BFH Urteil v. - IV R 29/13

Gewerblicher Verlustvortrag der Untergesellschaft geht bei Verschmelzung der Ober- auf die Unterpersonengesellschaft unter

Leitsatz

Wird die Oberpersonengesellschaft auf die Untergesellschaft verschmolzen, geht der gewerbliche Verlustvortrag der Untergesellschaft in dem Umfang unter, in dem er anteilig auf die Oberpersonengesellschaft als Trägerin des Verlustabzugs entfiel.

Gesetze: GewStG § 10a, UmwStG § 24, UmwStG § 20 Abs. 8, UmwG § 17 Abs. 2

Instanzenzug: ,

Tatbestand

1 I. Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH & Co. KG, ist die A-GmbH, Kommanditistin war zunächst die A-KG. Komplementärin der A-KG war die D-GmbH, Kommanditisten waren B und C. Am Ertrag und Vermögen der Klägerin war alleine die A-KG und an deren Ertrag und Vermögen waren nur B und C beteiligt.

2 Mit Wirkung zum schied C gegen ein Abfindungsguthaben aus der A-KG aus; sein Anteil wuchs B zu. Dieser veräußerte mit Wirkung zum sämtliche Kommanditanteile an der A-KG an die E-GmbH. Durch Vertrag vom wurde die A-KG auf die Klägerin verschmolzen. Nach Ziff. III. des Verschmelzungsvertrags lag der Verschmelzung die Bilanz der übertragenden Gesellschaft zum zugrunde; die Übernahme erfolgte im Innenverhältnis mit Wirkung zum ; von diesem Zeitpunkt an sollten alle Handlungen und Geschäfte der übertragenden Gesellschaft als für Rechnung der aufnehmenden Gesellschaft vorgenommen gelten. Die Verschmelzung wurde im September 2002 in die Handelsregister für die A-KG und die Klägerin eingetragen. Alleinige Kommanditistin der Klägerin wurde die E-GmbH. Die bisherige Komplementärin der A-KG, die D-GmbH, wurde neben der A-GmbH Komplementärin der Klägerin und ist, ebenso wie diese, am Vermögen und am Ertrag der Klägerin nicht beteiligt.

3 Für die Jahre 2000 bis 2003 legte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) zunächst die von der Klägerin erklärten Gewerbeverluste zugrunde und stellte dementsprechend auf den 31. Dezember der Jahre 2000 bis 2003 jeweils einen vortragsfähigen Gewerbeverlust fest. Alle Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

4 Nach einer Betriebsprüfung stellte das FA mit bestandskräftigem Bescheid den vortragsfähigen Gewerbeverlust der Klägerin auf den in Höhe von . DM fest. Für 2001 errechnete es einen Gewerbeverlust der Klägerin in Höhe von . DM. Für 2002 gelangte es erstmals zu einem (positiven) Gewerbeertrag, und für 2003 legte es einen Gewerbeertrag in Höhe von 0 € zugrunde. Nach Ansicht des FA stand der Klägerin auf den ein vortragsfähiger Gewerbeverlust allerdings nicht mehr zu. Durch die Verschmelzung der A-KG auf die Klägerin fehle die Unternehmeridentität, die für die Inanspruchnahme des Gewerbeverlustes erforderlich sei. Da sich bei dieser Betrachtung keine Gewerbeverluste ergaben, lehnte das FA die Durchführung von gesonderten Verlustfeststellungen nach § 10a des Gewerbesteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (GewStG) auf den durch Bescheid vom . 2006 und durch Bescheide vom . 2006 auf den 31. Dezember der Jahre 2002 und 2003 ab. Die dagegen gerichteten Einsprüche der Klägerin wies es durch Einspruchsentscheidungen vom . 2007 zurück.

5 Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab.

6 Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision macht die Klägerin die Verletzung des § 10a GewStG geltend.

