BVerwG Urteil v. - 2 C 5/20

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Az: 10 A 11220/19 Urteilvorgehend Az: 2 K 1132/18.KO Urteil

Tatbestand

1Der Kläger begehrt die Aufhebung von Bescheiden, mit denen die Beklagte das Ruhen eines Teils seines Ruhegehalts wegen Versorgungsleistungen aus einer zwischenstaatlichen Verwendung festgestellt hat.

2Der im Jahr 1945 geborene Kläger ist Soldat im Ruhestand. Während seiner aktiven Dienstzeit war er von Dezember 1987 bis März 1991 in einer Einrichtung der NATO (NAMSA) tätig. Er war hierfür von der Beklagten beurlaubt und erhielt von der NATO als Versorgung Kapitalbeträge in Höhe von umgerechnet 30 582,63 €.

3Die Beklagte versetzte den Kläger mit Ablauf des in den Ruhestand. Mit Bescheid vom stellte sie fest, dass die Versorgungsbezüge für die Zeit ab dem in Höhe von monatlich 250,77 € ruhen.

4Mit Schreiben vom beantragte der Kläger die Neufestsetzung des Ruhensbetrags und die Nachzahlung zu viel einbehaltener Versorgungsbezüge. Dies lehnte die Beklagte ab und wies den Widerspruch hiergegen zurück. Die Klage des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung und Nachzahlung blieb vor dem Verwaltungsgericht erfolglos.

5Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte bei Berufungszurückweisung im Übrigen verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Der Kläger habe einen noch unerfüllten Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag. Der Ruhensbescheid sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Beklagte hätte den monatlichen Ruhensbetrag auf die Höhe des verrenteten Kapitalbetrags in Höhe von monatlich 106,50 € reduzieren müssen. Richtig sei, dass der Ruhensbescheid keinen zeitlichen Endpunkt enthielt. Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung habe sich nicht zu einem Anspruch auf Aufhebung des Ruhensbescheids verdichtet.

6Hiergegen richten sich die wechselseitigen Revisionen des Klägers und der Beklagten.

7Der Kläger beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom abzuändern und das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom sowie den Bescheid der Generalzolldirektion vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag des Klägers vom unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm zu Unrecht einbehaltene Versorgungsbezüge nachzuzahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, nach Rücknahme des Ruhensbescheids und Neubescheidung die sich ergebenden Beträge verzinslich an den Kläger auszukehren, und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, sowie die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom vollständig zurückzuweisen und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom aufzuheben, soweit es dem entgegensteht, sowie die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Gründe

9Die zulässigen Revisionen des Klägers und der Beklagten, über die der Senat in sachdienlicher Auslegung ihres Begehrens (§ 88 VwGO) und gemäß § 101 Abs. 2, § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, sind jeweils zum Teil begründet.

10Die für die Zulässigkeit der Revision des Klägers erforderliche Beschwer ist gegeben, weil sich die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht mit der des Klägers deckt und für ihn insoweit ungünstig ist (vgl. 7 C 30.80 u.a. - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 157 S. 51 f., vom - 4 C 58.81 - BVerwGE 69, 256 <258> und vom - 5 C 8.12 - BVerwGE 147, 216 Rn. 11 ff.). Maßgeblich ist insoweit insbesondere, dass das Berufungsgericht den Ruhensbescheid vom entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht wegen der Aufzehrung des Kapitalbetrags und des damit verbundenen Fehlens einer zeitlichen Begrenzung als rechtswidrig angesehen hat.

11Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

12Der Kläger hat einen Anspruch aus § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. § 48 VwVfG auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag vom . Der Bescheid vom ist bereits deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte die Kapitalbeträge des Klägers ohne ausreichende gesetzliche Grundlage dynamisiert und für die Zeit bis zum Ablauf des auch ohne ausreichende gesetzliche Grundlage verrentet hat (1.). Auch unter Berücksichtigung der am in Kraft getretenen gesetzlichen Grundlage für die Verrentung bleibt der Bescheid hinsichtlich der Verrentung des Kapitalbetrags rechtswidrig, weil der Regelungsinhalt des Bescheids den gemäß Art. 157 AEUV gewährleisteten Grundsatz der Entgeltgleichheit verletzt (2.). Ohne diese rechtswidrigen Grundannahmen wäre der Ruhensbetrag geringer gewesen (3.). Dass die Beklagte das teilweise Ruhen des Ruhegehalts des Klägers ohne zeitliche Begrenzung festgestellt hat, ist hingegen rechtmäßig (4.). In der Rechtsfolgeentscheidung ist das Rücknahmeermessen über das vom Berufungsgericht angenommene Maß hinaus reduziert (5.). Dass es das Berufungsgericht abgelehnt hat, die Beklagte zugleich zur Zahlung zur verpflichten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (6.).

