BGH Beschluss v. - 6 StR 102/21

Jugendstrafverfahren: Folgen fehlerhafter Besetzung der Großen Straf- oder Jugendkammer bei der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens

Gesetze: § 33a JGG, § 33b Abs 2 S 1 JGG, § 76 Abs 2 S 1 GVG, § 199 Abs 1 StPO, §§ 199ff StPO, § 206a Abs 1 StPO

Instanzenzug: LG Rostock Az: 12 KLs 107/20 (2) jug

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten B.    wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten M.        hat es wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Rostock vom auf eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten erkannt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Den ebenfalls nicht revidierenden Mitangeklagten H.       hat es wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

2Die auf die Sachrüge gestützte Revision und ausweislich ihrer Begründung auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten B.    hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

3Das Verfahren ist gemäß § 206a Abs. 1 StPO teilweise einzustellen, weil es hinsichtlich der mit der Anklageschrift vom gegen den Angeklagten B.    und hinsichtlich der zu Nr. 2 der Anklageschrift vom gegen den Angeklagten B.    und die beiden nicht revidierenden Mitangeklagten erhobenen Vorwürfe (II.B.2 und C der Urteilsgründe) an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses fehlt. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift vom ausgeführt:

„Über die Eröffnung [des Verfahrens betreffend die] Anklagen der Staatsanwaltschaft Rostock vom [12]. Oktober 2020 und [13.] Oktober 2020 hat die Jugendkammer im Termin zur Hauptverhandlung am , die gegen den Angeklagten wegen der Vorwürfe aus der ordnungsgemäß zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Rostock vom geführt worden ist, in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen entschieden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Zulassung der Anklage, auch wenn sie in bereits laufender Hauptverhandlung vorgenommen wird, von der Großen Straf- oder Jugendkammer stets in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung, mithin mit drei Berufsrichtern unter Ausschluss der Schöffen zu treffen (§ 199 Abs. 1 StPO i. V. m. § 76 Abs. 1 Satz 2 GVG, § 33b Abs. 1 und 7, § 33a Abs. 2 JGG). Ergeht die Entscheidung nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung, ist sie unwirksam (st. Rspr.; vgl. nur , Urteil vom - 2 StR 45/14 und Beschluss vom - 4 StR 598/14), was ein im selben Verfahren nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis zu Folge hat (vgl. ) und deshalb zur Einstellung des Verfahrens nach § 206a Abs. 1 StPO führt, soweit es von diesem Mangel betroffen ist (zum Ganzen , Rn. 3).“

4Dem schließt sich der Senat an. Das Verfahrenshindernis erfasst nach § 357 StPO die Verurteilung der beiden Nichtrevidenten (vgl. , StV 2004, 61, 62); hinsichtlich des Mitangeklagten H.     gilt dies jedoch nicht in Bezug auf die lediglich mit abgeurteilte Einzeltat (II.B.1 der Urteilsgründe). Einer Aufhebung des angefochtenen Urteils, das mit der Einstellung gegenstandslos wird, bedarf es nicht (vgl. Rn. 3 mwN).

5Die Schuldsprüche waren wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich zu ändern. Den Strafaussprüchen betreffend den Angeklagten B.    und den Nichtrevidenten M.       sowie dem den Nichtrevidenten H.     betreffenden Gesamtstrafenausspruch ist schon durch die teilweise Einstellung des Verfahrens die Grundlage entzogen. Der Senat teilt indessen nicht die Besorgnis, wegen der nicht genannten Untergrenze könne sich die Strafkammer bei dem Angeklagten B.    auf eine nicht zulässige „Punktstrafe“ festgelegt haben (vgl. , NStZ 2011, 170).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:210421B6STR102.21.0

Fundstelle(n):
FAAAH-82909