BFH Urteil v. - IX R 9/02

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Eltern des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) waren Eigentümer eines Zweifamilienhauses, dessen Erdgeschosswohnung sie selbst nutzten. Der Kläger bewohnte mit seiner Familie die Obergeschosswohnung des Zweifamilienhauses.

Mit Vertrag vom März 1999 erwarb der Kläger das Eigentum an dem Grundstück von seinen Eltern. An den Nutzungsverhältnissen änderte sich dadurch nichts; die Eltern des Klägers nutzten die Erdgeschosswohnung nunmehr unentgeltlich.

Der Kläger beantragte im Dezember 1999 eine Eigenheimzulage für beide Wohnungen sowie eine Kinderzulage. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) entsprach dem u.a. nur insoweit, als er eine Eigenheimzulage einschließlich einer Kinderzulage nur für die vom Kläger selbst genutzte Wohnung festsetzte.

Einspruch und Klage blieben insoweit ohne Erfolg.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 6 Abs. 1, § 4 Satz 2 des EigenheimzulagengesetzesEigZulG—). Er beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung das beklagte FA zu verurteilen, dem Kläger Eigenheimzulage auch für die Erdgeschosswohnung des Zweifamilienhauses für die Jahre 1999 bis 2006 zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das Finanzgericht (FG) ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Kläger für die unentgeltlich an seine Eltern überlassene Wohnung, welche in räumlichem Zusammenhang zu der selbstgenutzten Wohnung steht, Eigenheimzulage nicht zu gewähren ist.

1. Das EigZulG begünstigt nach § 2 Abs. 1 u.a. die Herstellung einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus. Der Anspruch auf Eigenheimzulage besteht für Kalenderjahre, in denen der Anspruchsberechtigte die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt (§ 4 Satz 1 EigZulG); eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt auch vor, soweit eine Wohnung unentgeltlich an einen Angehörigen i.S. des § 15 der Abgabenordnung (AO 1977) zu Wohnzwecken überlassen wird (§ 4 Satz 2 EigZulG).

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 EigZulG kann der Anspruchsberechtigte die Eigenheimzulage nur für ein ”Objekt” in Anspruch nehmen. ”Objekte” im Sinne dieser Vorschrift sind Wohnungen sowie Ausbauten und Erweiterungen an einer Wohnung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1, Abs. 2 EigZulG).

Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen, können die Eigenheimzulage für insgesamt zwei Objekte beanspruchen (§ 6 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz EigZulG); dies gilt jedoch nicht gleichzeitig für zwei in räumlichem Zusammenhang belegene Objekte, wenn bei den Ehegatten im Zeitpunkt der Fertigstellung oder Anschaffung der Objekte die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen (§ 6 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz EigZulG; sog. Objektbeschränkung).

2. Im Streitfall haben FA und FG für die vom Kläger selbstgenutzte Wohnung zutreffend antragsgemäß eine Eigenheimzulage gewährt. Eine gleichzeitige Förderung der unentgeltlich an die Eltern des Klägers zu Wohnzwecken überlassene Wohnung ist indes —entgegen der Ansicht des FA und des FG— nicht mit Rücksicht auf die Objektbeschränkung des § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG ausgeschlossen.

a) Zwar könnte der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG darauf hindeuten, dass eine räumlich mit einer geförderten Wohnung zusammenhängende (zweite) Wohnung auch dann nicht gefördert werden kann, wenn diese nicht selbst von den Ehegatten zu eigenen Wohnzwecken genutzt, sondern unentgeltlich an einen Angehörigen zu Wohnzwecken überlassen wird; denn sowohl die eigengenutzte als auch die unentgeltlich überlassene Wohnung sind begünstigte ”Objekte” im Sinne der Vorschrift.

b) Nach dem Zweck der gesetzlichen Regelung, der auch in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommt, ist die Objektbeschränkung des § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG indes auf die Fälle der unentgeltlichen Überlassung einer in räumlichem Zusammenhang belegenen Wohnung an Angehörige nicht anwendbar.

§ 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG soll vermeiden, dass zusammenveranlagte Ehegatten beide Wohnungen in einem Zwei- oder Mehrfamilienhaus als Familienwohnung nutzen und die Förderung gleichzeitig für beide Wohnungen in Anspruch nehmen können. Die durch die Vorschrift zu verhindernde missbräuchliche Gestaltung hat der Gesetzgeber jedoch nur dann gesehen, wenn die künstliche Aufspaltung der Familienwohnung in zwei sich im räumlichen Zusammenhang befindliche Wohnungen eine nichtgerechtfertigte Übersubventionierung bewirkt. Entsprechend diesem Normzweck ist die Überlassung einer im räumlichen Zusammenhang mit der Familienwohnung stehenden weiteren Wohnung an Angehörige nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift einzubeziehen (zur Vermeidung von Wiederholungen s. im Einzelnen , BFH/NV 2002, 1377, unter II. 2. b c).

c) Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze steht dem Kläger die Eigenheimzulage auch für die an seine Eltern unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassene Erdgeschosswohnung des Hauses zu. Nach dem vom FG festgestellten, unstreitigen Sachverhalt (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger mit seiner Familie die Erdgeschosswohnung nicht (mit-)genutzt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 145
RAAAA-71618