BAG Urteil v. - 3 AZR 766/14

Anschlussberufung - eigenständige Beschwer - Rückzahlungsanspruch eines Trägerunternehmens gegen eine Gruppenunterstützungskasse

Gesetze: § 64 Abs 6 S 1 ArbGG, § 1b Abs 2 BetrAVG, § 1b Abs 4 BetrAVG, § 2 Abs 4 BetrAVG, § 667 BGB, § 675 Abs 1 BGB, § 812 Abs 1 BGB, § 524 ZPO, § 533 ZPO

Instanzenzug: ArbG Chemnitz Az: 8 Ca 2925/12 Teilurteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 1 Sa 176/14 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Deckungsmitteln, die die Klägerin an den Beklagten zu 1. (im Folgenden Beklagter) zur Durchführung der Altersversorgung für ihre geschäftsführenden Gesellschafter geleistet hat.

2Der Beklagte ist ein Zweckverein, der als Unterstützungskasse iSv. § 1b Abs. 4, § 2 Abs. 4 BetrAVG für seine Vereinsmitglieder die betriebliche Altersversorgung ihrer Beschäftigten durchführt. Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist ein vormaliges Trägerunternehmen des Beklagten.

3Die Klägerin schloss unter dem mit der B GmbH einen Vertrag zur Durchführung einer betrieblichen Altersversorgung zugunsten ihrer versorgungsberechtigten Beschäftigten J und F, ihre damaligen und heutigen Geschäftsführer und Gesellschafter, unter Einschaltung der L B e.V. (Beklagter zu 2.) und wurde Mitglied dieser Unterstützungskasse. Das auf die Klägerin entfallende segmentierte Kassenvermögen wurde zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt vom Beklagten zu 2. auf den Beklagten übertragen und die Klägerin wurde als Trägerunternehmen Mitglied des Beklagten.

4Die Satzung des Beklagten (im Folgenden Satzung) bestimmt auszugsweise:

5Die Klägerin zahlte an den Beklagten und den Beklagten zu 2. Deckungsmittel iHv. insgesamt 119.258,00 Euro, von denen 57.933,60 Euro auf den Geschäftsführer und Gesellschafter F und 61.324,40 Euro auf den Geschäftsführer und Gesellschafter J entfielen. Zum belief sich das segmentierte Deckungskapital auf noch 49.370,30 Euro.

6Mit Schreiben vom kündigte der Beklagte auf der Grundlage eines entsprechenden Vorstandsbeschlusses die Mitgliedschaft der Klägerin aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung. Am kündigte die Klägerin den Auftrag zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist. Sie widersprach gleichzeitig der außerordentlichen Kündigung des Beklagten, nahm jedoch gleichzeitig das in der fristlosen Kündigung des Beklagten gesehene Angebot einer einvernehmlichen Beendigung der Mitgliedschaft an und erklärte ihrerseits den sofortigen Vereinsaustritt.

7Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht vom Beklagten ua. die Auszahlung des am vorhandenen segmentierten Kassenvermögens an sich verlangt. Sie hat insoweit vorgetragen, sie habe aus dem gekündigten Auftragsverhältnis zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgungen einen Zahlungsanspruch in Höhe des zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch vorhandenen segmentierten Kassenvermögens iHv. 49.370,30 Euro. Dieser Anspruch ergebe sich aus ungerechtfertigter Bereicherung, denn mit dem Wegfall der Mitgliedschaft beim Beklagten sei der Rechtsgrund für die Dotierungsleistungen entfallen. Die Satzung des Beklagten stehe dem Rückzahlungsanspruch nicht entgegen. Die Satzung sehe nach der Beendigung der Mitgliedschaft ein Recht des Trägerunternehmens hinsichtlich der Verwendung der Dotierungsleistungen vor. Auf einen satzungsmäßigen Ausschluss der Rückzahlungsansprüche könne sich der Beklagte nach Treu und Glauben nicht berufen, denn er sei selbst nicht vertragstreu gewesen. Er habe in rechtswidriger Weise über die von der Klägerin aufgewendeten Dotierungsleistungen verfügt, wodurch ein enormer Wertverfall eingetreten sei. Ihre Mitgliedschaft im Beklagten habe spätestens am geendet.

8Die Klägerin hat erstinstanzlich - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

9Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, er sei ein steuerbegünstigter Zweckverein und dürfe sein Kassenvermögen nur in steuerbegünstigter Form weiterverwenden. Dies ergebe sich aus seiner Satzung. Eine Auszahlung an die Klägerin sei demnach ausgeschlossen. Zudem betrage das segmentierte Kassenvermögen zum nur noch 44.583,00 Euro.

10Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag mit Teilurteil vom entsprochen. Dagegen hat der Beklagte Berufung eingelegt und die Klägerin mit ihrer Berufungsbeantwortung die Klage um den Hilfsantrag erweitert,

11Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten das arbeitsgerichtliche Teilurteil abgeändert, die Klage hinsichtlich des ursprünglichen Hauptantrags auf Zahlung an die Klägerin abgewiesen und auf die Anschlussberufung den Beklagten im Wesentlichen entsprechend dem Hilfsantrag verurteilt, jedoch Zinsen erst ab dem zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision für beide Parteien zugelassen. Der Beklagte erstrebt mit seiner Revision die vollständige Abweisung des Hilfsantrags. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Revision. Sie hat wegen der Abweisung ihres Hauptantrags selbst weder Revision eingelegt noch sich der Revision des Beklagten angeschlossen.