131. Der Bescheid vom ist rechtswidrig, weil die Beklagte die Kapitalbeträge des Klägers ohne ausreichende gesetzliche Grundlage dynamisiert hat. Außerdem fehlte bis zum Ablauf des die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Verrentung des Kapitalbetrags.

14Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage richtet sich nach dem materiellen Recht (stRspr, vgl. 8 C 5.03 - BVerwGE 120, 246 <250>, vom - 2 C 17.03 - BVerwGE 122, 237 <241> und vom - 4 C 9.07 - BVerwGE 130, 113 Rn. 10).

15Bei Ruhensbescheiden handelt es sich um feststellende Verwaltungsakte mit sich jeweils monatlich neu aktualisierender Wirkung, für die die im jeweiligen Monat geltende Sach- und Rechtslage maßgeblich ist. Dies folgt bereits daraus, dass das Ruhen kraft Gesetzes eintritt und Ruhensbescheide zwar zulässig, aber nicht erforderlich sind. Im Umfang des durch das Gesetz bestimmten Ruhens hat ein solcher Verwaltungsakt deshalb lediglich deklaratorische Bedeutung ( 2 C 17.12 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 27 Rn. 10 und vom - 2 C 9.15 - Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 30 Rn. 18 ff.). Diese Feststellung des Dienstherrn ändert nichts daran, dass sich die gesetzmäßige Höhe des Ruhensbetrags in jedem Monat aus dem in diesem Monat geltenden Recht und den jeweils vorliegenden Tatsachen ergibt.

16Ab dem Zeitpunkt der Zurruhesetzung des Klägers mit Ablauf des sind zunächst die Übergangsvorschriften des § 96 Abs. 5 Satz 2 und 3 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 1258) anzuwenden. Für Soldaten, die - wie der Kläger - die Zeiten i.S.d. § 55b SVG vor dem zurückgelegt haben, ist nach § 96 Abs. 5 Satz 2 SVG 2002 § 55b SVG in der bis zum geltenden Fassung anzuwenden, es sei denn, die Anwendung des § 55b SVG in der bis zum geltenden Fassung ist für den Versorgungsempfänger günstiger. Außerdem bleibt § 94b Abs. 5 SVG nach § 96 Abs. 5 Satz 3 Halbs. 1 SVG 2002 unberührt.

17§ 94b Abs. 5 SVG 2002 hat keinen Einfluss auf das Ruhen des Ruhegehalts des Klägers. Sinn dieser spezielleren Übergangsvorschrift ist es, den jährlichen Satz für die zeitbezogene Berechnung des Mindestruhensbetrags im Rahmen von § 55b SVG an den sich aus den Übergangsregelungen des § 94b SVG ergebenden Ruhegehaltssatz anzupassen ( 2 B 10.18 - Buchholz 449.4 § 94b SVG Nr. 1 Rn. 16). Danach ist § 94b Abs. 5 SVG im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil der Ruhegehaltssatz des Klägers richtigerweise nicht nach § 94b Abs. 1 SVG berechnet worden ist. Es war nicht veranlasst, den Kläger als am bereits vorhandenen Soldaten i.S.v. § 94b Abs. 1 SVG zu begünstigen, weil er auch nach damals neuem Recht den Höchstruhegehaltssatz in Höhe von 75 Prozent erreichte. Auch auf der Grundlage von § 94b Abs. 1 SVG hätte er lediglich diesen Satz erreichen können. Die Anwendung des § 94b Abs. 1 SVG (und damit auch des § 94b Abs. 5 SVG) ist somit nach § 94b Abs. 3 Satz 1 SVG ausgeschlossen. Für eine Ergänzung des § 94b Abs. 5 SVG um ein Günstigkeitsprinzip wie in § 96 Abs. 5 Satz 2 SVG ist angesichts der ausdrücklichen Regelungen kein Raum. Außerdem gibt es hierfür angesichts des Normzwecks kein Bedürfnis ( 2 B 10.18 - Buchholz 449.4 § 94b SVG Nr. 1 Rn. 16).

18Der danach gemäß § 96 Abs. 5 Satz 2 SVG 2002 vorzunehmende Günstigkeitsvergleich führt zur Anwendung des § 55b in der bis zum geltenden Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 50). Diese ist für den Kläger günstiger, weil § 55b Abs. 4 Satz 1 SGV 1995 i.V.m. § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG in seinem Fall zu einer Begrenzung der Höhe des Ruhensbetrags führt (siehe unten 3.).

19Der Bescheid der Beklagten vom war bei Anwendung des § 55b SVG 1995 von Anfang an rechtswidrig, weil die Beklagte die Dynamisierung und die Verrentung der Kapitalbeträge ohne gesetzliche Grundlage durchgeführt hat. Diese Grundlage wäre jedoch erforderlich gewesen (so zur wortgleichen Regelung des Beamtenversorgungsgesetzes <BeamtVG> 2 C 30.06 - BVerwGE 131, 29 Rn. 24 ff.).

