BGH Beschluss v. - VIII ZB 55/15

Instanzenzug:

Gründe

11. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Annahme des Berufungsgerichts, die Berufung sei im Hinblick auf die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unzulässig, verletzt den Kläger in seinem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes. Dieses Verfahrensgrundrecht verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom - VIII ZB 62/10, WuM 2011, 177 Rn. 3; vom - VIII ZB 13/13, NJW-RR 2014, 179 Rn. 8; vom - VIII ZB 4/16, [...] Rn. 3; jeweils mwN).

22. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Berufung des Klägers kann mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht als unzulässig verworfen werden, denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes der Berufung die Wertgrenze von 600 Euro (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

3a) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass sich der Wert der Beschwer des Rechtsmittelführers nach einer einseitigen Erledigungserklärung in aller Regel - und so auch hier - nach der Summe der bis zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung entstandenen Kosten richtet (BGH, Beschlüsse vom - V ZA 23/14, [...] Rn. 2 mwN; vom - V ZR 224/14, NJW 2015, 3173 Rn. 3; st. Rspr.). An die Stelle des Sachinteresses tritt für beide Parteien das Kosteninteresse (BGH, Beschlüsse vom - V ZA 23/14, aaO; vom - V ZR 224/15, aaO).

4b) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, das für die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgebliche Kosteninteresse belaufe sich auf nicht mehr als 600 €, weil die in erster Instanz entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten nach einem Gebührenstreitwert in Höhe von (nur) 911,04 € zu berechnen seien.

5aa) Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, ist der Antrag des Klägers schon nicht allein auf die Feststellung eines Zurückbehaltungsrechts wegen Mängeln der Wohnung gerichtet. Vielmehr ist der erstinstanzliche Antrag des Klägers vorrangig als Antrag auf Feststellung zu verstehen, die monatliche Miete sei bis zur Beseitigung der im Einzelnen benannten Mängel um 75,92 € gemindert.

6Die Auslegung von Prozesshandlungen, welche das Rechtsbeschwerdegericht selbst vornehmen kann (st. Rspr.; vgl. etwa , NJW 1996, 1962 unter III 1 a; vom - VI ZR 325/95, NJW-RR 1996, 1210 unter II 2; jeweils mwN; Beschluss vom - VII ZB 9/13, NJW 2014, 2732 Rn. 11), orientiert sich an dem Grundsatz, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der Prozesspartei entspricht, wobei diese nicht unter allen Umständen am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl festzuhalten ist (st. Rspr.; vgl. nur , BGHZ 146, 298, 310; vom - VI ZR 257/08, NJW 2010, 3779 Rn. 4; Beschluss vom - XI ZB 8/12, [...] Rn. 8; jeweils mwN).

7Danach begehrt der Kläger primär die Feststellung einer Mietminderung und macht die Feststellung eines Zurückbehaltungsrechts gemäß § 320 Abs. 1 BGB lediglich darüber hinaus geltend, soweit die Miete nicht bereits kraft Gesetzes um den von ihm einbehaltenen Betrag von monatlich 75,92 € gemindert ist (zu dieser Möglichkeit vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 19/14, BGHZ 206, 1, Rn. 49 mwN). Das ergibt sich bereits daraus, dass er zur Begründung seines Antrags in der Klageschrift vorgetragen hat, er habe die Beklagten vorprozessual ohne Erfolg auf ein Minderungs- und Zurückbehaltungsrecht hingewiesen. In dem hierzu von ihm vorgelegten vorprozessualen Schreiben vom heißt es zudem ausdrücklich, es werde "sowohl ein Minderungs- als auch ein Zurückbehaltungsrecht" bis zur Höhe von 75,92 € geltend gemacht. Darüber hinaus hat der Kläger mit Schriftsatz vom betont, er habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass er "zu einer Mietminderung berechtigt" sei.

8Demgegenüber bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte für die Annahme, dem Kläger wäre nur an der Feststellung eines Rechts zur (vorübergehenden) Leistungsverweigerung im Sinne des § 320 Abs. 1 BGB gelegen, ohne dass es ihm auf den endgültigen (teilweisen) Entfall seiner Leistungspflicht gemäß § 536 Abs. 1 BGB aufgrund der geltend gemachten Mängel ankäme.

9bb) Der Gebührenstreitwert des Antrags eines Mieters auf Feststellung, die Miete sei gemindert, ist - wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat - gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der geltend gemachten Mietminderung zu bemessen (Senatsbeschluss vom - VIII ZR 43/15, unter II 1 b, zur Veröffentlichung vorgesehen). Entgegen einer teilweise in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht, auf die auch das Berufungsgericht in einer Hilfserwägung abgestellt hat (vgl. die Nachweise im vorgenannten Senatsbeschluss unter II 1 a), scheidet eine analoge Anwendung des § 41 Abs. 5 GKG aus, da eine planwidrige Regelungslücke nicht vorliegt (Senatsbeschluss vom - VIII ZR 43/15, unter II 1 b bb, zur Veröffentlichung bestimmt). Danach beträgt der Gebührenstreitwert der ersten Instanz hier 3.188,64 €, denn der Kläger macht eine monatliche Minderung der Miete um 75,92 € geltend.

10Dementsprechend liegt das Kosteninteresse bei mehr als 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), denn es sind - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht - Gerichts- und Anwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 944,58 € entstanden, nämlich Gerichtsgebühren in Höhe von 381 € (KV GKG Nr. 1210) sowie Anwaltskosten für den allein anwaltlich vertretenen Kläger in Höhe von insgesamt 563,58 € (1,3 Verfahrensgebühr gemäß VV RVG Nr. 3100 in Höhe von 327,60 €; 0,5 Terminsgebühr gemäß VV RVG Nr. 3105, 3104 in Höhe von 126 €; Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß VV RVG Nr. 7002 in Höhe von 20 €; Umsatzsteuer gemäß VV RVG Nr. 7008 in Höhe von 89,98 €).

Fundstelle(n):
GAAAF-83084