7 Sie beantragt,

das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidungen vom . 2007 aufzuheben und die Bescheide über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den vom . 2006, auf den und auf den , jeweils vom . 2006, dahin zu ändern, dass auf den ein vortragsfähiger Gewerbeverlust in Höhe von 5.... DM festgestellt und bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den und 2003 entsprechend berücksichtigt wird.

8 Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Gründe

9 II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Die angegriffenen Bescheide, mit denen das FA die Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlustes jeweils auf den 31. Dezember der Jahre 2001 bis 2003 abgelehnt hat, sind rechtmäßig. Zu Recht sind FA und FG davon ausgegangen, dass die verschmelzungsbedingte Beendigung der A-KG dazu geführt hat, dass für die Klägerin schon zum kein vortragsfähiger Gewerbeverlust mehr festgestellt werden kann.

10 1. Gemäß § 10a Satz 1 GewStG wird der maßgebende Gewerbeertrag um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. Nach § 10a Satz 2 GewStG ist die Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge auf das Ende des Erhebungszeitraums gesondert festzustellen. Das setzt voraus, dass zu diesem Zeitpunkt ein entsprechender vortragsfähiger Gewerbeverlust noch besteht. Bei einer Personengesellschaft ist das u.a. dann nicht mehr der Fall, wenn der vortragsfähige Gewerbeverlust entfallen ist, weil der Träger des Verlustabzugs aus der Gesellschaft ausgeschieden oder erloschen ist.

11 a) Bei einer Personengesellschaft sind die Gesellschafter, die unternehmerisches Risiko tragen und unternehmerische Initiative ausüben können, die (Mit-)Unternehmer des Betriebs (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung —EStG—). Als Mitunternehmer einer gewerblichen Personengesellschaft erzielen sie auf der Grundlage ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbindung nicht nur —strukturell gleich einem Einzelunternehmer— in eigener Person gewerbliche Einkünfte; vielmehr sind sie auch gewerbesteuerrechtlich Träger des Verlustabzugs und deshalb sachlich gewerbesteuerpflichtig (vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs —BFH— vom GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, zu C.III.6.a und b und C.III.9.; , BFHE 224, 364). Die zunächst von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur mitunternehmerbezogenen Verlustverrechnung hat der Gesetzgeber mit den durch das Jahressteuergesetz 2007 vom (BGBl I 2006, 2878) in § 10a GewStG eingefügten Sätzen 4 und 5 bestätigt (, BFHE 234, 353, BStBl II 2011, 903, Rz 13).

12 b) Folge der mitunternehmerbezogenen Verlustverrechnung ist, dass beim Ausscheiden eines Mitunternehmers der Verlustabzug gemäß § 10a GewStG verlorengeht, soweit der Fehlbetrag anteilig auf den ausgeschiedenen Mitunternehmer entfällt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 234, 353, BStBl II 2011, 903, Rz 13, und vom IV R 3/09, BFHE 239, 130, BStBl II 2013, 176, Rz 15). Der Verlustabzug entfällt selbst dann, wenn die Beteiligung eines Gesellschafters nur kurzfristig dadurch unterbrochen wird, dass er seinen Gesellschaftsanteil auf eine Schwestergesellschaft überträgt, der eine „logische Sekunde” später das Vermögen der Ursprungsgesellschaft anwächst (BFH-Urteil in BFHE 239, 130, BStBl II 2013, 176).

13 Im Falle sog. doppelstöckiger Personengesellschaften (Oberpersonengesellschaft hält Anteil an Unterpersonengesellschaft) ist die Oberpersonengesellschaft nicht nur Gesellschafterin, sondern unter der Voraussetzung auch Mitunternehmerin der Unterpersonengesellschaft und damit Trägerin des Verlustabzugs, dass sie an letzterer Gesellschaft mitunternehmerisch beteiligt ist, also selbst die allgemeinen Merkmale des Mitunternehmerbegriffs erfüllt (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, unter C.III.6.a cc). Dies hat einerseits zur Folge, dass ein Wechsel im Kreis der Gesellschafter der Oberpersonengesellschaft die Unternehmeridentität bezüglich der Unterpersonengesellschaft unberührt lässt. Andererseits ergibt sich daraus, dass der Verlustabzug nach § 10a GewStG selbst dann (anteilig) entfällt, wenn der Gesellschafter der Oberpersonengesellschaft infolge Untergangs der Oberpersonengesellschaft durch Anteilsvereinigung zum unmittelbaren Gesellschafter der bisherigen Unterpersonengesellschaft wird ().

