PiR Nr. 3 vom Seite 1

Evidenzbasierte Standardentwicklung

WP/StB Dr. Norbert Lüdenbach | Herausgeber | pir-redaktion@nwb.de

Auch wenn der Spruch von Sir David Tweedie aus dem Jahr 2008 in den letzten Wochen schon oft genug herhalten musste, hier noch einmal: „One of my great ambitions before I die is to fly in an aircraft that is on an airline's balance sheet.“ Mit dem neuen Leasingstandard IFRS 16 scheint dieses Ziel in greifbarer Nähe. Aber wem bringt die neue Leasingbilanzierung etwas? Können die Passagiere nun darauf hoffen, dass die Flugzeuge pünktlicher und sicherer fliegen? Werden unter Flugangst leidende Passagiere nun freudiger in die Maschinen steigen? Werden Tomatensaft und Unterhaltungsprogramm an Bord bekömmlicher sein? Können Investoren in Aktien von Fluggesellschaften ihre Risiken besser steuern? Werden die Airlines in umkämpften Märkten erfolgreicher operieren?

Angenommen, die Antwort auf all diese Fragen sei „Nein“, was hieße dies dann für die Vision von Sir Tweedie? Die Antwort mag jeder Leser für sich selbst treffen. Egal wie sie ausfallen wird, es gilt: Wenn Institutionen Probleme und Situationen als real definieren, sind sie real – in ihren Konsequenzen. Wer also – wie der Autor dieser Zeilen – sein Brot in der Rechnungslegung verdient, mag über die Bedeutung der Bilanzierung für das wahre Leben denken wie er will, er muss sich mit den neuen rechtlichen Gegebenheiten auseinandersetzen. Hierbei werden ihm die beiden Beiträge zu IFRS 16 von sowie wertvolle Hilfe leisten. Sie stellen mit unterschiedlichen Gewichtungen die Probleme der Anwendung der neuen Standards im Detail dar, naturgemäß nicht ohne nach Nutzen (und Kosten) der Neureglungen zu fragen.

Einen noch weiter in die Zukunft reichenden Blick auf die IFRS liefert , indem er kritisch die aktuellen Research Projekte des IASB darstellt und fragte, ob – so der Untertitel – „The Next Big Things“ am Horizont erkennbar werden. Das Fazit fällt gespalten aus: Das IASB-Programm einer stärker „evidenzbasierten“ Standardentwicklung ist, wie vergleichbare Programme in anderen Bereichen zeigen (etwa die schon viel länger propagierte Evidenzbasierung von Medizin oder Pädagogik), jedenfalls kein Allheilmittel. In der Realität haben Maßnahmen höchst unterschiedliche Wirkungen, beabsichtigte und unbeabsichtigte, gute und weniger gute, in allzu vielen Fällen uneindeutige. Gerade eine evidenzbasierte Standardentwicklung wird ohne Bescheidenheit bezüglich der Grenzen empirischer Erkenntnis im Allgemeinen und der begrenzten Bedeutung von bilanziellen Abbildungen für das wirkliche Leben im Besonderen daher nicht den Nutzen bringen, den sie verspricht.

Beste Grüße

Norbert Lüdenbach

Fundstelle(n):
PiR 3/2016 Seite 1
NWB KAAAF-68154