BFH Beschluss v. - VIII E 1/19

Kein Ansatz von 10 % des Auffangstreitwerts als Streitwert in einem AdV-Verfahren wegen Aufhebung einer Prüfungsanordnung vor dem BFH

Leitsatz

NV: Ist eine Außenprüfung bis zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung noch nicht durchgeführt worden, sind die zu erwartenden Mehrsteuern im Einzelfall zu schätzen; ist eine solche Schätzung nicht möglich, ist der in § 52 Abs. 2 GKG genannte Auffangstreitwert anzusetzen. Dieser fiktive Wert ist —ohne Kürzung auf 10 %— auch für ein Verfahren wegen AdV der Anordnung der Außenprüfung maßgebend.

Gesetze: GKG § 52 Abs. 2; GKG § 53 Abs. 2 Nr. 3

Tatbestand

I.

1 Der Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Erinnerungsführer) begehrt mit seiner Erinnerung, die Höhe des der Kostenrechnung des Bundesfinanzhofs (BFH) zugrunde liegenden Streitwerts für ein Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung (AdV) einer Prüfungsanordnung herabzusetzen.

2 Der Erinnerungsführer ist zugelassener Rechtsanwalt. Mit Bescheid vom ordnete das zuständige Finanzamt (FA) gemäß § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung eine steuerliche Außenprüfung für den Zeitraum 2008 bis 2010 wegen Einkommen- und Umsatzsteuer an. Hiergegen erhob der Erinnerungsführer Einspruch und beantragte beim FA, die Vollziehung der Prüfungsanordnung auszusetzen. Dieser Antrag, der Einspruch und das anschließende Klageverfahren blieben erfolglos.

3 Der Erinnerungsführer erhob anschließend beim BFH Nichtzulassungsbeschwerde, die der Senat mit Beschluss vom als unbegründet zurückgewiesen hat.

4 Während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens beantragte der Erinnerungsführer die AdV der Prüfungsanordnung beim FA, welches den Antrag ablehnte, und daraufhin am AdV beim BFH. Der Antrag wurde durch Beschluss des Senats vom  - VIII S 19/18 als unzulässig verworfen.

5 Mit der angefochtenen Kostenrechnung vom setzte die Kostenstelle des BFH die Gerichtskosten für das Verfahren der AdV der Prüfungsanordnung vor dem BFH (VIII S 19/18) in Höhe von 292 € fest. Dieser Kostenrechnung liegen ein Streitwert von 5.000 € gemäß § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und die Anwendung der Nr. 6210 des Kostenverzeichnisses für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im ersten Rechtszug (Ansatz einer 2,0-Gebühr) zugrunde.

6 Der Erinnerungsführer hat hiergegen die vorliegende Erinnerung erhoben. Er ist der Meinung, in Verfahren der AdV sei der Streitwert in Höhe von 10 % des Betrags zu bemessen, dessen Aussetzung begehrt werde. Dies seien für die streitbefangene AdV 10 % des Auffangstreitwerts (5.000 €).

7 Der Erinnerungsführer beantragt,

die Kostenrechnung des in der Weise zu ändern, dass der Gebührenberechnung ein Streitwert von 500 € zugrunde gelegt wird.

8 Die Vertreterin der Staatskasse beantragt,

die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe

II.

9 Die Erinnerung ist unbegründet.

10 Die an den Erinnerungsführer gerichtete Kostenrechnung vom weist keinen Rechtsfehler auf. Die Gerichtskosten sind auf der Grundlage des Auffangstreitwerts von 5.000 € zu bestimmen.

11 1. Mit der Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG gegen den Kostenansatz können nur Einwendungen erhoben werden, die sich gegen die Kostenrechnung selbst richten, also gegen Ansatz und Höhe einzelner Kosten oder gegen den Streitwert. Dies ist hier der Fall. Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die Höhe des Streitwerts in der Kostenrechnung.

12 2. Die Kostenstelle des BFH hat zu Recht für das AdV-Verfahren eine eigenständige Kostenrechnung erlassen und der Berechnung der Gerichtsgebühren den Auffangstreitwert zugrunde gelegt.

