BGH Urteil v. - 5 StR 566/17

Bestechlichkeit: Strafbarkeit der pflichtwidrigen Gebührenunterschreitung eines Notars

Leitsatz

1. Ein Notar nimmt mit der Erhebung von Gebühren nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BNotO eine Diensthandlung im Sinne von §§ 332, 334 StGB vor.

2. Wird er im Gegenzug für eine pflichtwidrige Gebührenunterschreitung mit einer Beurkundung beauftragt, ohne dass er hierauf einen Anspruch hat, stellt dies einen Vorteil im Sinn der §§ 331 ff. StGB dar.

Gesetze: § 331 StGB, §§ 331ff StGB, § 332 StGB, § 334 StGB, § 17 Abs 1 S 1 BNotO

Instanzenzug: Az: 004 Ss 85/17

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der Bestechung in 143 Fällen (Angeklagter D.   ) bzw. Bestechlichkeit in 49 Fällen (Angeklagter   S.      ) aus Rechtsgründen freigesprochen. Die hiergegen mit der Sachrüge geführten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.

I.

21. Nach der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft bei dem liegt den Angeklagten Folgendes zur Last:

3Der Angeklagte D.    habe als Immobilienkaufmann zahlreiche Geschäfte durchgeführt, für die notarielle Beurkundungen angefallen seien. Im Jahr 2005 habe er dem inzwischen verstorbenen Notar Sc.      und nach dessen Ausscheiden aus dem Notariat dessen Nachfolger, dem Angeklagten   S.       , in Aussicht gestellt, sie bevorzugt mit Beurkundungsvorgängen zu betrauen. Hierdurch sollte den Notaren die Möglichkeit eröffnet werden, über längere Zeiträume regelmäßige und sichere Mehreinnahmen zu erzielen. Zu einer solchen bevorzugten Beauftragung sei der Angeklagte D.    aber nur bereit gewesen, wenn die Notare im Gegenzug von ihm nicht die vollen gesetzlichen Gebühren gefordert, sondern nur die Hälfte dieser Gebühren geltend gemacht hätten. Obwohl allen Beteiligten klar gewesen sei, dass die Notare hierdurch ihre Dienstpflichten verletzten, hätten sich die Notare damit einverstanden erklärt, weil sie auf diese Weise Mehreinnahmen hätten generieren können, die ihnen auf andere Weise nicht zugeflossen wären.

4In Umsetzung dieser Abrede habe der Notar Sc.     zwischen 2005 und 2007 in 94 Fällen für den Angeklagten D.   Beurkundungen vorgenommen, für die insgesamt gesetzliche Gebühren in Höhe von 264.826,85 Euro angefallen seien. Vereinbarungsgemäß habe der Angeklagte D.   hingegen nur 112.804,76 Euro gezahlt. Zwischen 2005 und 2009 habe der Angeklagte    S.    die getroffene Abrede in ähnlicher Weise in 49 Fällen umgesetzt. Anstelle der für seine Beurkundungen angefallenen gesetzlichen Gebühren in Höhe von insgesamt 69.193,05 Euro habe er nur 34.526,62 Euro vom Angeklagten D.    erhalten.

52. Das Landgericht hat in der Hauptverhandlung nur die Identität der Angeklagten festgestellt, keine Beweiserhebung durchgeführt und keinerlei Feststellungen getroffen, weil die Angeklagten aus Rechtsgründen von den Anklagevorwürfen freizusprechen seien. Diese als richtig unterstellt – weitergehende belastende Feststellungen seien auch nach einer Beweisaufnahme nicht zu erwarten – sei das Verhalten der Angeklagten straflos. Es fehle an einer Diensthandlung, die einer der Notare pflichtwidrig vorgenommen bzw. unterlassen habe. Zudem hätten die Notare keinen „Vorteil“ im Sinne der §§ 331 ff. StGB erhalten.

II.

6Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

71. Das Urteil des Landgerichts hält sachlich-rechtlicher Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil es keine Feststellungen enthält. Auch wenn ein Gericht den Angeklagten aus Rechtsgründen freispricht, muss es Feststellungen zur Sache treffen, um dem Revisionsgericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob das Recht auf den festgestellten Sachverhalt richtig angewendet wurde (vgl. , NStZ-RR 1997, 374; MüKo-StPO/Wenske, § 267 Rn. 501 ff.; SSW-StPO/Güntge, 3. Aufl., § 267 Rn. 49). Eine Ausnahme hiervon hat der Bundesgerichtshof bislang lediglich anerkannt, wenn bei einer angeklagten Tatserie weitergehende Feststellungen zu angeklagten Einzeltaten unmöglich sind (vgl. , NStZ-RR 2005, 211; vgl. auch Beschluss vom – 3 StR 191/89). Ob von Feststellungen auch dann abgesehen werden kann, wenn ein dem Angeklagten vorgeworfenes Verhalten mit Sicherheit straflos ist (vgl. OLG Stuttgart, NStZ-RR 2013, 174; OLG Jena, Urteil vom – 162 Ss 127/14 und 128/14; vgl. auch [2] 53 Ss 67/10 [39/10]), kann dahinstehen. Denn dies ist nicht der Fall.

