BGH Beschluss v. - 2 StR 321/19

Besitz und Verbreiten bzw. öffentliches Zugänglichmachen kinderpornographischer Schriften: Konkurrenzverhältnis

Gesetze: § 52 StGB, § 53 StGB, § 184b Abs 1 Nr 1 Alt 1 StGB, § 184b Abs 1 Nr 1 Alt 2 StGB, § 184b Abs 3 Alt 2 StGB

Instanzenzug: LG Limburg Az: 3 Js 7309/18 - 1 KLs Urteil

Gründe

A.

1Das Landgericht hat den Angeklagten M.   wegen bandenmäßiger öffentlicher Zugänglichmachung kinderpornografischer Schriften in zehn Fällen (Fälle II.1 bis II.4, II.21 bis II.26 der Urteilsgründe), Anstiftung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit Besitzverschaffung kinderpornografischer Schriften in drei Fällen (Fälle II.105, II.107 und II.108 der Urteilsgründe), Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften (Fall II.104 der Urteilsgründe), Herstellung kinderpornografischer Schriften in Tateinheit mit Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften (Fall II.106 der Urteilsgründe) sowie des Besitzes kinderpornografischer Schriften (Fall II.121 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.

2Den Angeklagten P.   hat es wegen bandenmäßiger öffentlicher Zugänglichmachung kinderpornografischer Schriften in 80 Fällen (Fälle II.1, II.7 bis II.17, II.21 und II.33 bis II.99 der Urteilsgründe), bandenmäßiger Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften in sieben Fällen (Fälle II.18 bis II.20 und II.100 bis II.103 der Urteilsgründe) sowie des Besitzes kinderpornografischer Schriften (Fall II.124 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.

3Den Angeklagten G.   hat es wegen bandenmäßiger öffentlicher Zugänglichmachung kinderpornografischer Schriften in vier Fällen (Fälle II.1, II.5, II.6 und II.21 der Urteilsgründe), Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften in drei Fällen (Fälle II.109 bis II.111 der Urteilsgründe), schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Herstellung kinderpornografischer Schriften in Tateinheit mit Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften in sieben Fällen (Fälle II.112 bis II.115 und II.117 bis II.119 der Urteilsgründe), Herstellung kinderpornografischer Schriften (Fall II.116 der Urteilsgründe), Anstiftung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit Besitzverschaffung kinderpornografischer Schriften (Fall II.120 der Urteilsgründe) sowie des Besitzes kinderpornografischer Schriften (Fall II.123 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und neun Monaten verurteilt, seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen.

4Den Nichtrevidenten Mä.   hat es wegen bandenmäßiger öffentlicher Zugänglichmachung kinderpornografischer Schriften in acht Fällen sowie Besitzes kinderpornografischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.

5Die von den Angeklagten M.   und G.   auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts und vom Angeklagten P.   allein die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen sind die Rechtsmittel offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

B.

6Die Revisionen sind zulässig. Dem Angeklagten G.   war aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

C.

I.

7Das Landgericht hat - soweit hier von Belang − folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

8Die Angeklagten waren bereits seit mehreren Jahren Mitglieder einer pädophilen Szene im Internet. Sie betrieben gemeinsam mit gleichgesinnten Mittätern, mit denen sie sich zusammengeschlossen hatten, im Darknet von Sommer 2015 bis November 2016 - sukzessive in leitender Funktion - die Plattform „         “ (T.  ) zum Austausch aktueller Bilder und Videos, die den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen zum Gegenstand hatten. Der Austausch des kinder- und jugendpornografischen Materials erfolgte über so genannte Foren- und Chaträume. Die Plattform wurde im Dezember 2016 von den australischen Behörden abgeschaltet. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt weltweit 67.160 Mitglieder (Fall II.1 der Urteilsgründe).

