BVerwG Urteil v. - 4 C 2/19

Vorläufige Untersagung des Betriebs eines Offshore-Windparks wegen Beeinträchtigung der Seetaucherpopulationen nicht ausgeschlossen

Leitsatz

1. Der Begriff der Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG ist weit auszulegen (im Anschluss an 9 A 22.19 - BVerwGE 168, 368).

2. Die Untersagung des Betriebs einer nach der Seeanlagenverordnung genehmigten Anlage auf der Grundlage des § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV ist immer zeitlich beschränkt; sie ist keine endgültige, mit der die betrieblichen Verhältnisse der Anlage - wie mit nachträglichen Auflagen auf der Grundlage des § 16 Abs. 2 SeeAnlV - im Sinne einer Dauerlösung geregelt werden sollen, sondern nur eine vorläufige Maßnahme.

3. Die Untersagung des Betriebs setzt nicht voraus, dass zuvor die seeanlagenrechtliche Genehmigung wegen der Nichterfüllung der Betreiberpflichten aufgehoben worden ist.

4. Die Vorschriften über die Anordnung von Gefahrvermeidungsmaßnahmen nach § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 6 USchadG werden gemäß § 1 Satz 1 USchadG von der Anordnungsbefugnis zur Gefahrenabwehr nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV verdrängt.

Gesetze: § 5 Abs 6 Nr 2 SeeAnlV, § 14 Nr 1 SeeAnlV, § 16 SeeAnlV, § 14 Abs 3 SeeAnlG, § 57 Abs 3 WindSeeG, § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 UmwRG, § 1 Abs 1 S 1 Nr 6 UmwRG, § 1 Abs 1 S 2 UmwRG, § 1 Abs 2 UmwRG, § 1 Abs 4 UmwRG, § 8 Abs 2 Nr 1 UmwRG, § 1 USchadG, § 3 Abs 1 Nr 2 USchadG, § 6 USchadG, § 7 Abs 2 Nr 2 USchadG, § 19 Abs 1 S 2 BNatSchG 2009, § 56 Abs 1 BNatSchG 2009, § 44 VwGO, § 121 Nr 1 VwGO, Art 6 Abs 2 FFHRL, Art 6 Abs 3 FFHRL, Art 1 Abs 1 Nr 4 SeeRÜbk, Art 56 Abs 1 Buchst a SeeRÜbk, Art 60 SeeRÜbk, Art 194 SeeRÜbk

Instanzenzug: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Az: 1 Bf 200/15 Urteilvorgehend Az: 7 K 2983/14 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger, ein anerkannter Umweltverband, begehrt die zeitlich beschränkte Untersagung des Betriebs des Offshore-Windparks "Butendiek" zur Vermeidung weiterer Umweltschäden durch Beeinträchtigung der Seetaucherpopulationen.

2Der in den Jahren 2014/2015 errichtete und im Sommer 2015 in Betrieb genommene Windpark besteht aus 80 Windenergieanlagen einschließlich Nebenanlagen auf einer Fläche von ca. 34 km². Er liegt etwa 30 km vor Sylt in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und im Naturschutzgebiet "Sylter Außenriff - Östliche Deutsche Bucht". Es vereint seit 2017 eine im April 2005 als europäisches Vogelschutzgebiet ausgewiesene und im September 2005 als Naturschutzgebiet festgesetzte Meeresfläche und ein im Juli 2011 ausgewiesenes FFH-Gebiet. Zu den im Naturschutzgebiet verfolgten Schutzzwecken gehören die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands, insbesondere der Sterntaucher (Gavia stellata) und Prachttaucher (Gavia arctica) und des Gebiets in seiner Funktion als Nahrungs-, Überwinterungs-, Mauser-, Durchzugs- und Rastgebiet für diese Vogelarten.

3Mit Bescheid vom erteilte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) dem Rechtsvorgänger der Beigeladenen auf der Grundlage der Seeanlagenverordnung eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Windparks: Ein Versagungsgrund liege nicht vor. Insbesondere sei eine Gefährdung der Meeresumwelt nicht zu erwarten. Das Ergebnis der in einem möglicherweise vorliegenden faktischen Vogelschutzgebiet erforderlichen Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Abs. 1 BNatSchG stehe dem Vorhaben nicht entgegen. Das Nahrungs- und Rasthabitat der störanfälligen Seetaucher, die sich dort im März und April auf dem Weg zu ihren Brutrevieren aufhielten, werde durch die vom Windpark ausgehende Scheuchwirkung beeinträchtigt, die bei einem anzunehmenden Scheuchabstand von 2 km zu einem Lebensraumverlust von ca. 101 km² führe. Dies sei jedoch sowohl nach einer funktional-artenspezifischen Betrachtung als auch nach einem Flächenvergleich unbeachtlich. Auch unter dem Gesichtspunkt des Vogelzugs sei eine Beeinträchtigung der Seetaucherpopulationen nicht zu erwarten. Die vom Kläger gegen die Genehmigung erhobene Klage wurde vom Verwaltungsgericht Hamburg wegen fehlender Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Mit Bescheiden aus den Jahren 2005, 2007 und 2011 wurde der in einer Nebenbestimmung der Genehmigung gesetzte Termin für den spätesten Beginn der Bauarbeiten zuletzt auf den verschoben. Den Antrag des Klägers vom Februar 2014, die Errichtung und den Betrieb des Windparks wegen eines Lebensraumverlusts für Stern- und Prachttaucher in ihrem Hauptkonzentrationsgebiet zu untersagen, lehnte das Bundesamt für Naturschutz (BfN) ab. Die Klage blieb beim Verwaltungsgericht Köln ohne Erfolg: Sie sei insgesamt unzulässig. Hinsichtlich der begehrten Sanierungsmaßnahmen fehle es am erforderlichen Vorverfahren. Für die Untersagung der Errichtung und des Betriebs des geplanten Windparks sei das BfN nicht passivlegitimiert; zuständig sei hierfür das BSH.

4Im Mai 2014 wandte sich der Kläger an das BSH mit dem Antrag, die weitere Errichtung und den Betrieb des Windparks zu untersagen. Dies lehnte das BSH mit Bescheid vom ab: Der Kläger sei für die geltend gemachten Gefahrabwehrmaßnahmen nach dem Umweltschadensgesetz nicht antragsbefugt. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mangels Klagebefugnis als unzulässig ab.

5Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Zuletzt hatte der Kläger verschiedene Haupt- und Hilfsanträge gestellt, die das Oberverwaltungsgericht bis auf einen aus verschiedenen Gründen als unzulässig angesehen hat. Zulässig sei hingegen der erste Hilfsantrag, mit dem die Verpflichtung der Beklagten begehrt werde, der Beigeladenen den Betrieb des Windparks zeitlich unbeschränkt oder jedenfalls bis zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands zu untersagen. Insoweit fehle es nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Auch wenn mit dem Betrieb bereits ein Schaden eingetreten sei, drohe jedoch während der Betriebszeit der Anlage von Jahr zu Jahr weiterer Schaden. Der Kläger sei auch klagebefugt. Dies gelte allerdings nicht für einen aus dem Umweltschadensgesetz hergeleiteten Anspruch. Die Verbandsklagebefugnis nach § 11 Abs. 2 USchadG bestehe nicht für Vermeidungsmaßnahmen gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 USchadG, sondern nur für die Durchsetzung von Sanierungspflichten, für die § 10 USchadG auch eine Antragsbefugnis des Verbands gegenüber der zuständigen Behörde eröffne. Die Klagebefugnis folge aber aus § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV i.V.m. §§ 2, 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG. Die Betriebsuntersagung als eine Überwachungsmaßnahme solle "zur Umsetzung oder Durchführung einer Entscheidung" nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG erfolgen. Die Klage sei unbegründet. § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV ermächtige weder zu einer dauerhaften noch zu einer vorübergehenden Untersagung des Betriebs zur Abwehr von Gefahren, deren Prüfung bereits Gegenstand der Genehmigung gewesen und die somit von deren Legalisierungswirkung erfasst seien. Bei der nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV abzuwehrenden Gefahr für die Meeresumwelt müsse es sich wegen der Bestandsschutzinteressen des Genehmigungsinhabers um eine solche handeln, die bei der Genehmigung von der Behörde nicht habe vorhergesehen werden können. Die vom Windpark ausgehende Beeinträchtigung der Seetaucher sei im Genehmigungsverfahren ausführlich geprüft worden mit dem Ergebnis, dass insoweit keine Gefährdung der Meeresumwelt gegeben sei. Schließlich folge auch aus dem Störungsverbot des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL kein unmittelbarer Anspruch des Klägers auf Untersagung des Betriebs des Windparks. Vielmehr müssten entgegenstehende Genehmigungen zunächst in einem gesonderten Verwaltungsverfahren auf der Grundlage von §§ 48, 49 VwVfG oder vorrangiger Spezialvorschriften aufgehoben werden.

6Zur Begründung seiner Revision, die vom Oberverwaltungsgericht beschränkt auf den ersten Hilfsantrag zugelassen worden ist, trägt der Kläger vor: Zu Unrecht gehe das Oberverwaltungsgericht von einer Legalisierungswirkung der erteilten Genehmigung aus, die nur durch deren Aufhebung beseitigt werden könne. Die Aufhebung der Genehmigung wäre nur dann erforderlich, wenn der Betrieb des Windparks endgültig untersagt werden solle. Dies gelte aber nicht für eine von ihm nunmehr allein erstrebte nur vorübergehende - gegebenenfalls auf die Tageslichtzeit während der Monate März und April beschränkte - Betriebsstilllegung nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV. Ein etwaiges Ermessen sei gemäß Art. 6 Abs. 2 FFH-RL auf Null reduziert. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen einer Legalisierungswirkung nicht vor. Denn der tatsächliche Schadensumfang sei sehr viel größer als im Genehmigungsverfahren vorhersehbar und angenommen. Die gravierenden Schadwirkungen seien erst nach Inbetriebnahme des Windparks deutlich erkennbar geworden. Der aufgrund neuer Untersuchungen anzunehmende Scheuchradius von 5,5 km führe zu einem Lebensraumverlust von 265 km². Die Genehmigung habe des Weiteren das artenschutzrechtliche Störungsverbot übersehen. Eine Klagebefugnis ergebe sich auch aus dem Umweltschadensgesetz.

7Der Kläger beantragt,

das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom und das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom und des Widerspruchsbescheids vom , soweit diese entgegenstehen, zu verpflichten, den Betrieb des Offshore-Windparks "Butendiek" zu untersagen.

8Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Revision zurückzuweisen.

9Sie verteidigen das angefochtene Berufungsurteil im Ergebnis, sind jedoch der Ansicht, die Klage sei insgesamt unzulässig.

Gründe

10Die Revision ist zulässig und teilweise begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat einen Anspruch auf Einschreiten nach der Seeanlagenverordnung, soweit Gegenstand des Revisionsverfahrens, unter Verstoß gegen Bundesrecht verneint (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Insoweit ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Im Übrigen ist die Revision unbegründet; das angegriffene Urteil ist in dieser Hinsicht jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden (§ 144 Abs. 4 VwGO).

111. Die Revision ist zulässig. Ungeachtet der vom Kläger geäußerten Kritik an der Auslegung und der nachfolgenden prozessualen Einordnung des im Berufungsverfahren gestellten ersten Hauptantrags durch das angegriffene Urteil bewegt sich das Revisionsbegehren im Rahmen der vom Berufungsgericht nur teilweise - bezogen auf den ersten Hilfsantrag - zugelassenen Revision. Dabei ist der schriftsätzlich angekündigte und in der mündlichen Verhandlung gestellte Revisionsantrag angesichts der Ausführungen in der Revisionsbegründung und weiteren Erläuterungen und Klarstellungen in der mündlichen Verhandlung einschränkend zu verstehen. Anders als noch in der Vorinstanz verfolgt der Kläger im Revisionsverfahren nicht mehr das Begehren, den Betrieb des Windparks auf Dauer und ganzjährig oder - ebenfalls im Sinne einer Dauerlösung - jedenfalls jeweils im Frühjahr (März/April) zu den Hauptanwesenheitszeiten der Seetaucher zu untersagen, sondern nurmehr, den Betrieb des Windparks bis zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands vorübergehend zu untersagen. Nur insoweit ist die Entscheidung über den ersten Hilfsantrag in der Revisionsinstanz anhängig geworden.

122. Die Revision ist teilweise begründet. Einen Anspruch auf Einschreiten auf der Grundlage des § 16 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung über Anlagen seewärts der Begrenzung des deutschen Küstenmeeres (Seeanlagenverordnung - SeeAnlV - vom , BGBl. I S. 57, i.d.F. von Art. 55 der Verordnung zur Anpassung von Zuständigkeiten von Bundesbehörden an die Neuordnung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes - WSV-Zuständigkeitsanpassungsverordnung - vom , BGBl. I S. 1257, 1271, erlassen auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4a und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 1 Nr. 10a des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschifffahrt - Seeaufgabengesetz -, zuletzt i.d.F. der Bekanntmachung vom , BGBl. I S. 1489) hat das Berufungsgericht mit bundesrechtswidrigen Erwägungen verneint.

13a) Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht in eine Sachprüfung eingetreten; von der Zulässigkeit der darauf gestützten Klage ist es zutreffend ausgegangen.

14aa) Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf das Prozesshindernis der entgegenstehenden Rechtskraft. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom - 11 K 2359/14 -, mit dem eine Klage des Klägers gegen die Beklagte, vertreten durch das Bundesamt für Naturschutz, auf Durchführung u.a. von Gefahrenabwehrmaßnahmen als unzulässig abgewiesen worden ist, entfaltet solche Rechtswirkungen nicht.

15(1) Rechtskräftige Urteile binden die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist (§ 121 Nr. 1 VwGO). Die Rechtskraft schafft ein unabdingbares, in jeder Verfahrenslage - namentlich auch im Revisionsverfahren - von Amts wegen zu beachtendes Prozesshindernis für eine erneute gerichtliche Nachprüfung des Anspruchs, über den bereits entschieden worden ist ( 7 C 27.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 22 Rn. 12 m.w.N. und vom - 9 A 22.19 - BVerwGE 168, 368 Rn. 20). Auch Prozessurteile können in Rechtskraft erwachsen. Ihnen kommt Bindungswirkung hinsichtlich derjenigen Sachurteilsvoraussetzungen zu, auf deren Fehlen das Gericht die Abweisung der Klage als unzulässig gestützt hat (vgl. 3 C 3.95 - BVerwGE 104, 289 <292> und vom - 2 C 12.20 - NVwZ 2021, 638 Rn. 20; Beschluss vom - 8 B 218.98 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 164 S. 510 f.). Wird das prozessuale Hindernis beseitigt und damit insoweit der zur Entscheidung gestellte Sachverhalt verändert, steht das Prozessurteil einer erneuten Klage mit demselben Streitgegenstand nicht entgegen (vgl. Clausing/Kimmel, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 121 Rn. 52, 91; Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 322 Rn. 172; Musielak, in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 322 Rn. 44).

