte Mobiltelefon bezieht, wird ihr - unbeschadet dessen, dass es nach den Feststellungen „zerstört“ worden sein soll - durch die insoweit erfolgte Aufhebung des Schuldspruchs (vgl. oben II. 2. a) dd)) die Grundlage entzogen.

464. Angesichts des geringfügigen Teilerfolgs der Revisionen der Angeklagten M.    U.    und B.    ist es nicht unbillig, die Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (vgl. § 473 Abs. 4 StPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:280421B2STR34.20.0

Fundstelle(n):
DAAAI-05338