14 Dahinstehen kann, ob —wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat— und ggf. in welchem Umfang vor Inkrafttreten des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG Abweichendes gilt, wenn es sich bei der Oberpersonengesellschaft um eine vermögensverwaltende Personengesellschaft handelt. Denn nach den bindenden Feststellungen des FG (unter II.2.a der Gründe) waren (auch) für die A-KG Gewerbeverluste festgestellt, d.h. (auch) sie hat gewerbliche Einkünfte erzielt und unterlag daher unabhängig davon, ob sie originär gewerbliche Einkünfte oder solche kraft gewerblicher Prägung erzielt hat, der Gewerbesteuer (vgl. z.B. , BFHE 204, 471, BStBl II 2004, 464, und vom IV R 36/10, BFHE 238, 429, BStBl II 2013, 498).

15 2. Ausgehend von diesen Grundsätzen sind FA und FG zu Recht davon ausgegangen, dass für die Klägerin in den Streitjahren 2001 bis 2003 keine gesonderten Feststellungen nach § 10a GewStG durchzuführen waren. Die angegriffenen Bescheide, mit denen das FA unter entsprechender Änderung der bisherigen Feststellungen eines vortragsfähigen Gewerbeverlustes für den 31. Dezember der Jahre 2001 bis 2003 die Durchführung einer gesonderten Feststellung nach § 10a GewStG abgelehnt hat, sind danach rechtmäßig.

16 a) Bestandskräftig festgestellt war für die Klägerin auf den ein vortragsfähiger Gewerbeverlust in Höhe von . DM. Trägerin dieses Verlustabzugs war die A-KG als vermögensmäßig allein beteiligte Mitunternehmerin der Klägerin während der Entstehung dieses Verlustes.

17 b) Für 2001 hatte das FA für die Klägerin zudem einen Gewerbeverlust in Höhe von . DM ermittelt. Der Verlust der Klägerin hatte sich damit zum grundsätzlich auf 5.... DM erhöht. Während der Verlustentstehung im Jahr 2001 war noch die A-KG Mitunternehmerin der Klägerin, so dass sie grundsätzlich auch Trägerin dieses Verlustes war. Infolge der Verschmelzung der A-KG auf die Klägerin ist die A-KG allerdings mit Ablauf des erloschen und der (in vollem Umfang) auf sie entfallende Verlustabzug der Klägerin damit entfallen. Zum war danach für die Klägerin kein vortragsfähiger Gewerbeverlust mehr festzustellen.

18 aa) Nach dem Verschmelzungsvertrag vom erfolgte die Verschmelzung der A-KG auf die Klägerin nach § 2 Nr. 1, §§ 4 ff., §§ 39 ff. des Umwandlungsgesetzes in der in diesem Jahr geltenden Fassung (UmwG) unter Auflösung ohne Abwicklung im Wege der Aufnahme durch Übertragung des Vermögens der A-KG als Ganzes auf die Klägerin gegen Gewährung von Anteilen an der Klägerin an die Gesellschafter der A-KG. Handelsrechtlich ging danach mit der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister der Klägerin als der übernehmenden Gesellschaft das Vermögen der A-KG auf die Klägerin über (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG), erlosch die A-KG (Nr. 2) und wurden die Gesellschafter der A-KG Gesellschafter der Klägerin (Nr. 3).