13 a) Das AdV-Verfahren gehört nicht zum selben Rechtszug wie das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Nach Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (i.d.F. des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom , BGBl I 2014, 890) sind die Gebühren für den vorläufigen Rechtsschutz einerseits und für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren andererseits getrennt zu ermitteln. Die Gebührensätze für den vorläufigen Rechtsschutz (einschließlich der Verfahren nach § 69 Abs. 3 und Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung) sind im Hauptabschnitt 2 geregelt, während sich die Gebührensätze für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren aus Hauptabschnitt 5 ergeben (vgl. , BFH/NV 2012, 55, Rz 11). Danach ist die Kostenstelle des BFH zutreffend davon ausgegangen, dass für das AdV-Verfahren eine eigene Kostenrechnung zu erlassen und im Streitfall nach Nr. 6210 des Verzeichnisses eine 2,0-Gebühr für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im ersten Rechtszug anzusetzen war.

14 b) Auch die Höhe des der Rechnung zugrunde liegenden Auffangstreitwerts (§ 52 Abs. 2 GKG) in Höhe von 5.000 € begegnet keinen Bedenken.

15 aa) Nach der Rechtsprechung des BFH ist in Verfahren über die Rechtmäßigkeit von Prüfungsanordnungen der Streitwert regelmäßig mit 50 % der „mutmaßlich zu erwartenden Mehrsteuern“ (BFH-Beschlüsse vom  - VII B 122/73, BFHE 113, 411, BStBl II 1975, 197; vom  - VIII R 111/84, BFHE 142, 542, BStBl II 1985, 257; vom  - III B 45/95, nicht veröffentlicht, und vom  - VIII E 4/09, BFH/NV 2009, 1823; vom  - X E 1/14, BFH/NV 2014, 1387) anzusetzen. Ist —wie im Streitfall— eine Außenprüfung bis zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung noch nicht durchgeführt worden, sind die zu erwartenden Mehrsteuern im Einzelfall zu schätzen; ist eine solche Schätzung nicht möglich, ist der in § 52 Abs. 2 GKG genannte Auffangstreitwert anzusetzen (vgl. zu § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F. BFH-Beschlüsse in BFHE 142, 542, BStBl II 1985, 257; vom  - VIII R 367/83, BFH/NV 1988, 515; zu § 52 Abs. 2 GKG s. , BFHE 220, 22, BStBl II 2008, 199). Mangels solcher hinreichender Anhaltspunkte zur Höhe der zu erwartenden Mehrsteuern lag der Auffangstreitwert bereits der Kostenrechnung vom  - KostL 185/19 (VIII B 67/18) für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren (VIII B 67/18) wegen Aufhebung der angefochtenen Prüfungsanordnung zugrunde. Hiergegen erhebt der Erinnerungsführer auch keine Einwendungen.

16 bb) Anknüpfend daran ist der Streitwert für das vorliegende AdV-Verfahren entgegen der Auffassung des Erinnerungsführers nicht in Höhe von 10 % von 5.000 € (= 500 €) zu bemessen. Werden die mutmaßlichen Mehrsteuern zugunsten des Erinnerungsführers in Höhe des Auffangstreitwerts angesetzt, ist dieser fiktive Wert —ohne Kürzung auf 10 %— auch für ein Verfahren wegen AdV der Anordnung der Außenprüfung maßgebend. Er kann nicht Grundlage für die Ableitung des Streitwerts eines anderen Verfahrens sein, in dem ebenso wenig bekannt ist, welche finanzielle Bedeutung ihm zukommt (, BFH/NV 1991, 552, unter 3., m.w.N.; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., Vor § 135 Rz 160 „Außenprüfung"; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 139 FGO Rz 257, 259). Hieran ist ungeachtet der geäußerten Kritik festzuhalten (vgl. , Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1109: 25 % des Auffangstreitwerts; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vor § 135 FGO Rz 163: 10 % des Auffangstreitwerts), wenn sich für das AdV-Verfahren die „mutmaßlich zu erwartenden Mehrsteuern“ nicht ermitteln lassen, da § 52 Abs. 2 GKG sowohl in Hauptsache- als auch in AdV-Verfahren gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 3 GKG anzuwenden ist.

17 3. Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

18 4. Die Entscheidung über die Erinnerung ergeht gemäß § 1 Abs. 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG durch den Einzelrichter.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2019:B.111219.VIIIE1.19.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2020 S. 380 Nr. 4
HFR 2020 S. 452 Nr. 5
IAAAH-42550