BFH Beschluss v. - X B 143/01

Gründe

I. Dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war das klagabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) am zugestellt worden. Sein Prozessbevollmächtigter erhob mit Schriftsatz vom —beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen am — Nichtzulassungsbeschwerde. Der Schriftsatz war nicht unterschrieben.

Am ging beim BFH ein weiterer Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom gleichen Tage ein, mit dem dieser namens des Klägers erneut Nichtzulassungsbeschwerde einlegte und außerdem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragte.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags trägt der Prozessbevollmächtigte im Wesentlichen Folgendes vor:

Das FG-Urteil sei mit Schriftsatz vom angefochten worden. Das ordnungsgemäß unterschriebene Schriftstück sei am selben Tag von einer Kanzleimitarbeiterin einkuvertiert, frankiert und bei der Deutschen Post AG Bremen eingeliefert worden. Nach den üblichen Postlaufzeiten hätte der Schriftsatz spätestens am beim BFH eingehen müssen. Da noch immer keine Eingangsbestätigung des BFH mit der Angabe des Aktenzeichens vorliege, sei nicht auszuschließen, dass die Sendung verloren gegangen sei. Deshalb beantrage er vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Zur Glaubhaftmachung der zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags vorgetragenen Tatsachen legte der Prozessbevollmächtigte eine eidesstattliche Versicherung seiner Mitarbeiterin, einer studentischen Hilfskraft, vor.

Auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden vom , dass die Beschwerdeschrift vom nicht unterzeichnet und die rechtzeitige Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde deshalb zweifelhaft sei, verwies der Prozessbevollmächtigte auf den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom GmS-OGB 1/78 (Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1980, 172). Zudem sei der Fehler durch den Schriftsatz vom behoben worden. Der Wiedereinsetzungsgrund sei durch die eidesstattliche Versicherung seiner Mitarbeiterin glaubhaft gemacht worden. Ergänzend dazu könne er erklären, dass bestimmende Schriftsätze in seiner Kanzlei unterschrieben und zusammen mit zwei nicht unterzeichneten Kopien versendet werden. Offenbar sei im Streitfall die unterzeichnete Kopie verloren gegangen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Die Nichtzulassung der Revision kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils angefochten werden (§ 116 Abs. 2 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO— i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze —2.FGOÄndG— vom , BGBl I 2000, 1757). Diese Frist war im Streitfall am abgelaufen. Die am eingereichte unterschriebene Beschwerdeschrift war sonach verspätet. Die am rechtzeitig eingereichte, nicht unterschriebene Beschwerdeschrift genügte nicht dem Erfordernis der Schriftlichkeit.

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist schriftlich einzulegen (allgemeine Meinung, u.a. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., 2002, § 116 Rz. 11). Das ergibt sich zwar für die Nichtzulassungsbeschwerde —anders als für die Revision (§ 120 Abs. 1 FGO) und für die Beschwerde nach § 128 FGO (§ 129 Abs. 1 FGO)— nicht unmittelbar aus dem Gesetz, aber aus dem Umstand, dass es sich um einen bestimmenden Schriftsatz handelt (dazu: Gräber, a.a.O., § 64 Rz. 4., m.w.N.) und wird bestätigt durch die Anordnung in § 116 Abs. 2 Satz 3 FGO, dass der Beschwerdeschrift eine Ausfertigung oder Abschrift des angefochtenen Urteils beigefügt werden soll.

Dem Erfordernis der Schriftlichkeit eines bestimmenden Schriftsatzes ist regelmäßig nur dann genügt, wenn dieser unterschrieben, d.h. handschriftlich unterzeichnet ist (Beschlüsse des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes in NJW 1980, 172, und vom GmS-OGB 1/98, NJW 2000, 2340, 2341, sowie des , BFHE 111, 278, 285, BStBl II 1974, 242; Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, 1986, Anm. 146). Die Unterschrift soll die einwandfreie Durchführung des Rechtsstreits zwischen den Beteiligten sicherstellen. Der Große Senat des BFH hat es in der o.a. Entscheidung allerdings für vertretbar gehalten, einen bestimmenden Schriftsatz (Revisionsbegründung) noch als schriftlich begründet anzusehen, wenn zwar nicht der Schriftsatz, aber ein Anschreiben handschriftlich unterzeichnet wird. Ein derartiger Ausnahmesachverhalt ist hier nicht gegeben. Sonstige Umstände, die auf eine Billigung des Schriftsatzes vom durch den Prozessbevollmächtigten schließen ließen, sind nicht ersichtlich. Sie können weder der Verwendung eines Briefkopfes des Prozessbevollmächtigten noch der Anführung des Diktierzeichens des Prozessbevollmächtigten entnommen werden. Vielmehr ist nicht auszuschließen, dass dieses Schriftstück zunächst nur ein Entwurf sein sollte. Erst die (verspätete) Nachholung der Unterschrift am stellte klar, dass der Prozessbevollmächtigte den Inhalt des Schriftsatzes billigte.