82. Ein Notar ist gemäß § 1 BNotO Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2b StGB (vgl. Eser/Hecker in Schönke/Schröder, 29. Aufl., § 11 Rn. 19) und nimmt mit der Erhebung der gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BNotO eine Diensthandlung gemäß §§ 332, 334 StGB vor.

9a) Eine Diensthandlung liegt jedenfalls vor, wenn das Handeln zu den dienstlichen Obliegenheiten des Amtsträgers gehört und von ihm in dienstlicher Eigenschaft vorgenommen wird (vgl. , BGHSt 31, 264, 280; MüKo-StGB/Korte, 2. Aufl., § 331 Rn. 84). Dies ist bei der Gebührenerhebung durch einen Notar zu bejahen (vgl. Usinger/Jung, wistra 2011, 452, 455; abweichend für einen Fall nachträglicher Rückgewähr von Gebührenteilen OLG Stuttgart NJW 1969, 943).

10Der Notar ist – verfassungs- und europarechtskonform (vgl. nur BVerfG, NJW 2015, 2642 m. Anm. Terner; EuGH NJW 2011, 2941) – gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BNotO zur Erhebung der gesetzlichen Gebühr amtlich verpflichtet ( NotSt [Brfg] 1/14, DNotZ 2015, 461, 465). Durch diese Amtspflicht soll namentlich verhindert werden, dass es zu einem Verdrängungswettbewerb unter den Notaren kommt; die Vorschrift bezweckt die Sicherung einer funktionsfähigen Rechtspflege, indem leistungsfähige Notariate und die Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Dienstleistungen gesichert werden (vgl. BVerfG, NJW-RR 2011, 855, 856).

11b) Das angeklagte Verhalten wäre auch pflichtwidrig. Unterschreitet der Notar die gesetzlichen Gebühren, verletzt er grundsätzlich seine Pflicht aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BNotO (vgl. NotSt [Brfg] 2/17 Rz. 24). Der Anspruch des Notars ist gemäß § 17 Abs. 1 BNotO öffentlich-rechtlicher Natur. Deswegen sind die Gebühren des Notars – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – jeglicher Vereinbarung entzogen, die sich auf ihre Höhe auswirkt (vgl. NotSt [Brfg] 1/14, DNotZ 2015, 461, 466; OLG Celle, NJOZ 2012, 1071; vgl. § 125 GNotKG bzw. § 140 Satz 2 KostO aF). Gleichwohl getroffene Vereinbarungen sind nichtig und befreien den Notar nicht von der Pflicht zur Erhebung der gesetzlich vorgesehenen Gebühren (vgl. BGH aaO; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom – 20 W 154/11 mwN). Diese Pflicht ist gleichermaßen verletzt, wenn der Notar Gebührenrechnungen nur zum Schein in voller Höhe ausstellt, dem Kostenschuldner aber von vornherein zusichert, nur einen Teil davon tatsächlich geltend zu machen.

12c) Der Angeklagte   S.     und der inzwischen verstorbene Notar Sc.     sollten – den Anklagevorwurf als zutreffend unterstellt – für ihre pflichtwidrigen Diensthandlungen auch Vorteile im Sinne von §§ 332, 334 StGB erhalten, nämlich die Erteilung von Beurkundungsaufträgen durch den Angeklagten D.   im Gegenzug für die Ermäßigung der gesetzlichen Notargebühren.

13Ein Vorteil im Sinne der Bestechungsdelikte ist jede Leistung, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert (vgl. nur , BGHSt 31, 264, 279, und vom – 1 StR 260/08, BGHSt 53, 6; MüKo-StGB/Korte, 2. Aufl., § 331 Rn. 60 mwN). Er kann auch im Abschluss eines Vertrages mit dem Amtsträger bestehen, auf den dieser keinen Anspruch hat (vgl. , BGHSt 31, 264, 279 f.; vom – 4 StR 99/07, NStZ 2008, 216 f., und vom – 3 StR 492/10, StV 2012, 19). Nach diesen Grundsätzen liegt ein Vorteil auch in der Erteilung eines Beurkundungsauftrags, auf die der Notar keinen Rechtsanspruch hat (vgl. LK-StGB/Sowada, 12. Aufl., § 331 Rn. 47). Dies war vorliegend nach der Anklage der Fall.

143. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:220318U5STR566.17.0

Fundstelle(n):
DNotZ 2018 S. 708 Nr. 9
NJW 2018 S. 10 Nr. 22
NJW 2018 S. 1767 Nr. 24
WM 2019 S. 84 Nr. 2
wistra 2018 S. 346 Nr. 8
HAAAG-83756