Gründe

12Die Revision des Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht der - dem Senat einzig zur Entscheidung anfallende - mit dem Hilfsantrag verfolgte und vom Landesarbeitsgericht zuerkannte Anspruch auf Auszahlung des auf die Klägerin entfallenden segmentierten Kassenvermögens zugunsten einer Rückdeckungsversicherung nicht zu.

13I. Die Revision ist nicht schon deshalb begründet, weil das Landesarbeitsgericht über den mit der Anschlussberufung angebrachten Hilfsantrag zu Unrecht in der Sache entschieden hat.

141. Entgegen der Auffassung der Revision erfordert die Anschlussberufung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. statt vieler  - Rn. 18; - 2 AZR 124/11 - Rn. 11; - 3 AZR 728/07 - Rn. 11; - 4 AZR 693/92 - zu A I 1 der Gründe, BAGE 74, 268) und der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ( - Rn. 9 f.) keine eigenständige Beschwer. Die mit dem Hauptantrag erstinstanzlich obsiegende Klägerin konnte deshalb mit der Anschlussberufung den Hilfsantrag zur Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellen, obschon sie durch das Teilurteil des Arbeitsgerichts nicht beschwert war.

152. Die Anschlussberufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht innerhalb der verlängerten Frist zur Beantwortung der Berufung eingelegt worden, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

16II. Die Revision hat auch nicht deshalb Erfolg, weil die von der Klägerin mit der Anschlussberufung vorgenommene Klageänderung vom Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft als sachdienlich angesehen wurde. Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzung einer zulässigen Klageänderung in der Berufungsinstanz nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 533 ZPO bejaht und über den geänderten Antrag der Klägerin sachlich entschieden. Dies ist in der Revisionsinstanz nicht mehr zu überprüfen (vgl. statt vieler  - Rn. 20 mwN, BAGE 148, 299; - 3 AZR 674/07 - Rn. 15 mwN;  - Rn. 9).

17III. Die Revision ist jedoch deshalb begründet, weil ein Anspruch der Klägerin auf Auskehrung des segmentierten Kassenvermögens an eine Rückdeckungsversicherung nicht besteht.

181. Ein Anspruch auf Auszahlung des segmentierten Kassenvermögens an eine Rückdeckungsversicherung folgt nicht aus dem Umstand, dass das Mitgliedschaftsverhältnis der Klägerin zum Beklagten beendet ist.

19a) Der Anspruch ergibt sich nicht aus der Satzung des Beklagten. Diese lässt eine Auszahlung des segmentierten Kassenvermögens lediglich zu Gunsten eines anderen mittelbaren Durchführungswegs der betrieblichen Altersversorgung (Unterstützungskasse, Pensionskasse oder Direktversicherung) zu. Dies ergibt ihre Auslegung. Bei der von der Klägerin bei der A AG eingerichteten Rückdeckungsversicherung handelt es sich nicht um einen Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung.

20aa) Die Satzung des Beklagten ist nach objektiven Gesichtspunkten aus sich heraus auszulegen und die Auslegung des Berufungsgerichts unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung (vgl.  - Rn. 14 mwN, BGHZ 202, 202; - II ZB 8/10 - Rn. 17).

21bb) Für den Fall des Ausscheidens eines Trägerunternehmens aus dem Beklagten bestimmt § 4 Abs. 2 Satzung, dass die auf dem für dieses Trägerunternehmen geführten Konto eingebrachten Finanzierungsmittel mit ihrem dann vorhandenen Wert (§ 11 Abs. 3 Satzung) zur Verfügung stehen und entsprechend § 18 Satzung verteilt werden. Nach § 18 Abs. 1 Satzung steht es dem Verein frei, die Unterstützungskasse unter Wahrung der steuerlichen Vorschriften in eine andere Rechtsform derselben Zweckbestimmung oder in eine steuerfreie Pensionskasse zu überführen. Auch eine Ausgliederung von entsprechenden Teilen des Vereinsvermögens zur Gründung und Ausgestaltung einer steuerfreien Pensionskasse oder einer anderen Unterstützungskasse ist zulässig. Ebenso kann das Vermögen ganz oder teilweise in Kapital- oder Rentenversicherungen für die Begünstigten angelegt werden. Darüber hinaus bestimmt § 18 Abs. 2 Satzung für den Fall der Auflösung der Unterstützungskasse, dass ihr Vermögen in Bezug auf die einzelnen Trägerunternehmen gemäß § 11 Abs. 3 Satzung zu ermitteln und alsdann - unbeschadet der Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 3 Satzung - im Benehmen mit dem jeweiligen Trägerunternehmen auf die gemäß § 2 Satzung Begünstigten zu verteilen oder zu ausschließlich gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dem Deutschen Roten Kreuz e.V. zuzuführen ist.