9Über diese Tätigkeit hinaus posteten die Angeklagten in den zur T.  gehörenden Foren- bzw. Chaträumen in offenen bzw. geschlossenen Benutzerkreisen selbst Links auf kinderpornografisches Bild- und Videomaterial, dass sie auf zwei „FileHostern“ der T.  hinterlegt hatten. Der Angeklagte M.   stellte zwischen Juli und Oktober 2016 drei solcher Links (Fälle II.2 bis II.4 der Urteilsgründe), der Angeklagte G.   im April und Mai 2016 zwei solcher Links (Fälle II.5 und II.6 der Urteilsgründe) und der Angeklagte P.   zwischen Februar und November 2016 14 solcher Links (Fälle II.7 bis II.20 der Urteilsgründe) zu kinderpornografischen Dateien ein.

10Nach der Abschaltung von T.  riefen die Angeklagten P.   und M.     „E.   “ als Forum zum weltweiten Austausch kinderpornografischen Materials im Darknet ins Leben, wobei sie alsbald von dem Angeklagten G.   sowie weiteren Mittätern, mit denen sie sich wiederum zusammengeschlossen hatten und zu denen auch wieder der Nichtrevident Mä.   zählte, maßgeblich unterstützt wurden. Die Gruppierung betrieb die Plattform ab Dezember 2016, wobei sie, anders als bei T.  , auf eine Verifizierungspflicht mittels des Postens kinderpornografischen Materials verzichteten. Als die Plattform im Juni 2017 durch die deutschen Behörden abgeschaltet wurde, waren weltweit 111.907 Nutzer registriert. Der Austausch erfolgte wie zuvor mittels geposteter Links in offenen bzw. geschlossenen Benutzergruppen zu Dateien kinderpornografischen Inhalts (Fall II.21 der Urteilsgründe).

11Neben ihrer Tätigkeit zur Aufrechterhaltung des Betriebs von „E.   “ posteten der Angeklagte M.   in vier Fällen solche Links auf kinderpornografische Dateien (Fälle II.22 bis II.26 der Urteilsgründe), P.   in 71 Fällen (Fälle II.33 bis II.103 der Urteilsgründe).

12In einem Chat mit dem Zeugen K.   erfuhr G.  , dass dieser alleine mit seinen damals vier und sechs Jahren alten Kindern lebte, die er sexuell missbrauchte. G.   sah die Möglichkeit, anlässlich eines Treffens mit K.   dessen Kinder kennenzulernen und diese nach Möglichkeit selbst zu missbrauchen. Hiervon beabsichtigte er Bild- und Videomaterial zu erstellen, das er anschließend an seine pädophilen Kontakte weiterreichen wollte. Im Zeitraum vom bis zum besuchte G.   den K.   und dessen Kinder in W.  . Zwischen dem Morgen des und dem späten Abend des kam es zu insgesamt sieben schweren sexuellen Missbrauchshandlungen zum Nachteil der beiden Kinder durch G.   im Zusammenwirken mit K.  , die jeweils in Bild- bzw. Videodateien festgehalten wurden (Taten II.112 bis II.115 und II.117 bis II.119 der Urteilsgründe). Ferner erstellten G.   und K.   von dessen sechsjähriger Tochter am eine weitere Bilderserie mit kinderpornografischem Inhalt (Tat II.116 der Urteilsgründe). Im Anschluss an seinen Besuch in W.   übersandte G.  , wie von ihm von Anfang an beabsichtigt, die in W.  erstellten Bilddateien an verschiedene seiner Kontaktpersonen, unter anderem am an den gesondert verfolgten Fa.   und im weiteren Verlauf auch an die Zeugen Eg.   und   Mi.   .

13Im Rahmen der Ermittlungen wurden die Wohnung und die Geschäftsräumlichkeiten der Angeklagten durchsucht. Dabei wurden bei M.   mindestens 2.007 Bild- bzw. Videodateien mit kinder- oder jugendpornografischem Inhalt gefunden (Tat II.121 der Urteilsgründe), bei G.   mindestens 15.283 solcher Bild- bzw. Videodateien, 10 Fotografien, 268 Kopien von Fotografien und eine VHS-Kassette (Fall II.123 der Urteilsgründe) und bei P.   mindestens 3.615 solcher Bild- bzw. Videodateien und sieben Kopien von Fotografien (Fall II.124 der Urteilsgründe).

