BGH Beschluss v. - 5 StR 610/19

Ausschluss der Bildung einer Gesamtstrafe aus einer Jugendstrafe und einer Freiheitsstrafe nach Erwachsenenstrafrecht: Ausgleich eines daraus für den Angeklagten resultierenden Nachteils

Gesetze: § 46 StGB, § 55 StGB, § 26 JGG, § 32 JGG

Instanzenzug: LG Zwickau Az: 460 Js 5228/17 - 2 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, von denen es drei Monate wegen Verstoßes gegen das Gebot zügiger Verfahrensführung für vollstreckt erklärt hat. Ihre hiergegen gerichtete Revision führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen ist sie unbegründet.

21. Der Schuldspruch wird von den Feststellungen getragen. Namentlich weist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hin, dass den Urteilsgründen eine jederzeit zu realisierende Herrschaftsmöglichkeit der das Auto lenkenden Angeklagten über das in ihrer Handtasche befindliche Elektroschockgerät entnommen werden kann. Dass sich ihr auf dem Beifahrersitz sitzender Mittäter bei der Einfuhr diese Handtasche „umgehängt“ hatte, steht dem nicht entgegen (vgl. , BGHSt 43, 8, 14; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 30a Rn. 144, 146, 149; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 30a Rn. 108, jeweils mwN). Hierdurch standen dem Zugriff der Angeklagten keine größeren Hindernisse entgegen als etwa bei einer Lagerung einer Waffe im Handschuhfach (vgl. , NJW 2002, 3116, 3117 mwN) oder in einer Sporttasche auf der Rückbank eines Autos (vgl. , NStZ-RR 2013, 320). Mit dem Generalbundesanwalt schließt der Senat aus, dass sich der von der Waffe nicht wissende Mittäter einem Griff der Angeklagten nach ihrer Handtasche und des darin befindlichen Elektroschockgeräts widersetzt hätte.

32. Hingegen kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat zwar richtigerweise davon abgesehen, mit der gegen die Angeklagte im Jahr 2018 verhängten Jugendstrafe eine Gesamtstrafe zu bilden, weil eine Gesamtstrafenbildung mit der nach allgemeinem Strafrecht zugemessenen Freiheitsstrafe nicht vorgenommen werden darf. Jedoch hat es nicht erkennbar bedacht, dass ein daraus für die Angeklagte resultierender Nachteil bei der nach Erwachsenenstrafrecht festzusetzenden Strafe auszugleichen ist (st. Rspr., vgl. etwa , BGHSt 36, 270, 276; Beschluss vom – 2 StR 583/06, NStZ-RR 2007, 168, 169; , StraFo 2012, 156; Schäfer/Sander/van Gemmeren, 6. Aufl., Rn. 1232). Angesichts der durch das Landgericht ausgeurteilten unbedingten Strafe und des deswegen zu erwartenden Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich der genannten Jugendstrafe ist ein solcher hier gegeben (vgl. , NStZ-RR 1998, 151, 152).

4Die zugehörigen Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können bestehen bleiben, weil lediglich ein Wertungsfehler gegeben ist. Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.

53. Die Aufhebung des Urteils im Strafausspruch lässt die angeordnete Kompensation für den eingetretenen Verstoß gegen das Gebot zügiger Verfahrensführung unberührt (st. Rspr., vgl. etwa , BGHSt 54, 135, 137 f.).

64. Für die neue Verhandlung ist auf Folgendes hinzuweisen:

7Das nunmehr entscheidende Tatgericht wird dem Aspekt der bei der Angeklagten eingetretenen Stabilisierung der Lebensverhältnisse höheres Gewicht beimessen müssen, als dies im angefochtenen Urteil geschehen ist (hierzu eingehend Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 688, 864 ff. mit zahlreichen Nachweisen). Die in vollem Umfang geständige Angeklagte hat sich ausweislich der Feststellungen nach der am begangenen Tat aus dem Drogenmilieu gelöst und konsumiert keine Betäubungsmittel mehr. Sie ist seither nicht mehr straffällig geworden und kümmert sich als Alleinerzieherin um ihren am geborenen Sohn. Aufgrund des zuletzt angeführten Umstandes ist sie ferner in besonderem Maße haftempfindlich.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:111219B5STR610.19.0

Fundstelle(n):
VAAAH-60746