16(2) Hiernach ergibt sich aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts bei verständiger Auslegung kein Prozesshindernis für die Klage auf Erlass von Gefahrabwehrmaßnahmen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Untersagung des Betriebs des Windparks mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, dem Bundesamt für Naturschutz fehle insoweit die Passivlegitimation; dieses sei nämlich für die begehrten Maßnahmen nicht zuständig. Diese Ausführungen sind missverständlich, weil die Passivlegitimation richtigerweise die auf Beklagtenseite bestehende Sachlegitimation und damit die materiell-rechtliche Frage betrifft, wer Träger der behaupteten Verbindlichkeit bzw. Verpflichtung ist (vgl. etwa 5 C 12.12 - BVerwGE 145, 315 Rn. 10 und vom - 7 C 31.15 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 3 Rn. 23). Sie bezieht sich demnach nicht auf eine Behörde, sondern nur auf deren Rechtsträger. Fehlt die Passivlegitimation, weil die Klage sich gegen den nach Maßgabe des Rechtsträgerprinzips (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) falschen Beklagten richtet, ist sie unbegründet. Dieses Verständnis liegt dem Urteil des Verwaltungsgerichts ersichtlich nicht zugrunde; es stellt vielmehr auf die fehlende sachliche Behördenzuständigkeit ab. Damit steht mit Bindungswirkung für die Beteiligten lediglich fest, dass das in jenem Verfahren angegangene Bundesamt für Naturschutz den geltend gemachten Anspruch nicht erfüllen kann. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegenüber der sachlich zuständigen Behörde ist damit aber nicht ausgeschlossen.

17bb) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Satz 2 und Abs. 2, § 2 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV klagebefugt ist.

18(1) Die gemäß Art. 25 Abs. 2 des Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien vom (BGBl. I S. 2258, 2357) mit Wirkung zum aufgehobene Ermächtigungsgrundlage in der Seeanlagenverordnung i.d.F. der Verordnung vom (BGBl. I S. 1257) ist aufgrund der Übergangsbestimmungen in § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See (Windenergie-auf-See-Gesetz - WindSeeG, Art. 2 des Gesetzes vom <BGBl. I S. 2258, 2310> i.d.F. von Art. 16 Nr. 12 des Gesetzes zur Änderung der Bestimmungen zur Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung und zur Eigenversorgung vom <BGBl. I S. 3106, 3144>), das hinsichtlich der Anlagen zur Erzeugung von Energie aus Wind (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 SeeAnlV) an die Stelle der Seeanlagenverordnung getreten ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 3, § 44 Abs. 1 Nr. 1 WindSeeG), für den nach den Bestimmungen der Seeanlagenverordnung errichteten und vor dem in Betrieb genommenen Windpark weiterhin anwendbar. Die Überleitungsvorschrift des § 17 SeeAnlV führt auch für den Windpark, der nach der Seeanlagenverordnung in der Fassung von Art. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften (BNatSchGNeuregG) vom (BGBl. I S. 1193, 1216) genehmigt worden ist, nicht zur Anwendung des § 15 SeeAnlV a.F., an dessen Stelle der im Wesentlichen gleichlautende § 16 SeeAnlV getreten ist.

19Der Kläger begehrt den Erlass einer Entscheidung nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV. Danach kann das BSH u.a. dann, wenn eine Anlage, ihre Errichtung oder ihr Betrieb zu einer Gefahr für die Meeresumwelt führt, die Errichtung oder den Betrieb ganz oder teilweise bis zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands untersagen, soweit sich die Gefahr auf andere Weise nicht abwenden lässt oder die Einstellung der Errichtung oder des Betriebs zur Aufklärung der Ursachen der Gefahr unerlässlich ist. Dabei handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG.

20(2) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG ist dieses Gesetz anzuwenden auf Verwaltungsakte über Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen zur Umsetzung oder Durchführung von Entscheidungen nach den Nummern 1 bis 5, die der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union dienen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG findet es in gleicher Weise Anwendung, wenn entgegen geltender Rechtsvorschriften eine solche Entscheidung unterlassen wurde. Schließlich regelt § 1 Abs. 2 UmwRG konstitutiv die Erstreckung der Geltung des Gesetzes u.a. auf den seewärts des Küstenmeeres und somit außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets liegenden und nach Maßgabe der Regelungen in Art. 55, 56 Abs. 1 Buchst. a und b des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom - SRÜ - (BGBl. 1994 II S. 1798, 1799) eröffneten Funktionshoheitsraum der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (vgl. Proelß, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, Kap. 3 Rn. 216 f., 223 ff.; Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG, 5. Aufl. 2018, § 1 UmwRG Rn. 101; Kieß, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 56 Rn. 10, 21; siehe auch Khan, in: Bonner Kommentar zum GG, Bd. 1 Stand Februar 2021, Staatsgebiet und Grenzen, Rn. 192).

21§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG ist nach Art. 1, 18 des Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom (BGBl. I S. 1298) am und damit erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens in Kraft getreten. Aufgrund der Überleitungsvorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 1 UmwRG ist die Vorschrift hier anwendbar. Denn der angefochtene Ablehnungsbescheid hatte im Zeitpunkt der Rechtsänderung aufgrund der fristgerechten Klageerhebung noch keine Bestandskraft erlangt (siehe Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drs. 18/12146 S. 16; vgl. 7 C 25.15 - Buchholz 445.41 § 27 WHG 2010 Nr. 3 Rn. 17 und vom - 4 CN 9.19 - NVwZ 2021, 331 Rn. 10; siehe auch Zwischenurteil vom - 4 A 59.01 - Buchholz 406.400 § 69 BNatSchG 2002 Nr. 1 S. 2).

22Der Begriff der Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG ist weit auszulegen (vgl. 9 A 22.19 - BVerwGE 168, 368 Rn. 17 f.). Dies folgt insbesondere aus dem Anliegen des Gesetzgebers, die Vorgaben des Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention - AK - vollständig ins nationale Recht umzusetzen und zu diesem Zweck die Klage auf behördliches Einschreiten gegenüber Dritten im Interesse der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften zu ermöglichen (BT-Drs. 18/9526 S. 32, 36 f.; siehe auch Schlacke, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 1 UmwRG Rn. 56 f.). Eine Einschränkung erfährt die Ausrichtung auf Maßnahmen des Gesetzesvollzuges insoweit, als selbstständige, von einer Vorhabenzulassung unabhängige Überwachungsmaßnahmen nicht erfasst sind, die Maßnahmen vielmehr der Durchsetzung und Umsetzung der in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 UmwRG aufgezählten Entscheidungen dienen müssen (vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Dezember 2020, § 1 UmwRG Rn. 121 f.). Ein solcher Zusammenhang besteht hier mit einer Zulassungsentscheidung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG. Die seeanlagenrechtliche Genehmigung, an die die Überwachungsmaßnahmen nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV anknüpfen, war - wie in der genannten Vorschrift vorausgesetzt und vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführt - UVP-pflichtig (UA S. 58).