II.

14Die Revisionen der Angeklagten sind teilweise begründet.

151. Die Verfahrensrügen der Angeklagten M.   und G.  versagen aus den in den Zuschriften des Generalbundesanwalts dargestellten Gründen.

162. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils führt hinsichtlich aller Angeklagten zum Entfallen der tatmehrheitlichen Verurteilung wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften (Fälle II.121, II.123 und II.124 der Urteilsgründe), bei dem Angeklagten G.   darüber hinaus zum Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften in den Fällen II.112 bis II.115 und II.117 bis II.119 der Urteilsgründe, zum Entfall der Aussprüche zu den Einzelstrafen in diesen Fällen und der Gesamtstrafe sowie der Anordnung der Maßregel. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

17a) Die Schuldsprüche bedürfen der Abänderung, weil die vom Landgericht vorgenommene konkurrenzrechtliche Einordnung teilweise Rechtsfehler zum Nachteil der drei Angeklagten aufweist.

18aa) Die Verurteilung der drei Angeklagten wegen tatmehrheitlichen Besitzes kinderpornografischen Schriften (Fälle II.121, II.123 und II.124 der Urteilsgründe) wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen. Danach ist nicht ausgeschlossen, vielmehr sogar naheliegend, dass die drei Angeklagten zu dem Zeitpunkt, als sie kinderpornografisches Material im Sinne des § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB verbreiteten bzw. öffentlich zugänglich machten, bereits über einen Großteil der kinder- und jugendpornografischen Schriften verfügten, die - zeitlich nachgelagert - anlässlich der Durchsuchungen bei ihnen aufgefunden wurden. Der zeitgleiche Besitz von verbreiteten bzw. öffentlich zugänglich gemachten sowie darüberhinausgehenden kinderpornografischer Schriften verknüpft indes den unerlaubten Besitz kinderpornografische Schriften mit jeder Verbreitungshandlung zu einer einheitlichen Tat (vgl. , juris Rn. 15, BGHR StGB § 184b Konkurrenzen 2). Insoweit gilt:

19(1) Zwar verdrängen die Tathandlungsvarianten des Verbreitens bzw. des öffentlichen Zugänglichmachens kinderpornografischer Schriften nach § 184b Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. bzw. 2. Alt. StGB grundsätzlich diejenige des unerlaubten Besitzes solcher Schriften gemäß § 184b Abs. 3, 2. Alt. StGB als subsidiären Auffangtatbestand (, NStZ 2009, 208). Dies betrifft jedoch ausschließlich den Zeitraum der Zugänglichmachung, nicht jedoch die Zeit danach (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 180/18, juris Rn. 15, BGHR StGB § 184b Konkurrenzen 2; vom - 3 StR 86/19, NStZ-RR 2019, 210), und nur die zugänglich gemachten Dateien. Geht der Besitz kinderpornografischen Schriften in zeitlicher oder quantitativer Hinsicht über den für das Verbreiten bzw. öffentliche Zugänglichmachen erforderlichen Besitz derartiger Schriften hinaus, tritt das Dauerdelikt des verbotenen Besitzes kinderpornografischer Schriften tateinheitlich neben das jeweilige Verbreitungsdelikt (vgl. BeckOK StGB/Ziegler, 44. Ed., § 184b Rn. 24a). Dabei liegt dem verbotenen Besitz mehrerer kinderpornografischer Schriften ein einheitlicher Verstoß gegen § 184b Abs. 3, 2. Alt. StGB zu Grunde (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 198/19, vgl. auch zum Betäubungsmittelrecht Weber, 5. Aufl., § 29 Rn. 1388 mwN; vgl. zum gleichzeitigen Besitz mehrere Waffen , NStZ 2010, 456). Bei gleichzeitigem Besitz von verbreiteten bzw. öffentlich zugänglich gemachten kinderpornografischen Schriften und weiterem, darüberhinausgehend gespeicherten verbotenem Material bleibt danach kein Raum für eine tatmehrheitliche Verurteilung (vgl. , juris Rn. 15, BGHR StGB § 184b Konkurrenzen 2).