20Wegen der fehlenden gesetzlichen Grundlage für die Dynamisierung ist der Bescheid auch weiterhin rechtswidrig. Die mit dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom (BGBl. I S. 160) eingeführte Regelung für die Dynamisierung von Kapitalbeträgen nach § 96 Abs. 5 Satz 5 SVG 2009 i.V.m. § 55a Abs. 1 Satz 8 SVG 2009 erfasst aufgrund ihres Wortlauts nur Kapitalbeträge von Soldaten, die ab dem in den Ruhestand getreten sind (so zur wortgleichen Regelung des BeamtVG 2 C 47.11 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8 Rn. 12). Auf die Kapitalbeträge des bereits 2003 in den Ruhestand getretenen Klägers fand und findet die Regelung daher keine Anwendung.

21Für die Verrentung der Kapitalbeträge findet jedoch die diesbezügliche Neuregelung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes für die Zeit ab dem Anwendung. Diese Neuregelung gilt anders als die Neuregelung für die Dynamisierung auch für die am vorhandenen Ruhestandssoldaten wie den Kläger (so zur wortgleichen Regelung des BeamtVG 2 C 47.11 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8 Rn. 13 ff.). Nach § 96 Abs. 5 Satz 5 SVG 2009 i.V.m. § 55a Abs. 1 Satz 9 SVG 2009 erfolgt die Verrentung in Fällen wie dem des Klägers mithilfe eines Verrentungsdivisors, der sich aus dem zwölffachen Betrag des Kapitalwerts nach Anlage 9 zum Bewertungsgesetz (BewG) i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 944), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 18 Nr. 10 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2878), ergibt. Der Bescheid der Beklagten vom ist insofern für die Zeit ab dem nicht mehr wegen des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage für die Verrentung des Kapitalbetrags rechtswidrig (vgl. insoweit - juris Rn. 49 und vom - 1 A 707/15 - juris Rn. 48).

22Auf die Frage des maßgeblichen Rechts hat das Inkrafttreten des Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetzes (BesStMG) vom (BGBl. I S. 2053) keinen Einfluss. Gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 SVG 2019 sind die für den Kläger maßgeblichen Regelungen in der bis zum geltenden Fassung weiter anzuwenden.

232. Der Ruhensbescheid vom ist zudem wegen des Verstoßes gegen Art. 157 AEUV unionsrechtswidrig. Die Beklagte hat den Kapitalbetrag unter Berücksichtigung des Geschlechts des Klägers verrentet, indem sie für ihre Berechnung den Vervielfältiger der Anlage 9 zum Bewertungsgesetz (BewG a.F.) für einen Mann im Alter von 58 Jahren verwendete (vgl. Bescheid vom , Anlage 1 S. 2). Diese Verrentung von Kapitalbeträgen unter Verwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln verstößt gegen den gemäß Art. 157 AEUV gewährleisteten Grundsatz der Entgeltgleichheit, weil eine solche Verallgemeinerung der statistischen Lebenserwartung zu einer diskriminierenden Behandlung der Soldaten gegenüber Soldatinnen führt ( 2 C 19.19 - Rn. 18 ff. <zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen>; vgl. insbesondere - VersR 2015, 349 Rn. 25 ff.). Dies führt entgegen der Annahme des Berufungsurteils aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben jedoch nicht zur Bildung eines Mittelwerts, sondern zur Anwendung des für Frauen geltenden Vervielfältigers ( 2 C 19.19 - Rn. 31 ff.; vgl. insbesondere , Safeway - NZA 2020, 33 Rn. 17 f., 33 ff.). Zur näheren Begründung wird auf das vorstehend zitierte Urteil des Senats vom heutigen Tage Bezug genommen.

243. Ohne diese rechtswidrigen Grundannahmen hätte der monatliche Ruhensbetrag unter dem Betrag gelegen, den die Beklagte mit Bescheid vom festgestellt hat. Die Beklagte hätte den von ihr festgestellten Mindestruhensbetrag in Höhe von monatlich 250,77 € nach § 55b Abs. 4 Satz 1 SVG 1995 i.V.m. § 96 Abs. 5 Satz 2 SVG 2002 und § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG auf die von der NATO gewährte Versorgung deckeln müssen. Maßgeblich ist insoweit für jeden Monat die Höhe des verrenteten Kapitalbetrags (siehe unten 4.).

25Der verrentete Kapitalbetrag beträgt ohne die genannten Rechtsfehler für die Zeit ab dem monatlich 203,02 € (30 582,63 €/12/12,553). Der (nicht dynamisierte) Kapitalbetrag in Höhe von 30 582,63 € war nach § 55a Abs. 1 Satz 9 SVG 2009 i.V.m. Anlage 9 zu § 14 BewG 2006 unter Heranziehung des Vervielfältigers für eine Soldatin im Alter von 58 Jahren (12,553) zu verrenten.

