Online-Nachricht - Mittwoch, 20.07.2016

Einkommensteuer | BVerfG lehnt Beschwerden bezüglich Altersvorsorgeaufwendungen ab

Die gesetzgeberische Qualifizierung von Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben und die vorgesehene höhenmäßige Beschränkung des Sonderausgabenabzugs sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit dieser Begründung hat das BVerfG zwei Verfassungsbeschwerden gegen die steuerliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen nicht zur Entscheidung angenommen ( und ; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Beschwerdeführerin im Verfahren 2 BvR 290/10 machte erfolglos den Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten steuermindernd geltend. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Der Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 323/10 ist als Steuerberater und vereidigter Buchprüfer nichtselbständig tätig. Er beantragte im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren beim zuständigen FA erfolglos, die von ihm zu leistenden Beiträge an das Wirtschaftsprüfer-Versorgungswerk als vorweggenommene Werbungskosten auf der Lohnsteuerkarte einzutragen. Einspruch und Klage blieben ebenfalls ohne Erfolg.

Hierzu führte das BVerfG weiter aus:

  • Der Gesetzgeber hat Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben qualifiziert (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG), woran er von Verfassungs wegen nicht gehindert ist. Der BFH weist zu Recht darauf hin, dass die an die gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgungseinrichtungen zu leistenden Beiträge ihrer materiellen Rechtsnatur nach nicht in vollem Umfang Werbungskosten des Beitragszahlers darstellen, da diese Aufwendungen neben ihrer Bestimmung zur Erzielung zukünftiger Einkünfte anders als üblicherweise vorweggenommene Werbungskosten zugleich vermögensbildende oder versicherungsspezifische Komponenten aufweisen.

  • Lediglich die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen sind so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird. Damit ist keine Aussage darüber verbunden, ob die Besteuerung von Altersbezügen vor- oder nachgelagert zu erfolgen hat. Das Verbot doppelter Besteuerung kann sowohl durch entsprechende Regelungen in der Aufbau- als auch in der Versorgungsphase gewahrt werden.

  • Die vorgesehene höhenmäßige Beschränkung des Sonderausgabenabzugs für Altersvorsorgeaufwendungen auf jährlich bis zu 20.000 € beziehungsweise 40.000 € (§ 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

  • Auch die Übergangsregelung des § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG steht mit verfassungsrechtlichen Anforderungen in Einklang. Sie sieht - beginnend ab dem Jahr 2005 - eine begrenzte und in den Folgejahren allmählich steigende prozentuale Berücksichtigung von Altersvorsorgeaufwendungen bis zu deren vollen Abzugsfähigkeit ab dem Jahr 2025 vor. Ungleichbehandlungen, die damit einhergehen, sind für die Übergangszeit - bis zur Grenze einer verbotenen Doppelbesteuerung - verfassungsrechtlich hinnehmbar.

  • Das BVerfG hat auch bei Abweichungen vom Prinzip der steuerlichen Leistungsfähigkeit nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat.

Quelle: BVerfG, Pressemitteilung Nr. 45/2016 v. (Sc)

Fundstelle(n):
NWB HAAAF-78306