BAG Urteil v. - 4 AZR 251/15

Eingruppierung eines Maschinisten

Gesetze: § 1 TVG

Instanzenzug: ArbG Stendal Az: 4 Ca 1638/12 E Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Az: 6 Sa 68/14 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten im Rahmen einer Zahlungsklage über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

2Der Kläger ist langjährig bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängern als Maschinist beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft EVG abgeschlossenen (Haus-)Tarifverträge, darunter der zum in Kraft getretene Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der DB Bahnbau Gruppe GmbH (ETV BBG). Der Kläger erhält eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe 4 (VG 4) ETV BBG.

3Aufgabe des Klägers ist es, Schienenfräsmaschinen zu warten und sie für den Einsatz vorzubereiten. Der Anteil der Wartungs- und Vorbereitungsarbeiten an der Gesamtarbeitszeit des Klägers beträgt 90 vH. Während der übrigen Arbeitszeit bewegt er die Schienenfräsmaschine zum Zweck der Durchführung von Wartungsarbeiten im Abstellbereich. Die Schienenschleifarbeiten als solche erfolgen in den Nachtstunden und werden nicht vom Kläger, sondern von anderen Mitarbeitern durchgeführt.

4Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihn nach der VG 3 ETV BBG zu vergüten. Er erfülle das Tätigkeitsbeispiel „Maschinenbediener 3“ des Abschn. IV des Vergütungsgruppenverzeichnisses 1 zum ETV BBG (VGV 1). Der Tarifbegriff „Bedienen“ sei nicht auf das Führen der Schienenfräsmaschine während des Schienenschleifens beschränkt, sondern erfasse auch die von ihm überwiegend ausgeführten Reinigungs- und Wartungsarbeiten.

5Der Kläger hat zuletzt beantragt,

6Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit erfülle nicht die tariflichen Voraussetzungen der VG 3 ETV BBG. Zwar würden die von ihm auszuführenden Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten an einer Hochleistungsgroßbaumaschine erbracht. Damit „bediene“ der Kläger aber die Maschine nicht im Tarifsinne. Der bestimmungsgemäße Einsatz der Hochleistungsgroßbaumaschinen im Sinne des Tarifmerkmals beziehe sich ausschließlich auf das Schleifen von Schienen.

7Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit sie den noch streitgegenständlichen Antrag betrifft, abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

8Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht durfte zwar allein mit der von ihm gegebenen Begründung die Klage nicht abweisen. Die Entscheidung stellt sich aber gleichwohl im Ergebnis als richtig dar. Die Revision war deshalb gem. § 561 ZPO zurückzuweisen.

9A. Die Revision ist zulässig.

10I. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision gehört die Angabe der Revisionsgründe (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO. Die Revisionsbegründung muss die Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss sie eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Prozessbevollmächtigte des Revisionsklägers das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und auf die Rechtslage genau durchdacht hat. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch ihre Kritik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen (st. Rspr., etwa  - Rn. 8; - 9 AZR 983/07 - Rn. 16, BAGE 130, 119). Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt deshalb nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung ( - Rn. 10 mwN; - 4 AZR 912/07 - Rn. 11 mwN).

11II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Zwar setzt der Kläger sich nicht mit den vom Landesarbeitsgericht angeführten Gründen für die fehlende Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals der VG 3 VGV 1 ETV BBG auseinander. Soweit er meint, das Landesarbeitsgericht habe lediglich das Tätigkeitsmerkmal des „Maschinenführers 1“, nicht jedoch das des „Maschinenbedieners 3“ geprüft, geht dessen Einwand offensichtlich an der berufungsgerichtlichen Entscheidungsbegründung vorbei. Das Landesarbeitsgericht hat dieses Richtbeispiel lediglich zum Zweck der systematischen Tarifauslegung herangezogen. Mit seinem Hinweis, das Landesarbeitsgericht habe das allgemeine Tätigkeitsmerkmal (Obersatz) des VGV 2 ETV BBG nicht geprüft, hat der Kläger hingegen einen zulässigen Angriff gegen das Berufungsurteil geführt. Ein solcher einzelner Angriff genügt den Anforderungen an die Revisionsbegründung (GMP/Müller-Glöge ArbGG 8. Aufl. § 74 Rn. 55; zur Berufung vgl.  - zu II 2 b der Gründe, BAGE 105, 200).

12B. Die Revision ist jedoch unbegründet.

13I. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist sie nicht bereits deshalb unbegründet, weil die Berufung des Klägers unzulässig gewesen wäre. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht ausgeführt, der Kläger habe das erstinstanzliche Urteil entscheidungserheblich angegriffen, indem er seine Auffassung verteidigt habe, auch die Inbetriebnahme der Schienenfräsmaschine zu Wartungs- und Reinigungszwecken sowie die Durchführung dieser Arbeiten stelle eine Bedienung im tariflichen Sinne dar.