26Für die Zeit bis zum Ablauf des ergibt sich ein Betrag in Höhe von monatlich 106,50 € (30 582,63 €/12/23,93). Insoweit sind die Vorgaben des Senats in der Entscheidung zum Verfahren BVerwG 2 C 30.06 heranzuziehen und ist auf den Mittelwert der Lebenserwartung für 58-jährige Frauen und Männer im Jahr 2003 abzustellen ( 2 C 30.06 - BVerwGE 131, 29 Rn. 35).

274. Der Bescheid vom ist nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte das Ruhen ohne zeitliche Begrenzung festgestellt hat.

28Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG stehen einer Ruhensregelung ohne zeitliche Begrenzung grundsätzlich nicht entgegen ( u.a. - BVerfGE 145, 249). Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass § 55b Abs. 3 Satz 1 SVG in den Fassungen vom und vom mit dem Grundgesetz vereinbar ist (BVerfG, ebenda). Der Senat hat daraufhin bereits hinsichtlich dieser Fassungen der Ruhensvorschriften entschieden, dass er an seinen abweichenden Ausführungen in den Urteilen zu den Verfahren BVerwG 2 C 47.11 und 2 C 25.09 nicht mehr festhält (BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 50.18 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 2 Rn. 12 und vom - 2 B 73.18 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 9 Rn. 11).

29Dass im Fall des Klägers § 55b SVG in einer späteren Fassung Anwendung findet, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch die späteren Fassungen enthalten keine Regelung dahingehend, dass das Ruhen enden muss, sobald die Summe der Ruhensbeträge die Höhe des Kapitalbetrags erreicht (a.A. OVG Lüneburg, Beschluss vom - 5 LA 236/17 - juris Rn. 42; a.A. vor der genannten Entscheidung des BVerfG: - juris Rn. 33 ff. und vom - 1 A 707/15 - juris Rn. 32 ff.).

30§ 55b Abs. 1 Satz 3 SVG (in den Fassungen vor 1999) und § 55b Abs. 7 Satz 1 SVG sehen zwar vor, dass der Ruhensbetrag die von der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährte Versorgung nicht übersteigen darf, doch bezieht sich dies allein auf den jeweiligen monatlichen Ruhensbetrag in Relation zur Höhe des verrenteten Kapitalbetrags.

31Dies ergibt sich daraus, dass es sich bei dem Ruhensbetrag i.S.d. § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG und des § 55b Abs. 7 Satz 1 SVG nicht um eine Summe von Ruhensbeträgen, sondern um den im jeweiligen Monat ruhenden Betrag handelt. Aus den gesamten Regelungen des § 55b SVG geht hervor, dass sie jeweils der Berechnung von monatlichen Ruhensbeträgen dienen. So handelt es sich etwa auch bei den dort genannten Höchstgrenzen gemäß § 55b Abs. 3 SVG i.V.m. § 55 Abs. 2 SVG um monatsbezogene Werte. Bei der Versorgung mit Kapitalbeträgen ermöglicht es § 55a Abs. 1 SVG 2009 mittels der Verrentung monatsbezogene Werte zu ermitteln, die dann über § 55b Abs. 4 Satz 3 SVG 2009 und § 96 Abs. 5 Satz 5 SVG 2009 zu monatsbezogenen Ruhensbeträgen führen. Dass dies auch den Begriff des Ruhensbetrags prägt, zeigt sich an § 55b Abs. 8 SVG 2009, der sich auf den bei Anwendung der Absätze 1 bis 7 ergebenden Ruhensbetrag bezieht. Gemeint ist vom Gesetzgeber auch hier der im jeweiligen Monat ruhende Betrag.

32Darüber hinaus zeigen auch die Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG und des § 55b Abs. 7 Satz 1 SVG nicht geschaffen hat, um das Ruhen im Falle der Versorgung durch Kapitalbeträge auf die Höhe des gesamten Kapitalbetrags zu begrenzen. § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG bezog sich bei seiner Einführung mit dem Gesetz vom (BGBl. I S. 848) allein auf laufende Versorgungsleistungen der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen. Die Regelung begrenzte die Höhe des monatlichen Ruhensbetrags auf die Höhe der laufenden Versorgungsleistung im jeweiligen Monat. Die Empfänger von Kapitalbeträgen erhielten diesen Schutz damals nicht (vgl. u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 99). Sie schützte der Gesetzgeber durch die Möglichkeit, den Kapitalbetrag an den Dienstherren abzuführen und dadurch das Ruhen abzuwenden (vgl. BT-Drs. V/2251 S. 7).

