Online-Nachricht - Donnerstag, 06.05.2021

Erbschaftsteuer | Begünstigung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (BFH)

Einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb kann auch derjenige unterhalten, dem weder am Grund und Boden noch am Besatz das Eigentum zusteht. Nutzt ein solcher Betriebsinhaber die Betriebsmittel auf Grundlage von Nießbrauchrechten, können diese Rechte zum Wirtschaftsteil seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehören (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin war Alleinerbin ihres Ehemannes. Zum Nachlass gehörte unter anderem ein Nießbrauchsrecht an einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Diesen Betrieb hatte der Ehemann der Klägerin Jahr vor seinem Tod seinem Sohn übertragen und sich dabei an dem Hof und dem dazugehörigen Grundvermögen auf Lebensdauer einen unentgeltlichen Nießbrauch vorbehalten. Nach dem Übertragungsvertrag sollte nach dem Ableben des Ehemannes das Nießbrauchsrecht der Klägerin auf deren Lebenszeit zustehen. In der Erbschaftsteuererklärung setzte die Klägerin das Nießbrauchsrecht als begünstigtes land- und forstwirtschaftliches Vermögen an. Der Beklagte folgte der Auffassung der Klägerin nicht und unterwarf den Erwerb des Nießbrauchsrechts an dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und dem Grundvermögen im Erbschaftsteuerbescheid in vollem Umfang der Erbschaftsteuer (s. unsere Online-Nachricht v. 1.3.2019).

Der BFH hob das FG-Urteil auf, um die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen:

  • Nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG a.F. gehören zum begünstigten Vermögen vorbehaltlich § 13b Abs. 2 ErbStG a.F. u.a. der inländische Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (§ 168 Abs. 1 Nr. 1 BewG) mit Ausnahme der Stückländereien (§ 168 Abs. 2 BewG) und selbst bewirtschaftete Grundstücke i.S. des § 159 BewG. Mit dieser Verweisungstechnik stellt das ErbStG klar, dass der Umfang des begünstigten land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sich aus dem Bewertungsrecht ergibt.

  • Es sind folglich zunächst bewertungsrechtliche Grundsätze anzuwenden. Insbesondere ist der inländische Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, auf den § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG a.F. an erster Stelle verweist, eine bewertungsrechtliche Kategorie und nur mit Hilfe des dort ausdrücklich genannten § 168 Abs. 1 Nr. 1 BewG zu definieren.

  • Im Ergebnis finden gleichwohl ertragsteuerliche Kriterien Anwendung, da die bewertungsrechtliche Begriffsbestimmung des land und forstwirtschaftlichen Betriebs eine entsprechende Öffnung enthält. Einen Betrieb der Land und Forstwirtschaft hat derjenige inne, der Land und Forstwirtschaft betreibt. Der Betriebsbegriff ist tätigkeitsbezogen. Zivilrechtlichen Eigentums an Grund und Boden oder Besatz bedarf es nicht.

  • Besteht nach diesen Maßstäben ein bewertungsrechtlicher Betrieb der Land und Forstwirtschaft - etwa in der Hand eines Nießbrauchers -, so gehören zum Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens i.S. von § 168 Abs. 1 Nr. 1 BewG i.V.m. § 160 Abs. 2 BewG Nießbrauchrechte an Wirtschaftsgütern zumindest dann, wenn diese, wären sie dem Betriebsinhaber unmittelbar zuzurechnen, ihrerseits nach § 160 Abs. 2 BewG zum Wirtschaftsteil gehörten.

  • Die Steuerbegünstigungen des §§ 13a, 13b ErbStG a.F. sind auch für land- und forstwirtschaftliches Vermögen nur zu gewähren, wenn das erworbene Vermögen durchgehend sowohl beim bisherigen als auch beim neuen Rechtsträger den Tatbestand des § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG a.F. erfüllt.

  • Nach diesen Maßstäben war die Vorentscheidung aufzuheben, denn es ist möglich, dass der Klägerin für die erworbenen Nießbrauchrechte die Verschonung der §§ 13a, 13b ErbStG a.F. zusteht. Es konnte über Grund und Umfang der Begünstigung nicht abschließend entschieden werden. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es liegen schon keine Feststellungen dazu vor, ob der Erblasser bis zu seinem Tode sowie anschließend die Klägerin nach den dargestellten tätigkeitsbezogenen Maßstäben einen Betrieb der Land und Forstwirtschaft geführt haben. Offen ist auch die Frage, ob alle Nießbrauchrechte zum land und forstwirtschaftlichen Vermögen, und zwar zum Wirtschaftsteil, gehören.

Anmerkung von Prof. Dr. Matthias Loose, Richter im II. Senat des BFH:

Nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gehören zum begünstigten Vermögen u.a. der Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens. Die Vorschrift verweist auf § 168 Abs. 1 Nr. 1 BewG und stellt damit klar, dass der Umfang des begünstigten land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sich allein aus dem Bewertungsrecht ergibt. Das bedeutet jedoch nicht, dass nicht auch ertragsteuerliche Kriterien bei der Bestimmung eines solchen Betriebs zur Anwendung kommen. Denn der bewertungsrechtliche Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ist tätigkeitsbezogen. Einen solchen Betrieb hat derjenige inne, der Land- und Forstwirtschaft betreibt. Zivilrechtlichen Eigentum an Grund und Boden oder Betriebsmitteln bedarf es nicht.

Legt man diese Grundsätze zugrunde, kann auch ein Nießbraucher, der den Betrieb tatsächlich selbst bewirtschaftet, Land- und Forstwirtschaft i. S. dieser Vorschrift betreiben. Die Steuerbegünstigung ist zu gewähren, wenn – wie im Streitfall – das Nießbrauchsrecht entweder von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden auf den Erwerber übergeht. Voraussetzung ist jedoch, dass das erworbene Vermögen durchgehend sowohl beim bisherigen als auch beim neuen Rechtsträger den Tatbestand des § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt. Das war im Streitfall noch festzustellen.

Quelle: ; NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
NWB DAAAH-78041