14II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, der Kläger erfülle das Tätigkeitsmerkmal der VG 3 VGV 1 ETV BBG nicht. Zwar hätte es darüber hinaus die Erfüllung der Anforderung des Obersatzes der VG 3 VGV 2 ETV BBG prüfen müssen. Die Entscheidung stellt sich aber gleichwohl im Ergebnis als richtig dar, weil die Klage insoweit unschlüssig ist.

151. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten die Haustarifverträge der Beklagten, insbesondere der ETV BBG kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit.

162. Dabei sind die folgenden Bestimmungen des ETV BBG für die Entscheidung von Bedeutung:

17Das Vergütungsgruppenverzeichnis 1 (VGV 1) lautet auszugsweise:

18Im Vergütungsgruppenverzeichnis 2 (VGV 2) heißt es:

193. Gem. § 2 ETV BBG werden die Arbeitnehmer in eine der Vergütungsgruppen der Anlage 3 oder 4 eingruppiert. Danach muss die vom Arbeitnehmer ausgeführte und ihm nicht nur vorübergehend übertragene Tätigkeit (§ 3 Abs. 1 ETV BBG) entweder die Tarifmerkmale der VGV 1 oder der VGV 2 erfüllen. Bei den im VGV 1 genannten Merkmalen handelt es sich dabei um sog. Richt- oder Regelbeispiele, bei den im VGV 2 aufgeführten Obersätzen um die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der jeweiligen Vergütungsgruppen. Eine kumulative Erfüllung der Tarifmerkmale ist nicht erforderlich. Diese Regelungssystematik entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung von Tarifverträgen. Danach sind die Anforderungen einer Entgeltgruppe regelmäßig dann als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine dem in der Vergütungsgruppe genannten Beispiel entsprechende Tätigkeit ausübt. Wird die vom Arbeitnehmer verrichtete Tätigkeit jedoch nicht oder nicht vollständig von einem Beispiel erfasst, ist auf die allgemeinen Merkmale der Vergütungsgruppe zurückzugreifen (vgl. nur  - Rn. 29; - 4 AZR 438/10 - Rn. 16).

204. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, der Kläger erfülle nicht das Tätigkeitsmerkmal (Richtbeispiel) der VG 3 des VGV 1 ETV BBG „Maschinenbediener 3“. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der dem Kläger übertragenen Tätigkeit um - wie die Revision meint - eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit oder um Einzeltätigkeiten handelt, die jede für sich zu bewerten sind. Die Tätigkeit des Klägers erfüllt bei jedem denkbaren Zuschnitt der von ihm ausgeübten Einzeltätigkeiten das Richtbeispiel nicht.

21a) Unter das Richtbeispiel „Maschinenbediener 3“ fällt zunächst die Tätigkeit des selbständigen Bedienens von Hochleistungsgroßbaumaschinen, welche exemplarisch in dem Richtbeispiel aufgeführt sind. Alternativ („und / oder“) dazu wird das Richtbeispiel auch durch die Tätigkeit der Maschinenbedienung mit Streckenfahrten erfüllt.

22b) Der Kläger erfüllt keine der beiden Alternativen.

23aa) Er „bedient“ keine Hochleistungsgroßbaumaschinen im tariflichen Sinne. Dabei kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass es sich bei der Schienenfräsmaschine um eine Hochleistungsgroßbaumaschine in diesem Sinne handelt.

24(1) Dem Wortlaut nach bedeutet „bedienen“ im Zusammenhang mit größeren Geräten „handhaben“ oder „steuern“ (Duden Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl.). In diesem Sinne kann die Tätigkeit des Klägers, soweit sie die Fahrten auf dem Abstellgleis zur Überprüfung der Funktionstüchtigkeit im Rahmen der Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten betrifft, zwar noch als das „Bedienen“ von Maschinen im Wortsinne angesehen werden.

25(2) Aus der Tarifsystematik ergibt sich jedoch, dass die Tätigkeit des - selbständigen - Bedienens nur den bestimmungsgemäßen Gebrauch der fraglichen Maschine, dh. im Streitfall das Schienenschleifen als solches, erfasst. In den Vergütungsgruppen VG 5, VG 4 und VG 3 VGV 1 ETV BBG differenziert die tarifliche Regelung zwischen dem Maschinenbediener 1, 2 und 3 auf der einen und dem Facharbeiter Werkstatt 1, 2 und 3 auf der anderen Seite. Während der Facharbeiter Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten auszuführen hat, hat der Maschinenbediener die Geräte selbständig zu bedienen. Würden die Instandhaltungsarbeiten, deren Erfolg der betreffende Facharbeiter bei lebensnaher Betrachtungsweise - und wie im Fall des Klägers zwischen den Parteien auch unstreitig - durch ein kurzzeitiges Bedienen auf dem Abstellgleis zu überprüfen hat, stets auch ein „Bedienen“ im tariflichen Sinne umfassen, hätte das Richtbeispiel des Facharbeiters Werkstatt kaum einen eigenen Anwendungsbereich. Es kann nicht angenommen werden, dass sich die Richtbeispiele nach dem Willen der Tarifvertragsparteien derart weitgehend überschneiden sollten.