33Mit dem Gesetz zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes sowie anderer versorgungsrechtlicher Vorschriften vom (BeamtVGÄndG, BGBl. I S. 2442) erweiterte der Gesetzgeber den Schutz für die Empfänger von Kapitalbeträgen, indem er in § 55b Abs. 4 Satz 1 SVG 1994 auch auf § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG verwies. Durch die in § 55b Abs. 4 Satz 1 SVG 1994 erstmals vorgesehene Verrentung der Kapitalbeträge war es möglich geworden, den § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG auch auf Kapitalbeträge anzuwenden. Bei der Anwendung des § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG 1994 war dabei nach § 55b Abs. 4 Satz 1 SVG 1994 der sich bei einer Verrentung des Kapitalbetrags ergebende Betrag zugrunde zu legen. Die Höhe des verrenteten Kapitalbetrags begrenzt seitdem für jeden einzelnen Monat die Höhe des Ruhensbetrags. Die Einführung der darüber hinausgehenden, vom Kläger begehrten Begrenzung der Summe der Ruhensbeträge auf den Kapitalbetrag ist im Gesetz und in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 12/5919) nicht erkennbar.

34Die Einführung des § 55b Abs. 7 Satz 1 SVG 1998 mit dem Versorgungsreformgesetz 1998 vom (BGBl. I S. 1666) brachte ebenfalls nicht die vom Kläger gewünschte Begrenzung. Grund für diese "Verschiebung" des ansonsten unangetasteten § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG a.F. war nach der Begründung des Gesetzesentwurfs allein die systematische Zusammenfassung mit den neuen "Mindestbelassungsregeln" (BT-Drs. 13/9527 S. 41, 45).

35Der Hinweis des Klägers, dass laufende Versorgungsleistungen von der zwischenstaatlichen Einrichtung dauerhaft neben dem Ruhegehalt stünden und dies bei der Versorgung mit Kapitalbeträgen nicht der Fall sei, rechtfertigt im Hinblick auf die obigen Ausführungen zu Wortlaut und Genese der Regelungen kein anderes Ergebnis. Die auf diesem Hinweis aufbauende Argumentation lässt zudem die Risikoverteilung außer Betracht, die in der vom Gesetzgeber vorgesehenen Verrentung enthalten ist. Die Verrentung anhand der durchschnittlichen Lebenserwartung bevorzugt statistisch gesehen weder den Dienstherrn noch die Soldaten. Genauso wie der Dienstherr nicht geltend machen kann, dass die Summe von Ruhensbeträgen wegen eines frühen Todes zu gering war, kann sich der Soldat nicht darauf berufen, dass die Summe von Ruhensbeträgen wegen eines späten Todes zu hoch ist. Eine Begrenzung der Summe von Ruhensbeträgen auf die Höhe des Kapitalbetrags würde diese statistisch ausgewogene Risikoverteilung einseitig zu Lasten des Dienstherrn verschieben.

36Der Kläger berücksichtigt darüber hinaus nicht ausreichend, dass der wirtschaftliche Wert eines Kapitalbetrags nicht allein durch seinen Nennwert, sondern wesentlich durch das mit ihm verbundene Anlage- bzw. Nutzungspotenzial bestimmt wird (siehe auch insoweit u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 86). Einem Beamten oder Soldaten, der kein solches Anlage- und/oder Nutzungspotenzial für sich sieht oder der die mit dem Erhalt eines Kapitalbetrags verbundenen Risiken nicht eingehen möchte, hat der Gesetzgeber seit der ersten Fassung des § 55b SVG stets die Wahlmöglichkeit eröffnet, den Kapitalbetrag abzuführen und dafür das volle Ruhegehalt zu erhalten. An dem einmal ausgeübten Wahlrecht muss sich der Beamte oder Soldat für die Dauer des Bezugs von Ruhegehalt festhalten lassen.

375. Der Kläger hat nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die (Teil-)Aufhebung des Bescheids vom für die Zeiträume und in dem Umfang, in dem die Beklagte rechtswidrig einen zu hohen Ruhensbetrag festgestellt hat.

38Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG besteht nicht (a). Der Kläger hat grundsätzlich nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG. Dieses Ermessen ist jedoch bei Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts in so erheblichen Umfang verdichtet, dass rechtswidrige Ruhensbescheide in der Regel ab dem Beginn des Kalendermonats nach der Entscheidung zurückzunehmen sind, aufgrund der sich das bisherige Verwaltungshandeln - eindeutig - als rechtswidrig erweist (b). Im Fall des Klägers sind in dieser Hinsicht die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in den Verfahren C-318/13 und (letztlich eindeutig) C-171/18 sowie jene des Senats zu den Verfahren BVerwG 2 C 30.06 und 2 C 47.11 maßgeblich (c).

39a) Nachträgliche Änderungen der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Sach- oder Rechtslage zugunsten des Klägers i.S.d. § 51 Abs. 1 Satz 1 VwVfG liegen im Streitfall nicht vor. Eine Gerichtsentscheidung stellt keine solche Änderung der Sach- oder Rechtslage dar (stRspr, vgl. 9 B 241.92 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 29 S. 15; Urteile vom - 8 C 4.12 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 48 Rn. 21 und vom - 1 C 23.19 - juris Rn. 13).