23Zu Unrecht wendet die Beigeladene ein, eine Entscheidung im Sinne der genannten Bestimmung stehe hier nicht in Rede, weil die Genehmigung, die vor dem als dem Zeitpunkt des Ablaufs der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme (ABl. L 126 S. 17) - Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie - ergangen ist (siehe BT-Drs. 18/9526 S. 46 und BT-Drs. 18/5927 S. 11), als solche nicht tauglicher Gegenstand einer Verbandsklage gewesen sei (siehe § 8 Abs. 1 Satz 1 UmwRG). Darauf kommt es nach dem Gesetzeswortlaut nicht an. Im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 Nr. 1 UmwRG reicht es aus, dass die Zulassungsentscheidung, auf die die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG bezogen ist, in der Sache bestimmten Anforderungen genügen musste; demgegenüber spielt die Frage der Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen die vorausliegende Zulassungsentscheidung keine Rolle (vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Dezember 2020, § 8 UmwRG Rn. 12). Schließlich sind entgegen der Auffassung der Beklagten Maßnahmen zur Umsetzung oder Durchführung der Zulassungsentscheidung nicht nur solche, die in dem Sinne auf die Vorhabenzulassung bezogen sind, als allein die Einhaltung der Genehmigungsbestimmungen z.B. nach deren Umfang, die Beachtung von Schutzauflagen und die Durchführung angeordneter Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen überwacht werden soll. Vielmehr sind - insbesondere vor dem Hintergrund des Art. 9 Abs. 3 AK - gerade auch die Auswirkungen der Zulassungsentscheidung in den Blick zu nehmen. Denn sie sind bereits bei Erlass dieser Entscheidung zu berücksichtigen. Auch insoweit sind die Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen gerade dann genehmigungsakzessorisch, wenn sie wie eine Betriebsuntersagung jedenfalls die Ausnutzung der Zulassungsentscheidung betreffen.

24Mit der Ausrichtung auf die Abwehr einer Gefahr für die Meeresumwelt dient § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV auch der Einhaltung umweltbezogener Vorschriften im Sinne von § 1 Abs. 4 UmwRG i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG; hier sind die Umweltbestandteile "natürliche Lebensräume einschließlich Meeresgebiete" und "die Artenvielfalt und ihre Bestandteile" betroffen.

25b) Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV unter Hinweis auf eine Legalisierungswirkung der bestandskräftigen seeanlagenrechtlichen Genehmigung zur Errichtung des Windparks. Die mit dem Windpark einhergehende Beeinträchtigung der Stern- und Prachttaucher sei im Genehmigungsbescheid ausführlich gewürdigt und auf dieser Basis eine Gefährdung der Meeresumwelt verneint worden. Diese Einschätzung könne auf Grundlage der genannten Bestimmung auch nicht durch Erlass einer zeitlich beschränkten Untersagung überwunden werden. Diese Auffassung verstößt gegen Bundesrecht; sie wird dem Regelungsgehalt des § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV nicht gerecht, indem sie die Rechtswirkungen und die Grenzen der Bestandskraft der seeanlagenrechtlichen Genehmigung überdehnt.

26aa) Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV hat das BSH die Befugnis, den Betrieb der Anlage, soweit erforderlich, bis zur Herstellung ordnungsgemäßer Zustände zu untersagen, wenn der Betrieb u.a. eine Gefahr für die Meeresumwelt herbeiführt. Diese Handlungsoption ist Teil der Überwachungsmaßnahmen, die - wie die Generalklausel des § 16 Abs. 2 Satz 2 SeeAnlV zeigt - auf die Sicherung und Einhaltung der Betreiberpflichten nach § 14 SeeAnlV ausgerichtet sind. Zu den Betreiberpflichten zählt nach § 14 Nr. 1 SeeAnlV insbesondere die Vermeidung von Gefahren für die Meeresumwelt. Die anderen Eingriffsmöglichkeiten nach § 16 SeeAnlV unterscheiden sich nach Regelungsgehalt und Eingriffsintensität. Auf der Grundlage der Generalklausel des § 16 Abs. 2 SeeAnlV können Gebote und Verbote zur Durchsetzung der Betreiberpflichten in Gestalt nachträglicher Auflagen erlassen werden (siehe auch § 2 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, § 2 Abs. 3 Satz 2 SeeAnlV i.V.m. § 36 Abs. 2 VwVfG, § 6 Abs. 4 Satz 2 SeeAnlV, § 4 Abs. 3 SeeAnlV 1997). Über die Regelung in § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV bzw. - entsprechend für nicht zugelassene Anlagen - § 16 Abs. 4 Satz 1 SeeAnlV hinausgehend erlaubt § 16 Abs. 3 Satz 2 SeeAnlV bzw. § 16 Abs. 4 Satz 3 SeeAnlV die Beseitigung einer zugelassenen bzw. nicht zugelassenen Anlage, falls die Gefahr nicht auf andere Weise abgewendet werden kann. Daneben stehen schließlich die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen über die Rücknahme und den Widerruf der Zulassungsentscheidung (§ 16 Abs. 6 SeeAnlV). Ein zutreffendes Verständnis des § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV muss sich in diesen Regelungszusammenhang einfügen und dabei auch die Reichweite des Schutzguts der Meeresumwelt richtig erfassen.

27bb) Der Begriff der Meeresumwelt ist weit auszulegen. Das Seerechtsübereinkommen verleiht dem Küstenstaat im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone neben souveränen Rechten hinsichtlich von Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Ausbeutung der Zone wie der Energieerzeugung aus Wasser, Strom und Wind (Art. 56 Abs. 1 Buchst. a, Art. 60 SRÜ) auch Hoheitsbefugnisse, wie in den diesbezüglichen Bestimmungen des Übereinkommens vorgesehen, in Bezug auf den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt (Art. 56 Abs. 1 Buchst. b Ziffer iii SRÜ). Dabei beziehen sich die Vorschriften im insoweit einschlägigen Teil XII des Seerechtsübereinkommens nicht nur gemäß Art. 194 Abs. 1 bis 4 SRÜ auf Maßnahmen zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung der Meeresumwelt im Sinne der (engen) Begriffsbestimmung des Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 SRÜ, die lediglich die unmittelbare oder mittelbare Zuführung von Stoffen oder Energie in die Meeresumwelt in den Blick nimmt (siehe Brandt/Gaßner, Seeanlagenverordnung, 2003, § 3 Rn. 38 ff.). Vielmehr verleiht Art. 194 Abs. 5 SRÜ, nach dem auch die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz und zur Bewahrung seltener oder empfindlicher Ökosysteme sowie des Lebensraumes gefährdeter, bedrohter oder vom Aussterben bedrohter Arten oder anderer Formen der Tier- und Pflanzenwelt des Meeres zu den in Übereinstimmung mit Teil XII ergriffenen Maßnahmen gehören, den Vorschriften als Öffnungsklausel ein naturschutzrechtliches Gepräge (vgl. Proelß, a.a.O. Rn. 265 f.; Hafner, in: Graf Vitzthum, Handbuch des Seerechts, 2006, Kap. 5 Rn. 29 ff.; Kieß, in: GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 56 Rn. 15; Heselhaus, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 56 Rn. 31; Schubert, Maritimes Infrastrukturrecht, 2015, S. 43 ff.).

