BGH Urteil v. - IX ZR 89/20

Schuldverschreibungen einer insolventen GmbH & Co. KG: Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters der Schuldverschreibungsgläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldnerin

Gesetze: § 7 Abs 6 SchVG, § 19 Abs 1 S 1 SchVG, § 19 Abs 2 S 1 SchVG, § 39 Abs 1 S 1 Nr 2 InsO, § 89 Abs 2 InsO

Instanzenzug: LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 16 S 263/19vorgehend AG Delmenhorst Az: 48 C 8097/18 (XIV)

Tatbestand

1Die Beklagte ist Gläubigerin inhaltsgleicher Anleihen, welche die zwischenzeitlich insolvente             Z.       GmbH & Co. KG (fortan: Schuldnerin) im Rahmen einer Gesamtemission begeben hatte. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin wurde die Klägerin mit Mehrheitsbeschluss der Anleihegläubiger vom zu deren gemeinsamen Vertreter bestellt. Sie meldete die Ansprüche der Anleihegläubiger, auch diejenigen der Beklagten, zur Tabelle an.

2Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin eine nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und einem Gegenstandswert von 8.320 € berechnete Vergütung in Höhe von 627,13 € nebst Zinsen verlangt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Vergütungsanspruch in Höhe von 558,11 € nebst Zinsen weiter.

Gründe

3Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

4Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin kein gesetzlicher Vergütungsanspruch gegen die beklagte Anleihegläubigerin zu. Der Vergütungsanspruch aus § 7 Abs. 6 SchVG richte sich auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Schuldnerin, nicht gegen die Gläubiger. Anderweitige Anspruchsgrundlagen gebe es nicht. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG könnten durch Beschluss der Gläubigerversammlung keine Leistungspflichten der Gläubiger begründet werden. Eine individuelle Mandatierung sei nicht erfolgt. Ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag komme nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht ohne Auftrag, sondern aufgrund des Beschlusses der Gläubigerversammlung tätig geworden sei. Im Übrigen seien die abgerechneten Gebühren überhöht.

II.

5Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Der Klägerin steht kein Vergütungsanspruch gegen die Beklagte zu.

61. Als Grundlage eines Anspruchs der Klägerin gegen die Beklagte kommt in erster Linie ein durch den Mehrheitsbeschluss der Gläubigerversammlung und das Einverständnis der Klägerin begründetes Schuldverhältnis in Betracht.

7a) Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG können die Gläubiger nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin durch Mehrheitsbeschluss zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger bestellen. Zu diesem Zweck hat das Insolvenzgericht eine Gläubigerversammlung einzuberufen (§ 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG). Kommt ein Mehrheitsbeschluss zustande und übernimmt der Vertreter die ihm angetragene Vertretung der Gläubiger im Insolvenzverfahren, richtet sich das Rechtsverhältnis zwischen den Gläubigern und dem gemeinsamen Vertreter grundsätzlich nach Auftragsrecht (§§ 675, 667 ff BGB; vgl. die amtliche Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom , BT-Drucks. 16/12814, S. 19 f zu § 7 SchVG-E; OLG Nürnberg, ZInsO 2020, 2011, 2014; Antoniadis, NZI 2014, 785, 786; jeweils mwN; ebenso zum alten Recht RGZ 90, 211, 213 f). Das gilt allerdings nur dann, wenn das Schuldverschreibungsgesetz keine abweichenden Bestimmungen trifft. Die neueren und spezielleren Vorschriften des Schuldverschreibungsgesetzes gehen denjenigen des Bürgerlichen Gesetzbuches vor.

8b) Die Vergütung des gemeinsamen Vertreters richtet sich nicht nach den Vorschriften der §§ 675, 667 ff BGB. Sie ist im Schuldverschreibungsgesetz gesondert geregelt. Gemäß § 7 Abs. 6 SchVG trägt der Schuldner die durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Gläubiger entstehenden Kosten und Aufwendungen einschließlich einer angemessenen Vergütung des gemeinsamen Vertreters. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist klar und eindeutig, soweit sie den Anspruchsgegner benennt. Wie sich aus der amtlichen Begründung zu § 7 SchVG-E ergibt, hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, die Vergütung des gemeinsamen Vertreters nicht den Gläubigern, sondern der Schuldnerin aufzuerlegen. Hier heißt es nämlich (BT-Drucks. 16/12814, S. 20 zu § 7 SchVG-E): "Die Gläubiger sollen nicht mit Kosten belastet werden, da sie nicht über gemeinsame Mittel verfügen. Die Ansprüche des gemeinsamen Vertreters richten sich demzufolge direkt gegen den Schuldner. Der Schuldner hat die Kosten für einen gemeinsamen Vertreter zu tragen."