20(2) Nach diesen Maßstäben hat die tatmehrheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes kinderpornografischer Schriften in den Fällen II.121, II. 123 und II.124 der Urteilsgründe keinen Bestand.

21Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs.1 StPO geändert. Angesichts der Vielzahl der aufgefundenen kinderpornografischen Schriften ist nicht zu erwarten, dass die für eine tatmehrheitliche Verurteilung erforderlichen weitergehenden Feststellungen in einer neuen Hauptverhandlung möglich sind. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil die Angeklagten durch die Änderung des Schuldspruchs nicht beschwert sind.

22(3) Die Aufhebung war nicht auf den Nichtrevidenten Mä.    zu erstrecken (§ 357 StPO), da dieser nicht wegen der nämlichen Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO (vgl. KK-StPO/Gericke, 8. Aufl. § 357 Rn. 8), sondern wegen eigenständiger Verbreitungshandlungen im Sinne des § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt worden ist. Die bloße Gleichartigkeit mehrerer, im selben Urteil abgeurteilter Taten unterschiedlicher Täter genügt jedoch nicht, um eine Rechtswirkung im Sinne der grundsätzlich zurückhaltend anzuwendenden Vorschrift des § 357 StPO (vgl. LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 357 Rn. 18 f.) herbeizuführen, da das Verbreiten kinderpornografischen Materials nicht nur materiell-rechtlich, sondern auch prozessual eine selbständige Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO darstellt (vgl. auch , juris Rn. 10 mwN).

23bb) Die Urteilsfeststellungen belegen auch nicht die Verurteilung des Angeklagten G.   wegen tateinheitlicher Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB in den Fällen II.112 bis II.115 und II.117 bis II.119 der Urteilsgründe. Zwar tragen die Feststellungen angesichts der deutschen Staatsangehörigkeit des Angeklagten in allen Fällen den Schuldspruch wegen schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit Herstellung kinderpornografischer Schriften (§§ 176, 176a Abs. 3 idF vom , 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB). Hingegen hat der weitergehende Schuldspruch wegen tateinheitlicher Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften (§ 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB) keinen Bestand. Die Feststellung der Strafkammer, der Angeklagte G.   habe „im Anschluss an seinen Besuch in W.   [...] − wie von Anfang an beabsichtigt - die in W.   erstellten Bilddateien an verschiedene seiner Kontaktpersonen, unter anderem am an den gesondert verfolgten Fa.  [...] und im weiteren Verlauf auch an die Zeugen Eg.   [...] und   Mi.   “ übersandt, rechtfertigt hier unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die von ihr vorgenommene und nicht näher begründete Annahme einer tateinheitlichen Verurteilung mit den in W.   zwischen dem 17. und begangenen schweren sexuellen Missbrauchstaten bzw. der tateinheitlichen Herstellung kinderpornografischer Schriften.

24(1) Eine teilweise Identität der objektiven Ausführungshandlungen, die zur Annahme von Tateinheit führt (vgl. − GSSt 4/17, BGHSt 63, 1, 4 f. mwN; LK-StGB/Rissing-van Saan, 13. Aufl., § 52 Rn. 21 mwN) ist nicht gegeben. Die bildlich festgehaltenen Missbrauchstaten beging der Angeklagten ab dem . Die letzten beiden Taten endeten am späten Abend des . Das der Herstellungsprozess, jenseits der eigentlichen Aufnahme, weitere Zeit in Anspruch genommen hätte, ist nicht festgestellt. Das Unternehmen der Drittbesitzverschaffung begann hingegen mit der Einleitung der Übermittlung dieser kinderpornografischen Schriften an die Kontakte des G.   nach dessen Rückkehr aus W.   am . Eine teilweise Identität der objektiven Ausführungshandlungen ist damit nicht belegt.

25(2) Die unterschiedlichen Tathandlungen können auch nicht als tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinn (vgl. zum Begriff LK-StGB/Rissing-van Saan, aaO, Vor § 52 Rn. 23) angesehen werden.