28Hiernach umfasst die Meeresumwelt neben den grundlegenden Umweltelementen wie der Qualität des Meerwassers, der Hydrographie und den Sedimentverhältnissen insbesondere die Tier- und Pflanzenwelt des Meeres (vgl. Brandt/Gaßner, Seeanlagenverordnung, 2003, § 3 Rn. 27; Spieth, in: Spieth/Lutz-Bachmann, Offshore-Windenergierecht, 2018, § 48 WindSeeG Rn. 57). Gesetzlich konkretisiert wird der Schutz der Tierwelt als Teil der Meeresumwelt durch das Regelbeispiel des Vogelzugs. Die Formulierung in § 5 Abs. 6 Nr. 2 SeeAnlV, die den Vogelzug zwar im Zusammenhang mit der Meeresumwelt, aber nach dem erläuternden, durch Kommata umschlossenen Einschub zur Meeresverschmutzung doch getrennt von und gleichrangig mit ihr aufführt, steht diesem Verständnis nicht entgegen. Sie ist, wie die vorherigen Fassungen der Seeanlagenverordnung belegen, nur missverständlich. Mit der Ergänzung um den Vogelzug in § 3 Satz 2 Nr. 4 SeeAnlV i.d.F. des Gesetzes vom , BGBl. I S. 1193, 1216, (gleichlautend § 3 Satz 2 Nr. 3 SeeAnlV i.d.F. der Verordnung vom , BGBl. I S. 1296) sollte neben der Verschmutzung der Meeresumwelt im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4 SRÜ ein Ausschnitt aus diesem Schutzgut beispielhaft besonders hervorgehoben werden (siehe BT-Drs. 14/6378 S. 65; so nun auch wieder deutlich in den Nachfolgevorschriften § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b WindSeeG und § 5 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b des Seeanlagengesetzes - SeeAnlG -, Art. 20 des Gesetzes vom , BGBl. I S. 2258, 2348). Ungeachtet avifaunistischer Begrifflichkeiten und Unterscheidungen zwischen Rast- und Zugvögeln (siehe etwa BSH, Umweltbericht zum Flächenentwicklungsplan 2019 für die deutsche Nordsee, vom , Ziff. 2.9, 2.10; 3.8, 3.9; 4.6, 4.7; 5.2) ist eine Beeinträchtigung des Vogelzugs in Abhängigkeit von der jeweils betroffenen Vogelart und ihres Erhaltungszustands nicht nur dann anzunehmen, wenn Offshore-Einrichtungen wegen ihrer Lage auf einer traditionellen Zugroute besonders hohe Verluste durch Vogelschlag befürchten lassen; sie kommt auch dann in Betracht, wenn durch den Bau oder Betrieb einer Seeanlage die ökologische Qualität der für die Erhaltung der Vogelarten wichtigen Rast-, Mauser- oder Überwinterungsplätze insbesondere wegen der Scheuchwirkung der Anlage in Mitleidenschaft gezogen wird (vgl. BT-Drs. 14/6378 S. 65; siehe Gellermann, in: Gellermann/Stoll/Czybulka, Handbuch des Meeresnaturschutzrechts in der Nord- und Ostsee, 2012, § 9 S. 201; Brandt/Gaßner, Seeanlagenverordnung, 2003, § 3 Rn. 49 ff.; Spieth, in: Spieth/Lutz-Bachmann, Offshore-Windenergierecht, 2018, § 48 WindSeeG Rn. 71; vgl. auch Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/147/EG - Vogelschutz-RL -). Zur näheren Ausfüllung des Begriffs der Gefährdung der Meeresumwelt durch Beeinträchtigung des Vogelzugs in diesem Sinne bietet sich - wie in der erteilten Genehmigung geschehen - die Orientierung an naturschutzrechtlichen Vorschriften an. Eines Rückgriffs auf die tatbestandliche Voraussetzung einer Beeinträchtigung "sonstiger überwiegender öffentlicher Belange" bedarf es nicht (siehe aber auch Gellermann, a.a.O., S. 202).

29cc) Die Untersagung des Betriebs der Anlage auf der Grundlage des § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV ist immer zeitlich beschränkt; sie ist keine endgültige, mit der die betrieblichen Verhältnisse der Anlage - wie mit nachträglichen Auflagen auf der Grundlage des § 16 Abs. 2 SeeAnlV - im Sinne einer Dauerlösung geregelt werden sollen, sondern nur eine vorläufige Maßnahme. Dies gilt wegen der Ausrichtung auf und Befristung bis zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands ungeachtet des Umstands, dass mit der Änderung der Seeanlagenverordnung durch die Verordnung vom (BGBl. I S. 1296) im damaligen § 15 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV ("... den Betriebvorläufigganz oder teilweise bis zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands untersagen ...") das Wort "vorläufig" entfallen ist.

30Die Betriebsuntersagung stellt sich als typisch ordnungsrechtliche Notmaßnahme dar, wenn es etwa um die Abwehr der Folgen eines betrieblichen Störfalls geht, mit dem die Gefahr einer Meeresverschmutzung einhergeht. Eine solche Maßnahme steht in keiner Weise in Widerspruch zu einer bestandskräftigen Genehmigung, weil der Störfall gerade nicht erfasst und geregelt wird bzw. die Regelungswirkung überschreitet.

31Daneben können auch Gefahren für die Meeresumwelt, die sich aus den Auswirkungen eines nach Maßgabe der Genehmigungsbedingungen ordnungsgemäßen Betriebs ergeben und sich nicht in einer Meeresverschmutzung, sondern in Beeinträchtigungen naturschutzrechtlicher Art niederschlagen, Anlass für ein Einschreiten nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV sein. Dieses Vorgehen wird durch die Rechtswirkungen der Genehmigung nicht von vornherein gesperrt.

32(1) Die "Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands" als Ziel der Betriebsuntersagung meint nicht allein das Ergebnis der Beseitigung des Störfalls, die die Anlage wieder in einen regelkonformen Zustand im Sinne der Einhaltung der Genehmigungsbedingungen versetzt, sodass sich Maßnahmen nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV bei genehmigungskonformem Betrieb erübrigen. Der ordnungsgemäße Zustand ist vielmehr auf die Beachtung der Betreiberpflichten im Sinne des § 14 SeeAnlV und deren Schutzzwecke bezogen. Diese Pflichten verlangen ganz generell, dass der Betrieb in Einklang mit den maßgeblichen rechtlichen Anforderungen geführt und insoweit Schädigungen und Gefährdungen vermieden werden. Das soll durch die Überwachungsmaßnahmen gesichert werden. Eine Beschränkung der dabei beachtlichen Ursachen auf Umstände, die erst während des Anlagenbetriebs eingetreten sind, ergibt sich nicht aus der Formulierung, dass der Betrieb der Anlage eine Gefährdung der Schutzgüter herbeiführt; damit wird nur der Nachweis einer Kausalbeziehung gefordert.

