BGH Beschluss v. - 3 StR 478/15

Instanzenzug:

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 38 Fällen und gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in einem Fall zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt, eine Kompensationsentscheidung getroffen und den Verfall von Wertersatz angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die in allgemeiner Formerhobene Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den sich aus der Entscheidungsformel ergebenden Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:

"Der Schuldspruch bedarf indes der beantragten Klarstellung. Der Angeklagte hat im Fall 29 (UA S. 9) wegen des Verkaufs von 50 Gramm Marihuana, das bei einem THC-Gehalt von 9,5% (mithin 4,75 Gramm, vgl. UA S. 6, 18, 19) den Grenzwert zur nicht geringen Menge nicht erreicht, den Tatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG nicht - wie das Landgericht meint - wegen 'Abgabe', sondern wegen 'Handeltreibens' erfüllt. Denn ein 'Abgeben' i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG liegt nur vor, wenn die Übertragung der eigenen tatsächlichen Verfügungsgewalt an dem Betäubungsmittel ohne rechtsgeschäftliche Grundlage und ohne Gegenleistung an einen anderen erfolgt (Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 1089 m.w.N.). Hingegen erfüllt eine - wie hier gegebene - eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit den Begriff des Handeltreibens (vgl. BGHSt 50, 252, 256).

Bei der Neufassung des Schuldspruchs entfällt im Fall 29 zudem die Zusatzbezeichnung als 'gewerbsmäßig'. Zwar tragen die Feststellungen ein gewerbsmäßiges Handeltreiben i.S.d. § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BtMG. Doch handelt es sich bei § 29 Abs. 3 BtMG lediglich um Regelbeispiele, deren Benennung in der Urteilsformel unterbleibt (vgl. ; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 26 Rn. 82 m.w.N.).

Entfallen kann ferner die Bezeichnung des Handeltreibens als 'unerlaubt'. Dass es sich bei Straftaten nach dem BtMG um einen 'unerlaubten' Umgang mit Betäubungsmitteln handelt, versteht sich von selbst, weil das Handeln im Rahmen einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG aufgrund der gegebenen Verwaltungsakzessorietät die Strafbarkeit ausschließt. Es bedarf deshalb nicht der Tenorierung, auch wenn eine solche üblich und unschädlich ist (BGH aaO).

Die Strafrahmenwahl und die Strafzumessungserwägungen lassen Rechtsfehler gleichfalls nicht erkennen. Die verhängten Einzelstrafen halten sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.

Indes erweist sich der Ausspruch über die Gesamtstrafe als rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht davon abgesehen hat, die mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom verhängte, zur Bewährung ausgesetzte und noch nicht erledigte Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten mit in die Gesamtstrafenbildung einzubeziehen, obgleich die im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Taten vor jenem Urteil begangen wurden. Liegen - wie hier - die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB vor, steht eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nicht im Ermessen des Tatrichters. Sie ist vielmehr zwingend vorzunehmen. Die auf UA S. 23 zur Begründung angeführten Gesichtspunkte gestatten daher ein Absehen von der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nicht. Durch § 55 StGB soll der Angeklagte so gestellt werden, als wären alle Taten bereits in dem früheren Urteil vom gemeinsam geahndet worden. Er darf einerseits dadurch, dass seine Taten in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, nicht benachteiligt werden; andererseits soll er auf diese Weise aber auch nicht bevorzugt werden. In die nachträgliche Gesamtstrafe sind auch solche Strafen einzubeziehen, die zur Bewährung ausgesetzt sind. Dieser Fall und seine Folgen sind in § 58 Abs. 2 StGB ausdrücklich geregelt. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO verbietet nicht, die vom Tatrichter versäumte Einbeziehung einer Strafe in eine Gesamtstrafe anzuordnen, selbst wenn dadurch die Strafaussetzung entfällt (BGH NStZ-RR 1997, 228 f.).

Der vorbezeichnete Rechtsfehler zwingt jedoch nicht zur Zurückverweisung der Sache gemäß § 354 Abs. 2 S. 1 StPO. Die neu zu treffende Entscheidung über die Gesamtstrafe kann gemäß § 354 Abs. 1b S. 1 StPO dem Beschlussverfahren nach den §§ 460, 462 StPO überlassen werden. Die Kompensationsentscheidung, die keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lässt, wird von der Aufhebung des Urteils im Ausspruch über die Gesamtstrafe nicht berührt (vgl. BGHSt 54, 135). Gleiches gilt für die im Ergebnis ebenfalls rechtsfehlerfreie Anordnung des Verfalls von Wertersatz."

3Dem stimmt der Senat zu. Der Schuldspruchberichtigung bezüglich der Tat 29 (A. II. 8. der Urteilsgründe) steht § 265 StPO nicht entgegen, da diese bereits als (tateinheitlich begangenes) Handeltreiben mit Betäubungsmittel angeklagt worden ist. Die Kostenentscheidung bleibt dem Verfahren nach den §§ 460, 462 StPO vorbehalten.

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Fundstelle(n):
YAAAF-66619