26(a) Die Rechtsprechung nimmt eine tatbestandliche Handlungseinheit bei Delikten mit überschießender Innentendenz an, wenn der weitere Handlungsakt, der nach dem Tatbestand an sich nur beabsichtigt sein muss, verwirklicht wird und dadurch der Straftatbestand desselben Strafgesetzes noch einmal erfüllt wird (vgl. zur Geldfälschung Senat, Urteil vom - 2 StR 67/19, juris Rn. 8, NStZ-RR 2019, 275, 276 mwN; zum Gebrauchen von gefälschten Zahlungskarten Senat, Beschluss vom - 2 StR 342/13, juris Rn. 3 mwN; zur Urkundenfälschung − 5 StR 85/18, NStZ 2018, 468 mwN). Sofern der Täter hingegen durch die Verwirklichung der tatbestandsmäßig vorausgesetzten Absicht ein weiteres Strafgesetz verletzt, hat die Rechtsprechung, soweit erkennbar, die Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit nur in Fällen zugelassen, in denen die Umsetzungstat vor der Beendigung des vorausgegangenen Delikts vorgenommen wurde (vgl. , BGHSt 26, 24, 27; Beschluss vom - 3 StR 90/84, juris Rn. 4, NStZ 1984, 408; Senat, Beschluss vom - 2 StR 490/87, juris Rn. 2; , juris Rn. 4; Beschluss vom - 4 StR 419/88, juris Rn. 3).

27Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann § 176a Abs. 3 StGB zwar tateinheitlich mit § 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB begangen werden (vgl. , juris Rn. 4, BGHR StGB § 176a Abs. 3 Konkurrenzen 1). Die Annahme von Tateinheit setzt jedoch eine Überschneidung mit solchen Handlungen voraus, die zum Zwecke der Absichtsrealisierung vorgenommen werden (; vgl. auch LK-StGB/Rissing-van Saan, aaO, § 52 Rn. 22).

28(b) Hieran gemessen ist eine tatbestandliche Handlungseinheit nicht gegeben. Der Angeklagte G.   versandte die in der Zeit vom 17. bis erstellten kinderpornografischen Schriften erst nachdem er aus W.   nach Deutschland zurückgekehrt war und zwei Tage nach Beendigung der letzten Missbrauchstat (vgl. zur Anknüpfung an die Tatbeendigung LK-StGB/Rissing-van Saan, aaO, § 52 Rn. 22). Die subjektive Komponente des § 176a Abs. 3 StGB hat allein nicht die Kraft, die sexuellen Missbrauchstaten und das Herstellen der kinderpornografischen Schriften mit deren - räumlich und zeitlich versetzten − Versenden zu verknüpfen (vgl. − 5 StR 304/19).

29(3) Der fortdauernde Besitz der in W.  erstellten kinderpornografischen Schriften vermag die getrennt verwirklichten Delikte des schweren sexuellen Missbrauchs in Tateinheit mit Herstellens kinderpornografischer Schriften und das Unternehmen der Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften auch nicht zu einer einheitlichen Tat zu verklammern. Dies hindern die unterschiedlichen Strafrahmen zwischen dem Herstellen kinderpornografischer Schriften (§ 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB) bzw. der Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften (§ 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB) einerseits und dem verbotenen Eigenbesitz kinderpornografischer Schriften (§ 184b Abs. 3 StGB) andererseits. Der Bundesgerichtshof hat dies bereits für das Verhältnis der Tatbestandsalternative des vorangehenden Sichverschaffens und des anschließenden Drittverschaffens ausdrücklich entschieden (, NStZ 2009, 208). Für das vorangehende Herstellen und das anschließende Drittverschaffen kinderpornografischer Schriften kann nichts Anderes gelten (vgl. MK-StGB/Hörnle, 3. Aufl., § 184b Rn. 55; ebenso für das Betäubungsmittelrecht Weber, BtMG, aaO, § 29 Rn. 154 mwN), denn auch das eigenhändige Anfertigen einer Aufnahme zum Eigengebrauch erfüllt den Tatbestand des Sichverschaffens (vgl. , NStZ 2018, 90 f.).

