BFH Beschluss v. - I B 38/03, I S 3/03

Gründe

1. Die Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Klägerin) verfolgt mit ihrer Klage gegen die im Rubrum genannten Bescheide des Beklagten, Beschwerdegegners und Antragsgegners (Finanzamt —FA—) die steuerliche Behandlung eines betrieblichen Ertrages in Folge des Erlasses einer Verbindlichkeit als steuerfreien Sanierungsgewinn i.S. des § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr 1996 geltenden Fassung. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision. Sie rügt Verfahrensmängel der Vorinstanz (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG habe seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung nicht genügt (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) und den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt. Zudem hat die Klägerin die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Bescheide betreffend Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 1996 beantragt. Das FA ist der Beschwerde und dem Antrag auf AdV entgegengetreten. Der Senat hat die beiden Verfahren gemäß § 73 Abs. 1 FGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

2. Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision ist nicht zulässig erhoben und war daher zu verwerfen. Die Klägerin hat die von ihr gerügten Verfahrensmängel nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.

Wird als Verfahrensmangel ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) mit der Begründung gerügt, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, sind substantiierte Ausführungen dazu erforderlich, welche Beweise das FG von Amts wegen hätte erheben müssen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 2002, 502; vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Anm. 48, § 120 Anm. 70). Derartige Ausführungen lässt die Beschwerdebegründung vermissen. Sie enthält lediglich die Darlegung, dass das FG die Liquiditätslage der Klägerin am aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Aufstellung und betriebswirtschaftlichen Auswertungen unzutreffend beurteilt habe.

Entsprechendes gilt für die Rüge der Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO). Auch insoweit hat die Klägerin versäumt, wie erforderlich substantiiert vorzutragen, was sie —aus der materiell-rechtlichen Sicht des FG— an Entscheidungserheblichem noch vorgetragen hätte, wenn es zu dem gerügten Verfahrensfehler nicht gekommen wäre, und inwieweit eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre (ebenfalls ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. , BFH/NV 2002, 205; vgl. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Anm. 48 f., § 119 Anm. 14).

Im Übrigen zählen beide von der Klägerin vorgetragenen Rügen zu den verzichtbaren Verfahrensrügen. Soweit auf die Beachtung verfahrensrechtlicher Vorschriften wirksam verzichtet werden kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), gehört nach ständiger Rechtsprechung zur ordnungsmäßigen Rüge des entsprechenden Verfahrensmangels auch der Vortrag, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift in der Vorinstanz ordnungsgemäß gerügt wurde. Dieses Vortrags bedarf es ausnahmsweise nur dann nicht, wenn sich die Rüge schon aus dem angegriffenen Urteil oder den in Bezug genommenen Unterlagen (etwa der Sitzungsniederschrift) ergibt (vgl. z.B. , BFH/NV 2003, 86; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 49, m.w.N.). Ausweislich der FG-Akten hat die Klägerin dies (auch in der mündlichen Verhandlung vom ) versäumt.

Von einer weiteren Begründung des Beschlusses insoweit sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

3. Der Antrag auf AdV war abzulehnen.

Der Senat hat die von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision als unzulässig verworfen (oben 2.). Damit kann auch der Antrag auf AdV der angefochtenen Bescheide keinen Erfolg haben.

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 FGO soll die Vollziehung eines Steuerbescheides ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die AdV eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes ist indessen ausgeschlossen (BFH-Beschlüsse vom I S 2/92, BFH/NV 1993, 674, m.w.N.; vom IV S 1/93, BFH/NV 1993, 556). Sie kommt nur für einen (noch) ”angefochtenen Verwaltungsakt” in Betracht. Mit der Verwerfung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist das Urteil des FG hingegen rechtskräftig geworden (§ 116 Abs. 5 Satz 3 FGO), eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides damit nicht mehr möglich (BFH-Beschlüsse vom VII S 22/95, BFH/NV 1996, 688; vom I S 6/95, BFH/NV 1996, 227; vom I S 19/00, BFH/NV 2001, 1124).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 60
NAAAA-69957