9Eine systematische Auslegung der genannten Vorschrift bestätigt diesen Befund. Das Schuldverschreibungsgesetz gilt für inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (§ 1 Abs. 1 SchVG). Eine Schuldverschreibung wird in Form von Teilschuldverschreibungen an eine Vielzahl von Anleihegläubigern ausgegeben. Ihre Handelbarkeit beruht auf der einheitlichen Ausgestaltung des in den Anleihebedingungen niedergelegten Rechtsverhältnisses zwischen Emittent und Anleihegläubiger. Sie ist im Grundsatz nur durch eine gleichlautende Vereinbarung des Emittenten mit allen Anleihegläubigern möglich (kollektive Bindung, § 4 Satz 1 SchVG; vgl. Schlitt/Schäfer, AG 2009, 477, 480). Vertragliche Beziehungen bestehen zunächst nur zwischen dem Emittenten und den einzelnen Gläubigern. Die Rechtsverhältnisse zwischen den Gläubigern und dem Schuldner sind bezüglich der Schuldverschreibungen individuell (vgl. BT-Drucks. 16/12814, S. 20 zu § 7 Abs. 2 Satz 4 SchVG-E; , WM 2016, 1589 Rn. 9). Die Gläubiger untereinander verbindet nur, dass sie inhaltsgleiche Schuldverschreibungen erworben haben.

10Ziel des Schuldverschreibungsgesetzes ist es, den Gläubigern zur Sanierung oder in der Insolvenz des Schuldners zu ermöglichen, durch Mehrheitsentscheidungen auf die verbrieften Rechte einzuwirken. Ohne das gesetzlich vorgesehene Mehrheitsprinzip müssten die Gläubiger stets einstimmig entscheiden, um die erforderliche inhaltliche Gleichartigkeit zu wahren. Das Mehrheitsprinzip schafft mithin die Voraussetzungen dafür, dass die Anleihegläubiger in der Krise des Schuldners einen Beitrag zu dessen Sanierung leisten können (BT-Drucks. 16/12814, S. 13). Mehrheitsbeschlüsse mit Wirkung für alle Gläubiger sind jedoch nur nach Maßgabe der §§ 5 bis 21 SchVG erlaubt (vgl. § 5 Abs. 1 SchVG). Das Schuldverschreibungsgesetz sieht die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters durch Mehrheitsbeschluss vor (§ 5 Abs. 1, § 19 Abs. 2 SchVG). Es enthält jedoch keine Bestimmung, nach welcher die Vergütung des so bestellten gemeinsamen Vertreters anteilig von den einzelnen Gläubigern oder von den Gläubigern als Gesamtschuldnern zu tragen wäre. Nach § 7 Abs. 6 SchVG fallen die durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Gläubiger entstehenden Kosten und Aufwendungen einschließlich einer angemessenen Vergütung des gemeinsamen Vertreters vielmehr dem Schuldner zur Last. Der Mehrheitsbeschluss zieht damit keine Vergütungspflicht des einzelnen Anleihegläubigers nach sich.

11Ein Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters gegen die einzelnen Anleihegläubiger oder deren Gesamtheit bedürfte schließlich nicht nur einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, sondern auch einer besonderen sachlichen Begründung, weil er dem Grundverständnis von Kapitalanlagen widerspräche. Der einzelne Gläubiger würde mit seinem ganzen Vermögen für die Erfüllung des Vergütungsanspruchs haften (vgl. Kienle/Vos, NZI 2020, 890, 891). Gläubiger von Schuldverschreibungen haben als Fremdkapitalgeber grundsätzlich jedoch nur das Risiko des Kapitalverlusts zu tragen. Darüber hinaus übernehmen sie keine finanziellen Verpflichtungen (vgl. BT-Drucks. 16/12814, S. 18 zu § 5 Abs. 1 Satz 2 SchVG-E). Ein möglicher Weg wäre eine Regelung des Inhalts gewesen, dass Aufwendungen, Kosten und die Vergütung des gemeinsamen Vertreters vom Rückzahlungs- oder Zinsanspruch der Anleihegläubiger abgezogen werden. Ein entsprechender Vorschlag des Deutsches Aktieninstitut e.V. wurde vom Gesetzgeber aber nicht aufgegriffen (vgl. OLG Nürnberg, ZInsO 2020, 2011, 2014 f; Schlitt/Schäfer, AG 2009, 477, 484 Fn. 92; Kienle/Vos, aaO).

