BGH Beschluss v. - IV ZR 136/14

Instanzenzug:

Gründe

1I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Diese wurde aufgrund eines Antrags des Ehemanns d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Oktober 2004 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. In der Folge zahlte er zunächst die Versicherungsprämien. Wenige Monate später übertrug er seine Rechtsstellung als Versicherungsnehmer auf seine Ehefrau, die Klägerin, die in der Folge die Prämien zahlte. Mit Schreiben vom Oktober 2011 erklärte d. VN die Kündigung und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom Juli 2012 erklärte sie den Widerspruch nach § 5a VVG. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt sowohl der Ehemann d. VN als auch nachfolgend d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.

2Mit der Klage verlangt d. VN - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts .

3Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.

4II. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Sie und ihr Ehemann seien ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. belehrt worden und der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.

5Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren hinsichtlich des Bereicherungsanspruchs weiter.

6III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

71. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, da es meinte, es sei eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob das Policenmodell als solches europarechtskonform ist. Diese Frage stellt sich hier jedoch nicht.

8a) Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt zunächst der Ehemann der VN und dann sie mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine schriftliche Widerspruchsbelehrung.

9Die Revision beanstandet ohne Erfolg, die Widerspruchsbelehrung im ursprünglichen Versicherungsschein sei drucktechnisch nicht deutlich. Diese befindet sich am Ende auf Seite 2 des Versicherungsscheins im Fettdruck. Sie ist die einzige längere Textpassage im Versicherungsschein, die drucktechnisch derart hervorgehoben ist; sie ist deutlich sichtbar. Dasselbe gilt - anders als die Revision meint - auch für die d. VN selbst bei Übernahme des Vertrages erteilte Belehrung.

10Entgegen der Ansicht der Revision fehlt auch nicht die Angabe, an welche Anschrift der Widerspruch zu richten ist. Abgesehen davon, dass § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. diese Angabe nicht verlangt, befindet sich die Anschrift des Widerspruchsadressaten jeweils unterhalb der Widerspruchsbelehrung als Fußzeile des Versicherungsscheins auf Seite 2.

11Die Revision beanstandet weiter ohne Erfolg, der Versicherer habe d. VN nicht ordnungsgemäß über den Beginn der Widerspruchsfrist belehrt. Soweit der zweite Satz der jeweiligen Belehrung darauf abstellt, dass der Lauf der Widerspruchsfrist beginnt, "... wenn Ihnen die o.g. Unterlagen ... vollständig vorliegen", ist dies in § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. so vorgesehen. Diese Formulierung kann entgegen der Ansicht der Revision nicht den unzutreffenden Eindruck vermitteln, der Tag des Zugangs zähle entgegen § 187 Abs. 1 BGB mit. Ohne dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer diese Vorschrift und die damit korrespondierende Bestimmung des § 188 Abs. 1 BGB kennen muss, wird er nach seinem maßgeblichen Empfängerhorizont die Belehrung so verstehen, dass die Frist durch den Zugang der genannten Unterlagen in Gang gesetzt wird und 14 bzw. 30 Tage später am gleichen Wochentag abläuft.

12Die Revision beanstandet schließlich ohne Erfolg, der Begriff der "Textform" in der Widerspruchsbelehrung sei erläuterungsbedürftig. Mit Urteil vom 10. Juni 2015 hat der Senat entschieden, dass der Begriff der "Textform" in einer Widerspruchsbelehrung nach § 5a VVG a.F. nicht erläuterungsbedürftig ist (IV ZR 105/13, VersR 2015, 876 Rn. 11). Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Urteil verwiesen. Damit ist diese entscheidungserhebliche Frage geklärt.

13b) Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, VersR 2015, 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ der Ehemann d. VN bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt verstreichen. Der Ehemann d. VN und sie zahlten rund sieben Jahre die Versicherungsprämien. Die jahrelangen Prämienzahlungen der VN und ihres bereits 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten Ehemanns haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.

142. Aus den dargelegten Gründen hält das Berufungsurteil jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand.

Fundstelle(n):
XAAAF-32429