40b) Das Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG steht grundsätzlich im Ermessen der Beklagten. Dies belegt, dass ein zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führender Rechtsverstoß nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung für die Rücknahme und einen darauf zielenden Anspruch des Betroffenen bildet. Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung bestandskräftiger belastender Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips einen generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit besteht jedoch ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung schlechthin unerträglich ist ( 1 C 33.07 - Buchholz 402.242 § 54 AufenthG Nr. 5 Rn. 12 und vom - 2 C 50.09 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 58 Rn. 11; vgl. auch Urteil vom - 2 C 12.92 - BVerwGE 95, 86 <92 f.>). Ob ein solcher Ausnahmefall angenommen werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte ab ( 6 C 32.06 - NVwZ 2007, 709 Rn. 13, vom - 2 C 50.09 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 58 Rn. 11 und vom - 1 C 23.19 - juris Rn. 19).

41Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann schlechthin unerträglich, wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich. Ferner kann in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann, sodass sich das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist ( 6 C 24.03 - BVerwGE 121, 226 <231>; Urteile vom - 6 C 32.06 - NVwZ 2007, 709 Rn. 13 und vom - 6 C 3.11 - BVerwGE 143, 87 Rn. 51).

42Das Soldatenversorgungsrecht als hier maßgebliches Fachrecht kennt im Unterschied zum Sozialversicherungsrecht und Sozialverfahrensrecht - jenseits von § 48 VwVfG - keine speziellen Vorschriften für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts. Allerdings ist das Soldatenversorgungsrecht deshalb nicht frei von gesetzgeberischen Wertungen mit Einfluss auf das Rücknahmeermessen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (vgl. zum insoweit identischen Beamtenversorgungsrecht etwa 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 29).

43Insoweit ist zunächst zu beachten, dass auch im Soldatenversorgungsrecht nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 1a SVG eine strikte Gesetzesbindung der Verwaltung gilt (siehe hierzu 2 C 30.06 - BVerwGE 131, 29 Rn. 25, vom - 2 C 25.09 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 Rn. 11 und vom - 2 C 18.10 - Buchholz 449.4 § 53 SVG Nr. 1 Rn. 21). Nach § 1a Abs. 3 SVG kann auf die gesetzlich zustehende Versorgung weder ganz noch teilweise verzichtet werden.

44Hinzu kommt die verfassungsrechtliche Verankerung des Versorgungsanspruchs. Durch die materiell-gesetzlichen Regelungen hat der Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum ausgeübt, der ihm verfassungsrechtlich durch den Alimentationsgrundsatz eröffnet ist. Der sich daraus ergebende Versorgungsanspruch genießt verfassungsrechtlichen Schutz, weil der Versorgungsberechtigte ihn in der aktiven Dienstzeit erdient hat ( 2 C 25.09 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 Rn. 22, vom - 2 C 48.11 - Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 21 Rn. 30 und vom - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 29; vgl. auch u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 91). Die Rechtsnatur des Versorgungsanspruchs spricht deshalb dafür, dass der Anspruch der Ruhestandssoldaten auf Festsetzung und Auszahlung des Ruhegehalts in gesetzlicher Höhe auch durch die Aufhebung entgegenstehender Bescheide ab einem gewissen Zeitpunkt verwirklicht wird (vgl. 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 29). Der materiellen Gerechtigkeit kommt in der Abwägung mit der Rechtssicherheit im Rahmen des § 48 VwVfG von daher besonderes Gewicht zu.

45In dieselbe Richtung weist der bereits oben erwähnte Umstand, dass es sich bei Ruhensbescheiden um feststellende Verwaltungsakte mit sich jeweils monatlich neu aktualisierender Wirkung handelt (s.o. Rn. 15).

46Zum Versorgungsfestsetzungsbescheid hat der Senat bereits entschieden, dass bei für nichtig erklärten Normen dem § 79 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVerfGG die gesetzliche Wertung entnommen werden kann, dass bestandskräftige Dauerverwaltungsakte ab dem Zeitpunkt der Nichtigerklärung für die Zukunft aufzuheben sind ( 2 C 48.11 - Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 21 Rn. 24 ff. und vom - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 20, 27 ff. sowie Beschluss vom - 2 B 5.13 - NVwZ 2013, 953 Rn. 11).

47Die Nichtigerklärung einer gesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht stellt die zeitliche Grenze für den Geltungsanspruch der auf der für nichtig erklärten Vorschrift beruhenden unanfechtbaren Entscheidung dar. Bis zur Nichtigerklärung der gesetzlichen Regelung gebührt der Rechtssicherheit der Vorrang. Für den Zeitraum danach setzt sich demgegenüber das Prinzip der materiellen Gerechtigkeit durch ( 2 C 48.11 - Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 21 Rn. 28 und vom - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 27; Beschluss vom - 2 B 5.13 - NVwZ 2013, 953 Rn. 11). Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend aus den Regelungen des § 79 Abs. 2 BVerfGG den allgemeinen Rechtsgedanken abgeleitet, dass einerseits zwar unanfechtbar gewordene fehlerhafte Akte der öffentlichen Gewalt nicht rückwirkend aufgehoben und die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangenen nachteiligen Wirkungen nicht beseitigt werden, andererseits jedoch zukünftige Folgen, die sich aus einer zwangsweisen Durchsetzung der verfassungswidrigen Entscheidung ergeben würden, abgewendet werden sollen ( 2 C 48.11 - Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 21 Rn. 28 mit Verweis u.a. auf - BVerfGE 115, 51 <63>).