33Eine Einschränkung der zulässigen Zielrichtung der Untersagungsverfügung kann sich zwar grundsätzlich aus den Rechtswirkungen der bestandskräftigen seeanlagenrechtlichen Genehmigung ergeben, aufgrund derer der Windpark betrieben wird. Deren Regelungsgehalt ist indessen begrenzt. Sie gestattet die Errichtung und den Betrieb der genehmigten Anlage und stellt fest, dass die Anlage mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, soweit vom Prüfprogramm umfasst (hier § 3 SeeAnlV 2002), vereinbar ist. Diese Feststellung bezieht sich auf den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Darin erschöpft sich die Regelungs- und Legalisierungswirkung, weil die Betreiberpflichten in dem Sinne dynamisch sind, als sie auf die jeweils aktuelle Rechtslage, die nunmehr geltenden rechtlichen Anforderungen und die damit verfolgten umweltrechtlichen Standards, ausgerichtet sind und auch einer neuen Tatsachenlage Rechnung tragen müssen (Brandt/Gaßner, Seeanlagenverordnung, 2003, § 13 Rn. 5). Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage bei der seeanlagenrechtlichen Genehmigung, die im Anschluss an Begrifflichkeiten des Bundesimmissionsschutzgesetzes Errichtung und Betrieb der Seeanlage umfasst (vgl. Brandt/Gaßner, a.a.O., § 1 Rn. 50), nicht von den entsprechenden Grundlinien des allgemeinen Immissionsschutzrechts (siehe §§ 17, 20, 21 BImSchG). Nachträglichen Rechtsänderungen kann folglich nicht mit dem Einwand begegnet werden, dass nicht in einen als rechtmäßig festgestellten Bestand eingegriffen werden dürfe (vgl. 7 C 48.07 - BVerwGE 132, 224 Rn. 27). Hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse kann offenbleiben, ob sich die Bestandskraft gegen eine lediglich veränderte Bewertung einer als solcher unveränderten Tatsachengrundlage durchsetzen kann. Demgegenüber sind bei der Bestimmung der Betreiberpflichten neue Erkenntnisse über die Auswirkungen der Anlage immer zu berücksichtigen. Dies gilt zum einen für neue wissenschaftliche Erkenntnisse; schlägt sich der wissenschaftliche Fortschritt in allgemein anerkannten Standards etwa zur Abschätzung zukünftiger Entwicklungen nieder, sind diese als neue Tatsachen zu betrachten, die die Bestandskraft überwinden können (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom - 7 B 190.81 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 80 S. 24 und vom - 7 B 219.87 - Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 2 S. 1 f.; Urteile vom - 4 A 2.15 - BVerwGE 155, 81 Rn. 36 und vom - 8 C 16.17 - BVerwGE 163, 102 Rn. 20; Schoch, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand Juli 2020, § 49 Rn. 111, 113). Zum anderen können sich neue Tatsachen daraus ergeben, dass die Auswirkungen des Betriebs einer Anlage nicht mehr nur - wie bei der Erteilung der Genehmigung - prognostisch ermittelt und folglich abgeschätzt, sondern nach Errichtung und Inbetriebnahme auf der Grundlage empirischer Nachweise verlässlicher bestimmt werden können. Auch wenn eine Prognose nach Prognosebasis und -methode fehlerfrei erstellt worden ist, steht bei der Normierung dynamischer Betreiberpflichten die Genehmigung grundsätzlich unter dem Vorbehalt, dass die Auswirkungsprognose aus welchen Gründen auch immer fehlschlägt und bei Ausnutzung der Genehmigung die Tätigkeit des Genehmigungsinhabers an die neue Situation angepasst werden muss.

34(2) Die vorläufige Untersagung des Betriebs setzt nicht voraus, dass zuvor die Genehmigung wegen der Nichterfüllung der Betreiberpflichten aufgehoben worden ist. Ein solches Erfordernis ist weder ausdrücklich normiert, noch folgt dies aus dem Hinweis in § 16 Abs. 6 SeeAnlV auf die Vorschriften über Rücknahme und Widerruf eines Verwaltungsakts. Dieser Hinweis macht lediglich deutlich, dass die Vorschriften in § 16 SeeAnlV sich gegenüber den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen nicht als abschließend verstehen, aber ansonsten eigenständige Regelungen enthalten. Die Eigenständigkeit von § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV wird dadurch belegt, dass die Betriebsuntersagung immer eine vorläufige ist. Die so gewonnene Zeit kann insbesondere dazu genutzt werden, den Verstoß gegen die Betreiberpflichten - so er nicht bereits während der Prüfung im Überwachungsverfahren bewältigt worden ist - entweder durch Veränderungen im Tatsächlichen, etwa den Betriebsmodalitäten, oder durch Nachbesserungen im Rechtlichen im Wege der Erteilung von Ausnahmen oder Befreiungen zu beseitigen. In einer solchen Situation wird die vorläufige Untersagung zur bloßen Betriebsunterbrechung, nach der die Absicherung des Betriebs durch eine Genehmigung wieder unabdingbar ist.

35Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage von der Situation, in der nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SeeAnlV die Anlage beseitigt wird. Hier muss die Genehmigung nicht mehr "in Reserve" gehalten werden. Vielmehr spricht alles dafür, dass auch aufgrund der Schwere des Eingriffs die erteilte Genehmigung als Grundlage für die Errichtung der Anlage vorab aus der Welt geschafft werden muss. Das wird nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass in den entsprechenden Nachfolgevorschriften eine Aufhebung nunmehr ausdrücklich vorgesehen ist (§ 57 Abs. 3 Satz 2 WindSeeG; § 14 Abs. 3 Satz 2 SeeAnlG), und die Gesetzesmaterialien insoweit nicht von einer Änderung der zuvor geltenden Rechtslage ausgehen (BT-Drs. 18/8860 S. 315, zu § 57 WindSeeG; BT-Drs. 18/9096 S. 379, zum SeeAnlG).

36(3) Auch wenn hiernach der Fortbestand der Genehmigung einer gegebenenfalls beschränkten Betriebsuntersagung zur einstweiligen Sicherung der Einhaltung der Betreiberpflichten im Interesse der Gefahrenabwehr nicht entgegensteht, folgt aus dem Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen keine Verpflichtung der Behörde, von der Ermächtigungsgrundlage in einer bestimmten Weise Gebrauch zu machen. Ihr ist vielmehr Ermessen eingeräumt. In die Ermessenserwägungen ist dann jedenfalls in Bezug auf das Wie des Einschreitens etwa in zeitlicher Hinsicht die Existenz der Genehmigung einzustellen. Das folgt auch aus einem Vergleich der Regelungen in § 16 Abs. 3 Satz 2 und § 16 Abs. 4 Satz 3 SeeAnlV: Während die Beseitigung einer genehmigten Anlage als ultima ratio im behördlichen Ermessen steht, ist sie bei einer nicht genehmigten Anlage zwingend.

37Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich insoweit auch bei Beachtung des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen - FFH-RL -, zu dessen Umsetzung § 33 Abs. 1 BNatSchG dient, nichts Anderes. Das in Art. 6 Abs. 2 FFH-RL normierte allgemeine habitatrechtliche Verschlechterungsverbot hat zwar, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ungeachtet des grundsätzlichen Vorrangs der vorhabenbezogenen Vorschriften des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL auch nach der Zulassung eines Vorhabens Bedeutung. So sind Vorhaben, die im Anschluss an eine nicht den Anforderungen von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL entsprechende Untersuchung vor der Listung eines Gebiets genehmigt worden sind, vor ihrer Ausführung gegebenenfalls einer nachträglichen Verträglichkeitsuntersuchung nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL zu unterziehen (vgl. [ECLI:EU:C:2016:10], Grüne Liga Sachsen - Rn. 46 und - C-141/14 [ECLI:EU:C:2016:8], Kommission/Bulgarien - Rn. 52; 9 C 3.16 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 14 Rn. 36 ff.). Es ist auch dann von Bedeutung, wenn ein unter Prüfung von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL zugelassenes Vorhaben sich bei der anschließenden Realisierung als geeignet erweist, erhebliche Verschlechterungen oder Störungen hervorzurufen (vgl. [ECLI:EU:C:2004:482], Waddenvereniging - Rn. 36 f.). Die sich aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL ergebende allgemeine Schutzpflicht im Sinne einer fortlaufenden Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Ergreifen geeigneter Schutzmaßnahmen, um habitatrechtlich beachtliche Verschlechterungen sowie Störungen zu vermeiden, gibt den Mitgliedstaaten jedoch keine konkreten Maßnahmen vor ( - Rn. 44 f.; 9 A 22.19 - BVerwGE 168, 368 Rn. 69). Gibt es, wie hier, eine Ermächtigungsgrundlage, die auch zum Habitatschutz beizutragen geeignet ist, ist dieses Anliegen bei der Anwendung dieser Norm zu beachten. In die Ermessenserwägungen ist die Schutzpflicht bei der Auswahl der Maßnahmen einzustellen.