19 bb) Steuerrechtlich gilt die Verschmelzung einer Personenhandelsgesellschaft auf eine andere Personenhandelsgesellschaft als Einbringung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kraft Anteilsvereinigung nach § 24 des Umwandlungssteuergesetzes in der im Jahr der Verschmelzung (2002) geltenden Fassung —UmwStG— (vgl. , und /98, BStBl I 1998, 268, Tz. 24.01 Buchst. e).

20 Nach § 24 Abs. 4 i.V.m. § 20 Abs. 8 UmwStG darf im Fall einer Einbringung in eine Personengesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als steuerlicher Übertragungsstichtag der Stichtag angesehen werden, für den die Schlussbilanz des übertragenden Unternehmens i.S. des § 17 Abs. 2 UmwG aufgestellt ist, sofern dieser Stichtag höchstens acht Monate vor der Anmeldung der Verschmelzung zur Eintragung in das Handelsregister liegt. Steuerlich wirkt damit die Verschmelzung auf den Stichtag der steuerlichen Übertragungsbilanz zurück.

21 cc) Im Streitfall lag der Verschmelzung nach Ziff. III. Abs. 1 des Verschmelzungsvertrags die Bilanz der A-KG als der übertragenden Gesellschaft zum zugrunde. Steuerlicher Übertragungsstichtag war danach der . Steuerrechtlich galt daher nach § 24 Abs. 4 i.V.m. § 20 Abs. 8 UmwStG, § 17 Abs. 2 UmwG das Vermögen der A-KG bereits als mit Ablauf dieses Stichtags auf die Klägerin übergegangen, die A-KG mit Ablauf dieses Tages infolge der Verschmelzung als erloschen und ihre vormaligen Gesellschafter als Gesellschafter der Klägerin.

22 dd) Mit Ablauf des entfiel damit sowohl der auf den festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust der Klägerin als auch der für sie im Streitjahr 2001 ermittelte Gewerbeverlust. Denn da nur die A-KG vermögensmäßig als Mitunternehmerin während der Entstehung dieses Verlustes an der Klägerin beteiligt war, war nur sie Trägerin dieses Verlustabzugs. Da sie mit Ablauf des nicht mehr Gesellschafterin und Mitunternehmerin der Klägerin war, war für diese auf den kein vortragsfähiger Gewerbeverlust mehr festzustellen.

23 c) Da die Klägerin weder im Jahr 2002 noch im Jahr 2003 einen Gewerbeverlust erwirtschaftet hat, waren auch auf den 31. Dezember dieser Jahre keine gesonderten Feststellungen nach § 10a GewStG durchzuführen.

24 3. Die hiergegen gerichteten Einwände der Klägerin greifen nicht durch.

25 a) Dass die E-GmbH als Gesellschafterin und Mitunternehmerin der A-KG nach deren Verschmelzung auf die Klägerin Gesellschafterin und Mitunternehmerin der Klägerin wurde, macht sie nicht zum Träger des Verlustabzugs der Verluste, die die Klägerin bis zur Verschmelzung der A-KG erwirtschaftet hat. Denn nicht die E-GmbH, sondern allein die A-KG war während der Entstehung des Verlustes der Klägerin deren Mitunternehmerin und damit Trägerin des Verlustabzugs.

26 b) Abweichendes ergibt sich auch nicht aus den BFH-Urteilen vom VIII R 84/90 (BFHE 174, 233, BStBl II 1994, 764) und vom IV R 137/91 (BFHE 173, 547, BStBl II 1994, 477). Jene Fälle betrafen zwar jeweils eine Verschmelzung. Infolge der Verschmelzung erlosch dort aber —anders als im Streitfall— nicht der Träger des Verlustabzugs.

27 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2016 S. 1489 Nr. 10
BFH/PR 2013 S. 5 Nr. 12
GmbH-StB 2016 S. 292 Nr. 10
GmbHR 2016 S. 1111 Nr. 20
StuB-Bilanzreport Nr. 20/2016 S. 799
TAAAF-80560