48Dieser Rechtsgedanke ist auf Versorgungsfestsetzungsbescheide zu übertragen, die zwar nicht im engeren Sinne des § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vollstreckt werden, aber die Grundlage für monatlich im Voraus zu zahlende Versorgungsbezüge bilden. Ihre Bestandskraft wird nur für die Vergangenheit geschützt, sodass der Betroffene nicht unter Berufung auf die Nichtigerklärung einer gesetzlichen Regelung für die Vergangenheit höhere Leistungen beanspruchen kann. Demgegenüber gebührt für die Zukunft der materiellen Gerechtigkeit und nicht der Rechtssicherheit der Vorrang, sodass der Verwaltungsakt an die Rechtslage anzupassen ist. Andernfalls müsste Versorgungsfestsetzungsbescheiden zeitlich unbegrenzte Geltung beigemessen werden, obwohl ihre gesetzliche Grundlage wegen der Nichtigerklärung weggefallen ist (vgl. 2 C 48.11 - Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 21 Rn. 29 und vom - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 27 f.).

49Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob ein Ruhensbescheid ein Dauerverwaltungsakt im Sinne der Kategorien des allgemeinen Verwaltungsrechts ist. Die fachrechtlichen Besonderheiten des Soldatenversorgungsrechts veranlassen den Senat vielmehr dazu, ihn - wie erwähnt - als feststellenden Verwaltungsakt mit sich jeweils monatlich neu aktualisierender Wirkung zu bezeichnen (s.o. Rn. 15).

50Dessen ungeachtet können die vorstehend dargestellten Wertungen auf Ruhensbescheide übertragen werden. Hiernach sind rechtswidrige Ruhensbescheide nicht nur im Fall bundesverfassungsgerichtlicher Nichtigerklärungen, sondern darüber hinaus auch bei entsprechend eindeutigen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts in der Regel ab dem Beginn des Kalendermonats nach der Gerichtsentscheidung zurückzunehmen, aufgrund der eine Rechtsfrage als abschließend geklärt angesehen werden kann (vgl. zur Bedeutung der Rechtsprechung dieser beiden Gerichte bereits 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 31 ff., Beschluss vom - 2 B 90.11 - juris Rn. 15 f.; - juris Rn. 29, 38 f., 43). Wegen der unterschiedlichen Verfahrensregelungen, wie Entscheidungen der hier angesprochenen Gerichte (EuGH, BVerfG, BVerwG) den Verfahrensbeteiligten gegenüber bekanntgegeben oder Dritten (z.B. der Fachwelt) gegenüber veröffentlicht werden, hält es der Senat aus Gründen der Praktikabilität für sachgerecht, auf den Beginn des Kalendermonats nach dem Entscheidungsdatum abzustellen, unter dem der Richterspruch ergangen ist, der die in Rede stehende Rechtsfrage - eindeutig - geklärt hat.

51c) Nach diesen Maßstäben ist seit der Entscheidung des Senats zum Verfahren BVerwG 2 C 30.06 vom hinreichend geklärt, dass die Dynamisierung und die Verrentung der Kapitalbeträge zuvor ohne ausreichende gesetzliche Grundlage erfolgt war ( 2 C 30.06 - BVerwGE 131, 29 Rn. 24 ff.). Seit der Entscheidung des Senats zum Verfahren BVerwG 2 C 47.11 vom ist zudem geklärt, dass die nachträglich mit Rückwirkung ab dem erlassene Regelung für die Dynamisierung der Kapitalbeträge nach § 96 Abs. 5 Satz 5 SVG 2009 oder § 55b Abs. 4 Satz 3 SVG 2009 i.V.m. § 55a Abs. 1 Satz 8 SVG 2009 aufgrund ihres Wortlauts nur Kapitalbeträge von Soldaten erfasst, die ab dem in den Ruhestand getreten sind ( 2 C 47.11 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8 Rn. 12). Soweit der mit den Ruhensbescheiden festgestellte Ruhensbetrag auf einer Dynamisierung des Kapitalbetrags beruht, ist das Rücknahmeermessen der Beklagten für den Zeitraum ab der Entscheidung vom hin zu einem Rücknahmeanspruch verdichtet. Hinsichtlich beider Rechtsfragen greift diese Ermessensreduzierung ab dem Folgemonat des Datums der jeweiligen Gerichtsentscheidung.