22cc) Die Satzung sieht damit für den Fall des Ausscheidens eines Trägerunternehmens vor, dass das vorhandene segmentierte Kassenvermögen in eine andere Unterstützungskasse oder einen anderen mittelbaren Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung eingebracht werden kann. § 18 Abs. 1 Satzung zählt dabei die im Jahr 2001 vorhandenen mittelbaren Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung auf, und zwar die Unterstützungskasse, die Pensionskasse und die Direktversicherung in Form von Kapital- oder Rentenversicherungen. Die Satzung sieht damit lediglich eine begrenzte Möglichkeit der Verwendung des Kassenvermögens zu Gunsten der in § 18 Abs. 2 Satzung unter Bezugnahme auf § 2 Satzung genannten Begünstigten vor. Sie begrenzt die Möglichkeiten der Auskehrung des Kassenvermögens auf die Einbringung in einen anderen mittelbaren Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung. Dies deckt sich auch mit dem Zweck des Beklagten nach § 2 Abs. 3 Satzung, der unabänderlich in der Führung einer Unterstützungskasse liegt. Das entspricht auch § 11 Abs. 1 Satzung, der die ausschließliche Verwendung der Einkünfte und des Vermögens der Unterstützungskasse für die in § 2 Satzung geregelten Zwecke vorschreibt.

23dd) Danach erweist sich das Urteil des Landesarbeitsgerichts als rechtsfehlerhaft. Die in § 18 Abs. 1 Satzung bezeichneten Versicherungen sind nur die der betrieblichen Altersversorgung als mittelbarer Durchführungsweg dienenden Direktversicherungen iSv. § 1b Abs. 2 BetrAVG. Die von der Klägerin zu Gunsten ihrer beiden Geschäftsführer und Gesellschafter abgeschlossene Versicherung bei der A AG ist keine der in § 18 Abs. 1 Satzung genannten Kapital- oder Rentenversicherungen. Vielmehr handelt es sich nach dem Klageantrag und dem Vortrag der Klägerin um eine Rückdeckungsversicherung. Eine Rückdeckungsversicherung ist jedoch lediglich ein Finanzierungsinstrument des Arbeitgebers und kein mittelbarer Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung in Gestalt einer Direktversicherung (vgl. Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber BetrAVG 6. Aufl. § 1 Rn. 91).

24Es kann deshalb dahinstehen, ob dem Beklagten - wovon er ausgeht - zwischen den in der Satzung vorgesehenen Möglichkeiten ein - von ihm jedenfalls bislang nicht ausgeübtes - Wahlrecht zusteht oder ob im Falle der Beendigung der Mitgliedschaft dieses Wahlrecht dem Trägerunternehmen zusteht. Ebenso ist es nicht entscheidungserheblich, ob die Beschränkung der Auskehrung der Vermögenswerte auf andere mittelbare Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung - wie vom Beklagten behauptet - körperschaftssteuerrechtliche Hintergründe hat.

25b) Der Anspruch auf Auskehrung des segmentierten Kassenvermögens ergibt sich auch nicht aus dem Geschäftsbesorgungsrecht (§ 675 Abs. 1, § 667 BGB). Die Satzung enthält eine Regelung für die Auszahlung des Kassenvermögens, die nur die dort vorgesehenen Rückgewährmöglichkeiten zulässt und jedenfalls etwaigen Ansprüchen aus dem Geschäftsbesorgungsrecht vorgeht.

26c) Schließlich folgt der Anspruch auch nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB). Sollten sich überhaupt Ansprüche der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung ergeben, wären diese ausschließlich auf Zahlung an die Klägerin selbst, nicht aber an einen Dritten, wie die A AG, gerichtet. Ein solcher Anspruch ist jedoch im Revisionsverfahren alleiniger Streitgegenstand.

272. Der geltend gemachte Anspruch auf Auskehrung des segmentierten Kassenvermögens folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin über den Beklagten lediglich die Altersversorgung ihrer geschäftsführenden Gesellschafter durchführen wollte. Zwar spricht viel dafür, dass dies wegen § 12 Abs. 3 Satzung nicht möglich ist. Zudem ist problematisch, ob es sich bei einer Versorgungszusage an geschäftsführende Gesellschafter überhaupt um betriebliche Altersversorgung handelt, wie es § 2 Abs. 1 bis Abs. 3 Satzung als Voraussetzung für die Durchführung über den Beklagten „unabänderlich“ erfordert (vgl.  -). Sollten sich deshalb Ansprüche der Klägerin auf Auskehrung des segmentierten Kassenvermögens ergeben, wären diese ausschließlich auf Zahlung an die Klägerin, nicht aber auf Zahlung an die A AG gerichtet, die allein Gegenstand des Revisionsverfahrens sind. Es kann folglich dahinstehen, ob die rechtskräftige Abweisung des Hauptantrags auch den insoweit maßgeblichen Lebenssachverhalt erfasst.

28IV. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens und der Revision zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:190516.U.3AZR766.14.0

Fundstelle(n):
BB 2016 S. 1844 Nr. 31
DB 2016 S. 2003 Nr. 34
IAAAF-78537