38c) Nach diesen Grundsätzen hat die Verneinung des geltend gemachten Anspruchs mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung keinen Bestand.

39aa) Zum einen hat das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner unzutreffenden Rechtsansicht die vom Kläger benannten neuen Erkenntnisse zu den Auswirkungen des Windparks auf die Seetaucher in ihrem Habitat nicht gewürdigt und nicht geprüft, ob diese Anlass zu anlagenbezogenen Maßnahmen der Gefahrenabwehr geben können. Dass solche Überlegungen auch aufgrund der in dem für die Entscheidung über ein Verpflichtungsbegehren maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vorliegenden Untersuchungen nicht von vornherein von der Hand zu weisen waren, wird nicht zuletzt durch die Einschätzung im Bescheid des BfN vom bestätigt, der sich zum Beleg einer rechtlich erheblichen Beeinträchtigung der Seetaucher auch auf Erkenntnisse beruft, die bereits im Jahre 2018 vorlagen. Diese Prüfung auf der Grundlage des aktuellen Erkenntnisstandes nachzuholen, ist dem Senat verwehrt. Die Sache ist gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

40bb) Eine Zurückverweisung ist auch deswegen geboten, weil das Berufungsgericht zum anderen eine Änderung der Rechtslage nicht in den Blick genommen hat.

41Im Vorfeld der Erteilung der Genehmigung ist lediglich - vorsorglich - eine habitatschutzrechtliche, nicht aber eine artenschutzrechtliche Prüfung durchgeführt worden. Das entsprach der damals geltenden nationalen Rechtslage. Mit Gesetz vom (BNatSchGNeuregG, BGBl. I S. 1193) wurde § 38 BNatSchG a.F. eingefügt, der erstmals den Schutz von Meeresflächen regelte. Wie sich insbesondere aus § 38 Abs. 1 Nr. 5 BNatSchG mit dem Verweis auf §§ 33 und 34 BNatSchG ergibt, wurde damit - nach Maßgabe der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens - die Geltung der naturschutzrechtlichen Habitatschutzvorschriften in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone angeordnet. Eine räumliche Erstreckung der artenschutzrechtlichen Vorschriften erfolgte damals nicht (siehe auch Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand August 2002, § 38 BNatSchG Rn. 11). Dies ist erst durch die Einfügung des § 56 Abs. 1 BNatSchG durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom (BGBl. I S. 2542) mit Wirkung vom geschehen; damit wurde auch die Geltung der weiteren naturschutzrechtlichen Instrumente mit Ausnahme der Landschaftsplanung auf den Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone erstreckt (vgl. BT-Drs. 16/12274 S. 73). Insoweit ist nach deutschem Recht eine Rechtsänderung eingetreten, die vom Genehmigungsinhaber grundsätzlich zu beachten ist.

42Die Beschränkung der Erstreckung auf das Habitatschutzrecht ist zwar unionsrechtswidrig. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass die FFH-RL auch in Bezug auf den Artenschutz in der ausschließlichen Wirtschaftszone anwendbar und von den Mitgliedstaaten insoweit umzusetzen ist (Urteil vom - C-6/04 [ECLI:EU:C:2005:626], Kommission/Vereinigtes Königreich - Rn. 117). Die FFH-RL war vor ihrer umfassenden (räumlichen) Umsetzung durch die Geltungserstreckung aufgrund des Bundesnaturschutzgesetzes i.d.F. des Gesetzes vom aber nicht zum Nachteil der Beigeladenen bzw. ihres Rechtsvorgängers anwendbar. Auch wenn die Voraussetzungen einer unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie - Ablauf der Umsetzungsfrist, inhaltliche Bestimmtheit und Unbedingtheit - vorlagen, konnten die deutschen Behörden sich nicht im Sinne einer "umgekehrt vertikalen Direktwirkung" auf die insoweit nicht umgesetzte Richtlinie berufen (vgl. Gundel, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, 2017, Art. 288 AEUV Rn. 47 f.; Ruffert, in: Callies/Ruffert, EUV/ AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 57, jeweils m.w.N.). Nichts Anderes folgt daraus, dass ein Privater durch die Anwendung einer nicht ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinie mittelbar belastet werden kann, wenn ein Dritter ein unionsrechtsmäßiges Handeln der Behörde verlangen kann (vgl. Ruffert, a.a.O., Rn. 63 f. m.w.N.). Eine solche Situation war hier mangels Verbandsklagebefugnis nicht gegeben.

43Die Rechtsänderung liegt im vorliegenden rechtlichen Zusammenhang auch dann vor, wenn auf die seeanlagenrechtliche Genehmigung in der Gestalt des Änderungsbescheids des BSH vom abgestellt wird. Darin ist die Frist, bis zu der - zur Vermeidung des Erlöschens der Genehmigung - die Bauarbeiten für die Errichtung des Windparks zu beginnen haben, bis zum verlängert worden. Mit dieser auflösenden Bedingung soll eine ungerechtfertigte Vorratshaltung an Vorhabenflächen verhindert werden. Die Prüfung beschränkt sich folglich auf die zeitlichen Perspektiven für die Realisierung des Vorhabens, während die Genehmigungsvoraussetzungen bzw. Versagungsgründe nicht nochmals untersucht werden.

443. Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg. Das Urteil ist jedenfalls im Ergebnis richtig und die Revision nach § 144 Abs. 4 VwGO zurückzuweisen, soweit der Kläger mit seinem auf das Umweltschadensgesetz gestützten Begehren nicht durchgedrungen ist.

45a) Das Klagebegehren ist insoweit einer gesonderten Entscheidung zugänglich. Das geltend gemachte Einschreiten zur Gefahrenabwehr auf der Grundlage der Seeanlagenverordnung einerseits und des Umweltschadensgesetzes andererseits steht nicht im Verhältnis einer Anspruchsnormenkonkurrenz zueinander. Vielmehr handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände, die im Wege einer alternativen objektiven Klagehäufung (§ 44 VwGO) verfolgt werden.

46Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Der Klagegrund geht über die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus; zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Beteiligten ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören. Das ist dann der Fall, wenn der Tatsachenstoff nicht sinnvoll auf verschiedene eigenständige, den Sachverhalt in seinem Kerngehalt verändernde Geschehensabläufe aufgeteilt werden kann, selbst wenn er nach mehreren Anspruchsgrundlagen einer je eigenständigen rechtlichen Bewertung zugänglich ist. Bei gleichem Antrag liegt eine Mehrheit von Streitgegenständen dagegen dann vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbstständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (vgl. 7 B 45.15 - Buchholz 300 § 17 GVG Nr. 8 Rn. 6 m.w.N.; - BGHZ 211, 189 Rn. 24 f.). Eine in diesem Sinne streitgegenstandsprägende Wirkung (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 121 Rn. 24) entfalten auch die je unterschiedlich geregelten Voraussetzungen für umweltrechtliche Verbandsklagen, bei denen die Klagebefugnis zur Eröffnung einer (partiell) objektiven Rechtskontrolle jeweils bezogen und beschränkt auf genau umschriebene Angriffsgegenstände bzw. Anspruchsgrundlagen eingeräumt wird.

