BGH Beschluss v. - 2 StR 458/20

Strafverfahren; Strafklageverbrauch nach Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung bezüglich einer ebenfalls verwirklichten Vergewaltigung

Gesetze: Art 103 Abs 3 GG, § 206a Abs 1 StPO, § 264 Abs 1 StPO, § 177 Abs 1 Alt 1 StGB, § 177 Abs 7 Nr 1 StGB, § 223 Abs 1 StGB, § 241 Abs 2 StGB

Instanzenzug: Az: 2670 Js 2863/19 - 5 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung unter Einbeziehung der Strafe aus dem zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Auf die zulässige Revision des Angeklagten stellt der Senat das Verfahren nach § 206a StPO ein, weil der erfolgten Verurteilung das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs entgegensteht.

21. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Vorwurf, der Angeklagte habe seine Ehefrau am Vormittag des unter Mitsichführen eines Messers vergewaltigt. Dies sei nach einem körperlichen Übergriff auf sie geschehen, bei dem sie misshandelt und mittels des Messers bedroht worden war, wobei sich die Situation zwischenzeitlich beruhigt hatte und es zu einem Gespräch der Eheleute über ihre gemeinsame Zukunft gekommen war.

3Wegen des vorangegangenen körperlichen Übergriffs und der Bedrohung am verurteilte das Amtsgericht in Kassel den Angeklagten am wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die das Landgericht nunmehr in seine Entscheidung einbezogen hat.

42. Dem weiteren Verfahren steht ein dauerndes Verfahrenshindernis entgegen, weil durch das Urteil des Amtsgerichts Kassel Strafklageverbrauch eingetreten ist. Das Verfahren war daher gemäß § 206a i.V.m. § 354 Abs. 1 StPO einzustellen.

5Das amtsgerichtliche Urteil betrifft dieselbe Tat wie das vorliegende Verfahren. Der Begriff der Tat im Sinne des Art. 103 Abs. 3 GG, § 264 Abs. 1 StPO bestimmt sich dabei nach dem von der zugelassenen Anklage umschriebenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Sie erstreckt sich auf das gesamte Verhalten des Täters, das nach natürlicher Auffassung ein mit diesem geschichtlichen Vorgang einheitliches Geschehen bildet (vgl. st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom - 2 StR 606/19; , BGHSt 49, 352, 362 f.). Danach stehen der erste Übergriff des Angeklagten auf seine Ehefrau am Vormittag des und ihre sich mit einem gewissen zeitlichen Abstand anschließende Vergewaltigung im Verhältnis der prozessualen Tatidentität.

6Der Angeklagte hatte seine Ehefrau am Morgen des an der Wohnungstür überrascht, sie in die Wohnung gedrängt und schmerzhaft am Arm festgehalten. Nachdem sich das Geschehen ins Wohnzimmer verlagert hatte, hatte er ein Messer hervorgezogen und es auf die Zeugin mit der Drohung gerichtet, sie umzubringen. Insbesondere diese vom Amtsgericht als Bedrohung ausgeurteilte Drohung und die im hiesigen Verfahren angeklagte und abgeurteilte Vergewaltigung im Schlafzimmer, zu der sich der Angeklagte im Anschluss an den erfolglos gebliebenen Versuch einer Versöhnung mit seiner Ehefrau und deren Ablehnung eines einverständlichen Geschlechtsverkehrs entschlossen hatte, stehen in einem unmittelbaren räumlichen, zeitlichen und personellen Zusammenhang. Daran ändert im Übrigen auch der Umstand nichts, dass mit der zwischenzeitlichen Beruhigung der Situation ein gewisser zeitlicher Abstand zwischen den strafrechtlich relevanten Übergriffen des Angeklagten gegeben ist. Denn Bedrohung und Vergewaltigung sind innerlich dadurch miteinander verknüpft, dass die vorangegangene Bedrohung mit dem Messer auch bei der folgenden Vergewaltigung fortwirkte. Wie das Landgericht ausdrücklich feststellte, entschied sich die Ehefrau des Angeklagten, „unter dem Eindruck der vorangegangenen Bedrohung mit dem Messer und dem Umstand, dass der Angeklagte das Küchenmesser in der Hosentasche bei sich hatte“, dem Ansinnen des Angeklagten (nach Geschlechtsverkehr) keinen Widerstand mehr entgegenzusetzen. Insbesondere auch mit Blick darauf stellt sich das gesamte Verhalten des Angeklagten vom Eindringen in die Wohnung bis zur Vergewaltigung als ein in sich geschlossenes, zusammengehöriges Geschehen dar, dessen getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde.

73. Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO. Umstände, welche die Übernahme der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf die Staatskasse im Sinne von § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO unangemessen erscheinen ließen (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 467 Rn. 18), sieht der Senat nicht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:190121B2STR458.20.0

Fundstelle(n):
PAAAH-76605