26(3) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus der vom Kläger vorgelegten Stellenbeschreibung für die Tätigkeiten eines Maschinisten weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht etwas anderes.

27(a) Die Stellenbeschreibung ist für die Auslegung des Tarifmerkmals ohne Belang (zu den Auslegungsgrundsätzen vgl. nur - 4 AZR 433/03 - zu I 1 b aa der Gründe, BAGE 111, 204; - 4 AZR 269/00 - mwN, BAGE 98, 35). Sie belegt weder das Begriffsverständnis der Tarifvertragsparteien noch die praktische Tarifübung. Es fehlt insoweit bereits an einer Beteiligung der tarifschließenden Gewerkschaft EVG. Abgesehen davon bezieht sich die in der Stellenbeschreibung genannte Stellenbewertung ersichtlich auf einen völlig anderen Tarifvertrag.

28(b) Die Stellenbeschreibung ist auch in tatsächlicher Hinsicht für die Eingruppierung des Klägers ohne Belang.

29(aa) Die Eingruppierung des Arbeitnehmers richtet sich gem. § 3 Abs. 1 ETV BBG nach der ausgeführten Tätigkeit, nicht hingegen nach der Berufsbezeichnung. Die abstrakte Bezeichnung der Stelle ist danach tariflich nicht relevant.

30(bb) Auch hinsichtlich der vom Kläger ausgeführten Tätigkeit ist die Stellenbeschreibung nicht maßgebend. Der bloße Verweis auf eine vom Arbeitgeber verfasste Stellenbeschreibung und die dort genannten, auszuübenden Tätigkeiten ersetzt die von den Gerichten für Arbeitssachen vorzunehmenden Feststellungen selbst dann nicht, wenn die Angaben von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits nicht in Frage gestellt werden. Eine Stellenbeschreibung dient lediglich der Dokumentation der Tätigkeit des Stelleninhabers. Als Grundlage für eine Tätigkeitsbeschreibung kommt sie allenfalls dann in Betracht, wenn sie die tatsächlich auszuübende Tätigkeit sowie die Gesamt- oder Teiltätigkeiten ausreichend wiedergibt ( - Rn. 22; grdl. - 4 AZR 53/12 - Rn. 18 mwN). Das ist vorliegend nicht der Fall. Insbesondere ergeben sich aus der Stellenbeschreibung weder die vom Kläger tatsächlich ausgeführten Tätigkeiten - vor allem die „zu bedienenden“ Maschinen - noch deren Zeitanteile an der Gesamtarbeitszeit.

31bb) Die Tätigkeit des Klägers umfasst auch keine „Maschinenbedienung mit Streckenfahrten“ im tariflichen Sinne. Das Landesarbeitsgericht hat dies zwar nicht als gesondertes Tarifmerkmal geprüft. Dessen bedurfte es aber bereits deshalb nicht, weil der Kläger dies weder für die Schienenfräsmaschine noch für andere - ggf. auch einfache oder mittlere - Großbaumaschinen behauptet hat. Dies hat er in der Revision nochmals ausdrücklich klargestellt.

32cc) Schließlich hat der Kläger keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals des Facharbeiters Werkstatt 3 VG 3 VGV 1 ETV BBG ergäbe. Er hat nicht behauptet, als Facharbeiter mit Spezialtätigkeiten, insbesondere mit dem „elektronischen Einstellen der Hochleistungsgroßbaumaschinen“ betraut zu sein.

335. Die Tätigkeit des Klägers erfüllt schließlich nicht das allgemeine Tätigkeitsmerkmal (Obersatz) der VG 3 des VGV 2 ETV BBG. Es fehlt insoweit an substantiiertem Vortrag des Klägers. Bereits das Arbeitsgericht hat die Erfüllung des allgemeinen Tätigkeitsmerkmals unter Hinweis auf die fehlende Schlüssigkeit des Vortrags verneint. In der Revision hat der Kläger auf Nachfrage erklärt, er erfülle nicht die tarifliche Anforderung der fachlichen Führungsaufgaben für Mitarbeiter und stütze deshalb das Eingruppierungsbegehren nicht mehr auf den Obersatz.

34III. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:240816.U.4AZR251.15.0

Fundstelle(n):
BB 2016 S. 2867 Nr. 47
WAAAF-86158