Online-Nachricht - Mittwoch, 15.06.2016

Insolvenz-/Verfahrensrecht | Veranlagungswahlrecht des Insolvenzverwalters (FG)

Der Insolvenzverwalter darf für den Insolvenzschuldner das Wahlrecht zur getrennten Veranlagung ausüben (; Revision zugelassen).

Hintergrund: Gemäß § 80 Abs. 1 InsO geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Im vereinfachten Insolvenzverfahren übernimmt der Treuhänder die Aufgaben des Insolvenzverwalters (§ 313 Abs. 1 Satz 1 InsO a.F.).

Sachverhalt: Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin (Treuhänderin) über die Vermögen zweier Eheleute. Die Eheleute gaben für das Jahr der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Einkommensteuererklärung ab, die ausschließlich Lohneinkünfte enthielt und in der sie die Zusammenveranlagung beantragten. Das Finanzamt erließ daraufhin für Zeiträume nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber den Eheleuten entsprechende Einkommensteuerbescheide. Diese führten zu Nachzahlungsverpflichtungen, die für beide Eheleute jeweils unter 25 EUR lagen. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, mit der sie die Durchführung einer getrennten Veranlagung für die Eheleute beantragte. Hintergrund war, dass sich aus einer getrennten Veranlagung für die Ehefrau ein Erstattungsanspruch in Höhe von rund 2.800 EUR ergäbe. Das Finanzamt verwarf den Einspruch als unzulässig, weil der Einkommensteuerbescheid nur das insolvenzfreie Vermögen der Eheleute betreffe. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.

Hierzu führten die Richter des FG Münster weiter aus:

  • Das Finanzamt hat eine getrennte Veranlagung für die Insolvenzschuldner durchzuführen.

  • Die Klägerin ist als Treuhänderin der Ehefrau befugt, eine getrennte Veranlagung zu beantragen.

  • Dieses Wahlrecht gehört zu den Rechten eines Insolvenzverwalters, weil es sich um ein vermögensbezogenes und damit der Insolvenzmasse zuzuordnendes Recht handelt.

  • Zur Insolvenzmasse gehört das gesamte Vermögen des Insolvenzschuldners einschließlich des Vermögens, das er während des Verfahrens erlangt.

  • Lediglich nicht pfändbare Gegenstände sind ausgenommen.

  • Einkommensteuererstattungsansprüche sind jedoch auch dann pfändbar, wenn der Insolvenzschuldner ausschließlich pfändungsfreien Arbeitslohn bezogen hat.

  • Da die Klägerin als Partei kraft Amtes befugt ist, den Einspruch einzulegen, ist es unerheblich, dass der Bescheid ihr nicht bekannt gegeben worden ist.

  • Der Antrag auf getrennte Veranlagung ist auch nicht willkürlich oder rechtsmissbräuchlich, weil sich für die Ehefrau ein der Insolvenzmasse zuzuordnender Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt ergibt.

  • Aus diesem Grund ist auch kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten anzunehmen.

Quelle: FG Münster, Newsletter Juni 2016 (il)

Hinweis

Der Senat hat die Revision zum BFH zugelassen. Der Volltext des Urteils ist auf der Homepage des FG Münster veröffentlicht.

Fundstelle(n):
NWB VAAAF-75637