30(4) Der tatsächliche Ablauf rechtfertigt auch nicht die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit.

31(a) Unter diesem Gesichtspunkt liegt eine Tat im materiell-rechtlichen Sinne vor, wenn mehrere, im Wesentlichen gleichartige Handlungen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs so miteinander verbunden sind, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches Geschehen darstellt (st. Rspr.; vgl. etwa , juris Rn. 12 mwN; LK-StGB/Rissing-van Saan, aaO, Vor § 52 Rn. 10). Dementsprechend können die Delikte des Besitzverschaffens kinderpornografischen Schriften und der Verbrechenstatbestand des § 176a Abs. 3 StGB ideal konkurrieren (vgl. Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 176a Rn. 16; MK-StGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 176a Rn. 45; LK-StGB/Hörnle, 12. Aufl., § 176a Rn. 96).

32(b) Hieran gemessen besteht zwischen den Missbrauchstaten des Angeklagten G.    und dem Herstellen der kinderpornografischen Schriften in W.   einerseits und dem Versenden der kinderpornografischen Schriften in Deutschland keine natürliche Handlungseinheit. Zwar war das Handeln des Angeklagten G.   durchgängig vom Willen getragen, die im Zuge der Missbrauchshandlungen erstellten kinderpornografischen Schriften nach der Rückkehr in Deutschland seinen Kontaktpersonen zur Verfügung zu stellen. Jedoch fehlt es an dem erforderlichen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang. Der Angeklagte beging zwischen dem Morgen des 17. August und dem Abend des insgesamt sieben, zeitlich voneinander getrennte schwere sexuelle Missbrauchstaten zum Nachteil der betroffenen Kinder in W.  , von denen jeweils Bild- bzw. Videodateien erstellt wurden. Die Übersendung erfolgte erst am , mithin fünf Tage nach der ersten und immerhin zwei Tage nach den letzten beiden Taten. Zwischen der letzten Tat und dem Übersenden lag zudem die Rückreise des Angeklagten von W.  nach Deutschland. Angesichts dieser Umstände ist der erforderliche enge räumliche und zeitliche Zusammenhang nicht mehr gewahrt.

33(5) Der Rechtsfehler führt zum Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung in den Fällen II.112 bis II.115 und II.117 bis II.119 der Urteilsgründe wegen tateinheitlicher Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften. Die unterbliebene Verurteilung wegen tatmehrheitlicher Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften beschwert den Angeklagten G.   nicht und zwingt den Senat nicht zur Aufhebung der im übrigen rechtsfehlerfreien Verurteilung in diesen Fällen (vgl. , BGHSt 10, 358, 362; vom - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 8 ff.; Beschluss vom - 4 StR 40/97, juris Rn. 12; LR-StPO/Franke, aaO, § 354 Rn. 23). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ab. Dabei hat er auch berücksichtigt, dass die tateinheitliche Verwirklichung der Qualifikation des § 176a Abs. 2 StGB neben dem Missbrauch in Verbreitungsabsicht nach § 176a Abs. 3 StGB im Schuldspruch zum Ausdruck gebracht werden muss (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 191/15, juris Rn. 1, NStZ-RR 2016, 109). § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil der Angeklagte G.   durch den Entfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Schriften nicht beschwert ist und er sich im Übrigen gegen die weitergehende Klarstellung des Schuldspruchs nicht anders als Geschehen hätte verteidigen können.

34b) Die aufgezeigten Rechtsfehler stellen den Ausspruch über die Gesamtstrafen bei den Angeklagten M.   und P.   nicht in Frage. Sie führen hingegen bei dem Angeklagten G.   zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II.112 bis II.115 und II.117 bis II.119 sowie der Gesamtstrafe.

35aa) Der Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen II.121 und II.124 lässt die Strafaussprüche für die Angeklagten M.   und P.   unberührt.