Aus der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes in NJW 1980, 172 lässt sich nichts anderes ableiten. Danach ist das Schriftlichkeitserfordernis als gewahrt anzusehen, wenn der bestimmende Schriftsatz mit einem Beglaubigungsvermerk versehen und der Name des die Verantwortung Tragenden nur in Maschinenschrift wiedergegeben ist, da durch den Beglaubigungsvermerk ausreichend sichergestellt ist, dass das Schriftstück dem Willen des Verantwortlichen entspreche und es mit dessen Willen in den Verkehr gelangt ist. Dieser Beschluss betrifft aber nur Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts oder Behörden, die unmittelbar zur Einreichung bestimmender Schriftsätze bei Gericht befugt sind. Zudem gibt der Schriftsatz vom den Namen des Prozessbevollmächtigten auch nicht in Maschinenschrift wieder; er ist auch nicht beglaubigt.

2. Die Fristversäumnis kann nicht nach § 56 FGO geheilt werden. Wiedereinsetzung nach dieser Vorschrift würde u.a. voraussetzen, dass der Kläger bzw. der Prozessbevollmächtigte (Gräber, a.a.O., § 56 Rz. 6 ff.) ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten, und die hierfür erheblichen Tatsachen gemäß § 56 Abs. 2 Sätze 1 und 2 FGO spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses substantiiert und in sich schlüssig dargetan hätte (ständige Rechtsprechung, s. z.B. BFH-Beschlüsse vom X R 102/98, BFH/NV 1999, 1221 und vom IV B 150/98, BFH/NV 1999, 1614; Gräber, a.a.O., § 56 Rz. 36, m.w.N.). Das ist hier nicht geschehen.

Bei Bevollmächtigten, die die Rechtsberatung berufsmäßig ausüben, ist die Schilderung der Fristenkontrolle sowie der Postausgangskontrolle nach Art und Umfang erforderlich und diese durch Vorlage des Fristenkontrollbuchs und des Postausgangsbuchs glaubhaft zu machen. Denn zu den in Betracht kommenden objektiven präsenten Beweismitteln gehört bei Angehörigen der rechtsberatenden Berufe insbesondere die Eintragung der Frist in ein Fristenkontrollbuch, das Festhalten der Absendung fristwahrender Schriftstücke in einem Postausgangsbuch und das Löschen einer Frist auf der Grundlage der Ausgangseintragung im Postausgangsbuch (vgl. BFH-Entscheidungen vom X R 80/87, BFHE 155, 275, BStBl II 1989, 266; vom I R 90/97, BFH/NV 1999, 512). Diesen Anforderungen entspricht der Wiedereinsetzungsantrag des Prozessbevollmächtigten, der sich auf den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung seiner Bürokraft stützt, nicht. Seinem Vortrag ist nicht zu entnehmen, dass in seiner Kanzlei die Fristenkontrolle und der Postausgang fristgebundener Schriftstücke so organisiert ist, dass er den Ausgang anhand der Eintragung im Postausgangsbuch oder der Löschung im Fristenkontrollbuch nachvollziehen kann (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 512) und auch im Falle der Einzelanweisung an eine Bürokraft anhand der Eintragungen in den genannten Unterlagen davon ausgehen kann, dass das Schriftstück weisungsgemäß befördert worden ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 512).

Auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden, dass der Schriftsatz vom nicht unterzeichnet sei, hat er lediglich mitgeteilt, die unterzeichnete Beschwerdeschrift sei offenbar verloren gegangen, während er im vorsorglich gestellten Wiedereinsetzungsantrag vom darauf hinwies, am sei die ordnungsgemäß unterschriebene Beschwerdeschrift von seiner Mitarbeiterin —die diesen Sachverhalt auch an Eides statt versicherte— einkuvertiert, frankiert und zur Post gebracht worden.

Unter diesen Umständen kann ein Organisationsmangel nicht ausgeschlossen werden. Dies muss sich der Kläger zurechnen lassen.

3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO n.F.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 669 Nr. 5
KAAAA-67803