12c) Die Vorschrift des § 7 Abs. 6 SchVG gilt auch dann, wenn der gemeinsame Vertreter erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners bestellt wird. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SchVG unterliegen die Beschlüsse der Gläubiger in diesem Fall den Bestimmungen der Insolvenzordnung, wenn in den folgenden Absätzen des § 19 SchVG nichts anderes bestimmt ist. Die Vergütung des gemeinsamen Vertreters ist in § 19 SchVG nicht besonders geregelt. Die Insolvenzordnung sagt dazu ebenfalls nichts. Damit bleibt es bei der Regelung des § 7 Abs. 6 SchVG. Der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters richtet sich ausschließlich gegen den Schuldner (, WM 2016, 1547 Rn. 9; OLG Nürnberg, ZInsO 2020, 2011, 2014 f; LG Mönchengladbach, ZIP 2020, 380; Veranneman/Veranneman, SchVG, 2. Aufl. §§ 7, 8 Rn. 80; Rüberg, Die Anleihe in der Insolvenz, S. 197 f; Kienle/Vos, NZI 2020, 890, 891; aA AG Nürnberg, ZInsO 2020, 2449 f).

13Allerdings wird der gegen den Schuldner gerichtete Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners kaum durchsetzbar sein. Vergütungen und Auslagen des gemeinsamen Vertreters gehören nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens. Sie können nicht vom Insolvenzgericht festgesetzt werden (, WM 2016, 1547). Der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters ist keine Masseverbindlichkeit (, WM 2017, 379 Rn. 7 ff). Wurde der gemeinsame Vertreter erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestellt, kann der Vergütungsanspruch schließlich auch nicht als Insolvenzforderung zur Tabelle angemeldet werden, weil er im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht begründet war (vgl. § 38 InsO; vgl. aaO Rn. 26). Der gemeinsame Vertreter ist mit seinem Vergütungsanspruch Neugläubiger, dem der Schuldner nur nach Maßgabe des § 89 Abs. 2 InsO mit seinem insolvenzfreien Vermögen haftet ( aaO). Die mit der Durchsetzung des Anspruchs gegen den Schuldner verbundenen Schwierigkeiten rechtfertigen es jedoch nicht, contra legem Vergütungsansprüche gegen die Anleihegläubiger zu begründen. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass es Sache des Gesetzgebers ist, die rechtlichen Voraussetzungen für eine bessere Absicherung des Vergütungsanspruchs des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren zu schaffen ( aaO Rn. 29).

14d) Im Urteil vom (aaO Rn. 27) hat der Senat einen Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters gegen die Anleihegläubiger für möglich gehalten, welcher einen aus § 7 Abs. 6 SchVG abgeleiteten, gegen den Schuldner gerichteten Freistellungsanspruch der Anleihegläubiger begründe; dieser Freistellungsanspruch könne an den gemeinsamen Vertreter abgetreten und als gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO nachrangiger Zahlungsanspruch zur Tabelle angemeldet werden. Damit hat der Senat keinen aus dem Mehrheitsbeschluss der Anleihegläubiger folgenden Verfügungsanspruch des gemeinsamen Vertreters gegen die Anleihegläubiger anerkannt, sondern die Möglichkeit bedacht, dass der gemeinsame Vertreter im Rahmen der Vertragsfreiheit unbeschadet der Regelung in § 7 Abs. 6 SchVG mit den Gläubigern eine von diesen zu zahlende Vergütung für seine Tätigkeit vereinbaren kann (vgl. aaO Rn. 28).

152. Die Beklagte hat die Klägerin nicht mit der Wahrnehmung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren beauftragt. Entgegen der Ansicht der Revision ist ein privatrechtlicher Auftrag nicht durch den Bestellungsbeschluss der Gläubigerversammlung, dessen Bekanntgabe an den gemeinsamen Vertreter und die Annahme seitens der Klägerin zustande gekommen. Es ist schon mehr als fraglich, ob in der Veröffentlichung des Beschlusses über die Bestellung des gemeinsamen Vertreters ein Angebot im Sinne von § 145 BGB zu sehen ist. Die Klägerin ist aufgrund der Bestellung tätig geworden. Sie hat nicht zum Ausdruck gebracht, dass zusätzlich eine privatrechtliche Vereinbarung mit jedem einzelnen Gläubiger geschlossen werden sollte, die zudem dessen Vergütungspflicht zum Inhalt hätte. Jedenfalls hat die Beklagte nie die Annahme eines etwaigen Angebots erklärt, weder ausdrücklich noch stillschweigend. Ein Fall des § 151 BGB liegt ersichtlich nicht vor.

163. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff BGB) oder nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff BGB) kommen nicht in Betracht. Die Klägerin hat die Aufgaben eines gemeinsamen Vertreters nicht ohne Auftrag und nicht ohne rechtlichen Grund ausgeführt. Grundlage der Tätigkeit der Klägerin war vielmehr das durch den Beschluss der Gläubigerversammlung und das Einverständnis der Klägerin begründete Schuldverhältnis.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:210121UIXZR89.20.0

Fundstelle(n):
ZIP 2021 S. 1020 Nr. 19
EAAAH-78272