47b) Das Berufungsgericht hat die Klagebefugnis nach dem Umweltschadensgesetz mit umfangreichen Ausführungen verneint. Die Frage, ob diese Rechtsauffassung mit revisiblem Recht in Einklang steht und ob gegebenenfalls die Frage der Vereinbarkeit dieser Auslegung mit unionsrechtlichen Vorgaben erst nach Einholung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union beantwortet werden könnte, kann aber jedenfalls deshalb aus Gründen der Prozessökonomie dahinstehen, weil die Entscheidung in dieser Hinsicht wegen der Ergebnisrichtigkeit nach § 144 Abs. 4 VwGO Bestand hat (vgl. etwa 11 C 6.95 - BVerwGE 100, 275 <277> und vom - 7 C 11.17 - Buchholz 406.27 § 56 BBergG Nr. 2 Rn. 12, 25 f.; Eichberger/Bier, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 144 Rn. 34 f.).

48Dies folgt daraus, dass die Vorschriften über die Anordnung von Gefahrvermeidungsmaßnahmen nach § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 6 USchadG hier wegen der in § 1 Satz 1 USchadG angeordneten Subsidiarität nicht anwendbar sind. Danach findet das Umweltschadensgesetz Anwendung, soweit Rechtsvorschriften des Bundes oder der Länder die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden nicht näher bestimmen oder in ihren Anforderungen dem Umweltschadensgesetz nicht entsprechen. Nach § 1 Satz 2 USchadG bleiben Rechtsvorschriften mit weitergehenden Anforderungen unberührt.

49aa) Ein Ausschluss der genannten Bestimmungen des Umweltschadensgesetzes steht zwischen den Beteiligten allerdings nicht schon aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom - 11 K 2359/14 - bindend fest (so aber - juris Rn. 200). Das Verwaltungsgericht ist zwar davon ausgegangen, dass das Umweltschadensgesetz hinter die Vorschrift des § 16 SeeAnlV zurücktrete. Rechtskräftig entschieden in jenem Verfahren ist jedoch - wie oben ausgeführt (II 2. a) aa) (2)) - nur, dass das BfN für einen Anspruch auf Erlass von Gefahrvermeidungsmaßnahmen nicht zuständig ist. Die Begründungserwägungen des Gerichts nehmen als bloße Vorfrage nicht an der - eingeschränkten - Bindungswirkung des erlassenen Prozessurteils teil; sie sind bei der Beurteilung des nunmehr zur Entscheidung stehenden Rechtsverhältnisses nicht als vorgreiflich zugrunde zu legen (vgl. etwa 8 C 15.10 - BVerwGE 140, 290 Rn. 20 und vom - 2 C 17.15 - BVerwGE 156, 159 Rn. 10).

50bb) § 1 Satz 2 USchadG verdeutlicht in Umsetzung der Öffnungsklausel des Art. 16 der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. L 143 S. 56) - Umwelthaftungs-Richtlinie -, der verschärfende Regelungen im nationalen Recht zulässt, dass das Umweltschadensgesetz nur einen Mindeststandard definiert und weitergehenden Regelungen nicht entgegensteht (vgl. BT-Drs. 16/3806 S. 13). Vor diesem Hintergrund bestimmt § 1 Satz 1 USchadG den Vorrang spezialgesetzlicher Vorschriften, soweit diese die vom Umweltschadensgesetz behandelte Rechtslage zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden ebenfalls, und zwar tatbestandlich hinsichtlich der personalen oder sachlichen Verantwortlichkeiten sowie der Rechtsfolge weiter gefasst oder konkreter regeln, und gleichwohl mindestens den Schutzstandard des Umweltschadensgesetzes erreichen (Petersen, USchadG, 2013, § 1 Rn. 2 ff.; Beckmann/Wittmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Dezember 2020, § 1 USchadG Rn. 5 f.; Kohler, in: Staudinger, BGB, 2010, Buch 3, Umwelthaftungsrecht, A. Einleitung zum Umwelthaftungsrecht, Rn. 441 m.w.N.).

51Diese Voraussetzungen liegen nach einer generalisierenden Gesamtbetrachtung bei der Anordnungsbefugnis zur Gefahrenabwehr nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV vor. Diese Vorschrift ist schon vom sachlichen Anwendungsbereich insoweit weiter als das Umweltschadensgesetz, als die Seeanlagenverordnung mit dem Schutzgut der Meeresumwelt und insbesondere mit der darin eingeschlossenen Tier- und Pflanzenwelt nicht nur den durch § 2 Nr. 1 Buchst. a USchadG i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 BNatSchG erfassten Ausschnitt des Naturhaushalts und der sogenannten Biodiversitätsschäden in den Blick nimmt (vgl. Cuypers, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 19 Rn. 11). Die Eingriffsvoraussetzungen sind in § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV mit dem Vorliegen einer Gefahr weniger streng als nach § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 5 USchadG, nach dem eine unmittelbare Gefahr eines Umweltschadens festgestellt werden muss. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Inanspruchnahme des Betreibers einer genehmigten Anlage wegen einer grundsätzlich abweichenden Bewertung einer Legalisierungswirkung der Genehmigung nach der Seeanlagenverordnung hinter den Möglichkeiten nach dem Umweltschadensgesetz zurückbleibt. Wie oben ausgeführt, kann eine Legalisierungswirkung dem Einschreiten auf der Grundlage des § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV - anders als bei der allgemeinen naturschutzrechtlichen Eingriffsbefugnis des § 3 Abs. 2 BNatSchG (vgl. Beckmann/Wittmann, a.a.O. Rn. 12; siehe zum Verhältnis zum BNatSchG auch John, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 19 Rn. 35; Schrader, in: BeckOK Umweltrecht, Stand , § 19 BNatSchG Rn. 10, 49) - nicht generell entgegengehalten werden. Bei den Ansprüchen nach dem Umweltschadensgesetz ist die Vorstellung verfehlt, dass insoweit eine Legalisierungswirkung immer ausscheidet. Zwar ist auch der Genehmigungsinhaber gemäß § 2 Nr. 3 USchadG grundsätzlich Verantwortlicher. Zum einen führt aber die Bestimmung in § 19 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG über die Enthaftung, wenn eine Tätigkeit in einem besonderen Prüfverfahren zugelassen wurde oder zulässig ist, zu einer sachlich begrenzten Legalisierungswirkung. Zum anderen kann es im Rahmen der Haftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 USchadG bei einer zuvor genehmigten Tätigkeit am Verschulden fehlen (vgl. 7 C 29.15 - Buchholz 406.257 USchadG Nr. 1 Rn. 27; siehe auch Fellenberg, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 19 Rn. 28 ff., 43 f., 50 ff.). Schließlich sind in § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV auch die Rechtsfolgen konkreter geregelt, wenn dort ein anlagenbezogenes Vorgehen normiert ist.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2021:290421U4C2.19.0

Fundstelle(n):
AAAAH-87101