Online-Nachricht - Donnerstag, 19.11.2009

Fluggastrechteverordnung | Verspäteter Flug kann Ausgleichsanspruch auslösen (EuGH)

Wenn Fluggästen ihr Endziel frühestens drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit erreichen, können sie ebenso wie die Fluggäste annullierter Flüge von der Fluggesellschaft eine pauschale Ausgleichszahlung verlangen, es sei denn, die Verspätung geht auf außergewöhnliche Umstände zurück (EuGH, Urteil in den verbundenen Rs. C 402/07 und C 432/07, Sturgeon / Condor Flugdienst GmbH und Böck u. a. / Air France SA).


Hintergrund: In dem o.g. Urteil präzisiert der Gerichtshof die Ansprüche, die Fluggästen eines verspäteten Fluges nach der Gemeinschaftsverordnung über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste  gegen die Fluggesellschaft (Fluggastrechteverordnung EG Nr. 261/2004) zustehen. Diese Verordnung sieht vor, dass Fluggäste bei Annullierung eines Fluges eine pauschale Ausgleichszahlung in Höhe von 250 bis 600 € erhalten können. Dagegen sieht die Verordnung nicht ausdrücklich vor, dass ein solcher Anspruch auch den Fluggästen verspäteter Flüge zusteht. Mit dem o.g. Urteil antwortet der Gerichtshof auf mehrere Fragen, die ihm vom BGH (Deutschland) und vom Handelsgericht Wien (Österreich) vorgelegt worden sind. Diese nationalen Gerichte haben über Klagen zu entscheiden, mit denen Fluggäste von Condor und Air France die in der Verordnung für den Fall der Annullierung eines Fluges vorgesehene Ausgleichszahlung beanspruchen, weil sie von diesen Gesellschaften zu ihrem jeweiligen Zielflughafen mit einer Verspätung von 25 bzw. 22 Stunden gegenüber der vorgesehenen Ankunftszeit befördert wurden.

Hierzu führt der EuGH aus: Die Dauer der Verspätung, auch wenn es sich um eine große Verspätung handelt, reicht nicht aus, um einen Flug als annulliert anzusehen. Ein verspäteter Flug kann unabhängig von der Dauer der Verspätung nicht als annulliert angesehen werden, wenn - von der Abflugzeit abgesehen - alle anderen Elemente des Fluges, insbesondere die Flugroute, unverändert so bleiben, wie sie ursprünglich geplant waren. Fluggäste, die von einer Verspätung betroffen sind, erleiden jedoch einen ähnlichen Schaden in Form eines Zeitverlusts und befinden sich somit in einer vergleichbaren Lage. Denn die Fluggäste eines kurzfristig annullierten Fluges haben selbst dann einen Ausgleichsanspruch, wenn sie von der Fluggesellschaft mit einem anderen Flug befördert werden, soweit sie gegenüber der ursprünglich angesetzten Dauer einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden. Es wäre daher nicht gerechtfertigt, die Fluggäste verspäteter Flüge anders zu behandeln, wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen.

Anmerkung: Der Gerichtshof wies des Weiteren drauf hin, dass eine Verspätung dann nicht zu einem Ausgleichsanspruch führt, wenn die Fluggesellschaft nachweisen kann, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die von ihr tatsächlich nicht zu beherrschen sind und sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Dazu stellt der Gerichtshof fest, dass ein bei einem Flugzeug aufgetretenes technisches Problem nicht als außergewöhnlicher Umstand angesehen werden kann, es sei denn, das Problem geht auf Vorkommnisse zurück, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der betroffenen Fluggesellschaft sind und von ihr tatsächlich nicht zu beherrschen sind.

Quelle: EuGH, Datei öffnen

Hinweis: Reisende in der Europäischen Union können seit dem Rechte gegenüber den Fluggesellschaften geltend machen u.a. in den Fällen der Nichtbeförderung, Annullierung  und Verspätung von Flugreisen. Je nach Schwere der Situation werden pauschale Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen fällig. Weitere Informationen zur Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und zu den Rechten der betroffenen Fluggäste sind auf den Internetseiten des Luftfahrt-Bundesamtes zu finden.

 

Fundstelle(n):
NWB NAAAF-46020