Online-Nachricht - Freitag, 14.05.2021

Einkommensteuer | Erste Tätigkeitsstätte eines Gerichtsvollziehers (BFH)

Erste Tätigkeitsstätte eines Gerichtsvollziehers ist sein Amtssitz, bestehend aus den Dienstgebäuden des Amtsgerichts, dem er zugeordnet ist, und dem Geschäftszimmer, welches er am Sitz des Amtsgerichts auf eigene Kosten vorzuhalten hat (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.

Sachverhalt: Streitig ist, ob die Fahrtkosten eines Gerichtsvollziehers von seinem Wohnort X zu seinem Amtssitz, dem Amtsgericht in Y, nach dem ab 2014 geltenden neuen Reisekostenrecht als Reisekosten oder nur in Höhe der Entfernungspauschale abziehbar sind. Der Kläger führt u.a. aus, dass er sämtliche notwendige Innendienstarbeiten in seinem genehmigten Büro von zu Hause aus erledige, seinen Amtssitz bei Gericht in Y dagegen lediglich aufgrund gesetzlicher Verpflichtung (§ 30 Gerichtsvollzieherordnung - GVO) unterhalte (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 11.4.2019).

Die Revision der Kläger ist unbegründet und wurde zurückzuweisen:

  • Eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG liegt insbesondere vor, wenn dieser die tatsächliche Sachherrschaft darüber aufgrund seiner Eigentümerstellung, eines obligatorischen oder dinglichen Nutzungsrechts ausüben kann.

  • Eine Einrichtung des Arbeitnehmers, die dieser aufgrund seiner Eigentümerstellung, seines obligatorischen, dinglichen oder auch faktischen Nutzungsrechts für die berufliche Tätigkeit nutzt, kann eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers sein, wenn dieser aufgrund seines Direktionsrechts oder kraft hoheitlicher Anordnung auf die Nutzung der Einrichtung durch den Arbeitnehmer bestimmenden Einfluss nehmen kann.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Nach Auffassung der Finanzbehörden (, Rz. 4) ist das häusliche Arbeitszimmer des Arbeitnehmers keine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers oder eines Dritten und kann daher keine erste Tätigkeitsstätte sein. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer einen oder mehrere Arbeitsräume anmietet, die der Wohnung des Arbeitnehmers zuzurechnen sind. Auch in diesem Fall handelt es sich bei einem häuslichen Arbeitszimmer um einen Teil der Wohnung des Arbeitnehmers. Zur Abgrenzung, welche Räume der Wohnung des Arbeitnehmers zuzurechnen sind, ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall abzustellen, (z. B. unmittelbare Nähe zu den privaten Wohnräumen). Zum alten Reisekostenrecht hat der BFH entsprechend entschieden (z.B. , BStBl II 2011, 354, Rz. 20). Ob das häusliche Arbeitszimmer nach der Neuordnung des steuerlichen Reisekostenrechts zum weiterhin keine erste Tätigkeitsstätte sein kann, ist umstritten (vgl. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG, Anm. 545, m.w.N.). Nach der Besprechungsentscheidung erscheint dies zumindest möglich. Voraussetzung jedenfalls: der Arbeitgeber kann aufgrund seines Direktionsrechts oder kraft hoheitlicher Anordnung auf die Nutzung des „Homeoffice“ bestimmenden Einfluss nehmen.

Quelle: ; NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
NWB VAAAH-78583