52Soweit Ruhensbescheide auf einer geschlechtsspezifischen Verrentung der Kapitalbeträge beruhen, ist seit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Verfahren C-318/13 vom hinreichend geklärt, dass die statistisch unterschiedlich lange Lebenserwartung von Männern und Frauen unionsrechtlich grundsätzlich keine Ungleichbehandlung rechtfertigt (vgl. - VersR 2015, 349 Rn. 25 ff.; Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom - C-318/13 - juris Rn. 50 ff.; vgl. nunmehr auch 2 C 19.19 - Rn. 18 ff. <zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen>). Seit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Verfahren C-171/18 vom ist zudem - eindeutig - geklärt, dass dies bis zu einer Herstellung der Gleichheit zur Anwendung des für Soldatinnen geltenden Vervielfältigers für Frauen führt (sog. Angleichung "nach oben", vgl. , Safeway - NZA 2020, 33 Rn. 33 ff.; 2 C 19.19 - Rn. 31 ff.). Hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Verrentung ist das Datum der letztgenannten Entscheidung des Gerichtshofs vom maßgeblich für die Ermessensreduzierung (mit Wirkung ab dem Folgemonat).

53Für den Zeitraum vor diesen Entscheidungen ist das Ermessen der Beklagten jeweils nicht im obigen Sinne reduziert. Es ist insofern auch mit Hinblick auf das Fachrecht nicht "schlechthin unerträglich", wenn für diesen Zeitraum an der Bestandskraft der Ruhensbescheide im oben dargestellten Umfang festgehalten wird. Dies gilt auch, soweit der Ruhensbescheid wegen des Verstoßes gegen den nach Art. 157 AEUV gewährleisteten Grundsatz der Entgeltgleichheit teilweise unionsrechtswidrig war. Auch das Unionsrecht kennt den Grundsatz der Rechtssicherheit und verlangt grundsätzlich nicht, dass eine Verwaltungsbehörde verpflichtet ist, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig geworden ist (vgl. , Kühne & Heitz - Slg. 2004, I-837 Rn. 24 und vom - C-392/04, i-21 Germany GmbH - und - C-422/04, Arcor AG & Co. KG - Slg. 2006, I-8559 Rn. 51; 6 C 32.06 - NVwZ 2007, 709 Rn. 16 und Beschluss vom - 3 B 89.12 - juris Rn. 8). Für eine Ausnahme von diesem Grundsatz (vgl. hierzu , Kühne & Heitz - Slg. 2004, I-837 Rn. 28 und vom - C-392/04, i-21 Germany GmbH - sowie - C-422/04, Arcor AG & Co. KG - Slg. 2006, I-8559 Rn. 52; 3 B 89.12 - juris Rn. 9), die eine weitergehende Verpflichtung zur Aufhebung zur Folge haben könnte, ist vorliegend nichts ersichtlich.

546. Dass das Berufungsgericht es abgelehnt hat, die Beklagte zugleich zur Zahlung zu verpflichten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und auch die in der Revisionsinstanz abgewandelt gestellten Anträge bleiben ohne Erfolg. Der Kläger hat lediglich einen Bescheidungsantrag gestellt und die Beklagte wird im Nachgang zu dem Gerichtsverfahren bei der Neubescheidung zumindest teilweise nach Ermessen darüber entscheiden müssen, ob und inwieweit sie den Ruhensbescheid aufhebt.

55Der von dem Kläger in diesem Zusammenhang behauptete Verstoß gegen § 291 Satz 1 BGB liegt nicht vor, weil Prozesszinsen noch gar nicht anfallen. Hierfür wäre es erforderlich, dass die Geldschuld in der Weise konkretisiert ist, dass ihr Umfang bestimmt ist oder rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden kann. Es darf keine weitere Rechtsanwendung erforderlich sein, um den Geldbetrag zu beziffern ( 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 47 m.w.N.). Dies ist in dem vorliegenden Verfahren jedoch der Fall.

567. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dem Kläger ist ein Teil der Kosten aufzuerlegen, weil er teilweise unterlegen ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn ein Kläger zwar nur einen Bescheidungsantrag gestellt hat, das Gericht jedoch in seinem Bescheidungsurteil mit seiner Rechtsauffassung auf eine geringere Bindung der Beklagten für dessen erneute Entscheidung erkennt, als der Kläger sie mit seiner Klage angestrebt hat ( 7 C 2.09 - BVerwGE 135, 34 Rn. 67 und vom - 2 C 27.14 - Buchholz 232.0 § 21 BBG 2009 Nr. 2 Rn. 42). Angemessen ist in Anbetracht der vom Kläger im Ergebnis begehrten Beschränkung der Summe der Ruhensbeträge auf den Kapitalbetrag, dass beide Beteiligten die Kosten des Verfahrens nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO je zur Hälfte tragen.

57Das Berufungsgericht hat die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO) bereits durch Beschluss bejaht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:071020U2C5.20.0

Fundstelle(n):
KAAAH-71848