36(1) Die gegen den Angeklagten M.   ausgesprochene Gesamtstrafe von acht Jahren kann trotz des Wegfalls der Einzelstrafe von 10 Monaten im Fall II.121 der Urteilsgründe bestehen bleiben. Angesichts der verbleibenden Einzelstrafen von vier Jahren neun Monaten, dreimal drei Jahren zehn Monaten, zwei Jahren sechs Monaten, zweimal ein Jahr drei Monaten, fünfmal ein Jahr, neun Monaten und sechs Monaten sowie mit Blick auf den insgesamt unveränderten Unrechts- und Schuldgehalt des Gesamtgeschehens kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht unter diesen Umständen eine niedrigere Gesamtstrafe verhängt hätte.

37(2) Auch die gegen den Angeklagten P.   verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten hat Bestand. Der Senat kann auch hier trotz des Wegfalls der Einzelstrafe von acht Monaten im Fall II.124 der Urteilsgründe angesichts der verbleibenden Einzelstrafen von fünf Jahren, drei Jahren neun Monaten, 18 mal ein Jahr drei Monate und 67 mal ein Jahr mit Blick auf den insgesamt auch hier unveränderten Unrechts- und Schuldgehalt des Gesamtgeschehens ausschließen, dass die Strafkammer auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.

38bb) Hingegen hat der Strafausspruch bei dem Angeklagten G.   angesichts der Schuldspruchänderung nur teilweise Bestand. Die Strafkammer hat bei der Bemessung der Einzelstrafen in den Fällen II.112 bis II.115 und II.117 bis II.119 der Urteilsgründe jeweils zu Lasten des Angeklagten G.   berücksichtigt, dass er „tateinheitlich drei Tatbestände [...] verwirklicht hat“. Daher kann der Senat nicht ausschließen, dass sich der aufgezeigte Rechtsfehler bei der Strafbemessung zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt hat. Dies bedingt die Aufhebung der Einzelstrafen in den genannten Fällen. Der Wegfall der sieben Einzelstrafen sowie der weiteren Einzelstrafe im Fall II.123 der Urteilsgründe bedingt die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.

39c) Der Entfall der Einzelstrafen in den Fällen II.112 bis II.115 und II.117 bis II.119 der Urteilsgründe entzieht der im Übrigen rechtsfehlerfrei angeordneten Unterbringung des Angeklagten G.   in der Sicherungsverwahrung vorläufig deren formelle Voraussetzung. Die von der Strafkammer zutreffend zu Anwendung gebrachte Vorschrift des § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB setzt für die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in der hier gegebenen Konstellation unter anderem voraus, dass der Täter wegen mindestens zwei Sexualstraftaten, durch die er jeweils Freiheitsstrafen von mindestens zwei Jahren verwirkt hat, und wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt ist. Zwar ist der Angeklagte nach der Schuldspruchänderung durch den Senat wegen insgesamt acht Sexualstraftaten verurteilt. Jedoch verbleibt es nach der Teilaufhebung der Strafaussprüche in den Fällen II.112 bis II.115 und II.117 bis II.119 der Urteilsgründe vorläufig bei einem einzigen Strafausspruch im Fall II.120 der Urteilsgründe von drei Jahren und acht Monaten.

403. Die Feststellungen bleiben von dem die konkurrenzrechtliche Bewertung betreffenden Rechtsfehler unberührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, wenn und soweit sie den bisherigen nicht widersprechen. Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, genauer als bisher bei der Zumessung der Einzelstrafen in den Fällen II.112 bis II.115 und II.117 bis II.119 der Urteilsgründe in den Blick zu nehmen, in welchen Fällen der Angeklagte G.   neben der Qualifikation des § 176a Abs. 2 Nr. 2 StGB auch die Qualifikation des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht hat. Er wird zudem neuerlich über die Frage der Unterbringung des Angeklagten G.   in der Sicherungsverwahrung zu entscheiden haben.

414. Der geringfügige Teilerfolg der Revisionen der Angeklagten M.   und P.   lässt es nicht unbillig erscheinen, sie mit den gesamten Kosten ihres Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:150120B2STR321.19.0

Fundstelle(n):
VAAAH-52847