Online-Nachricht - Donnerstag, 21.08.2014

Verfahrensrecht | §§ 172 ff. AO bei Nichterfüllung eines Benennungsverlangens (FG)

Ein nach Eintritt der Bestandskraft eines Bescheides an den Steuerpflichtigen gerichtetes Benennungsverlangen rechtfertigt im Fall der Nichterfüllung nicht dessen Änderung nach § 173 AO (; Revision zugelassen)

Hintergrund: Gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sind Betriebsausgaben regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Empfänger zu benennen. Ob und inwieweit ein nach Eintritt der Bestandskraft eines Bescheides an den Steuerpflichtigen gerichtetes Benennungsverlangen im Fall seiner Nichterfüllung die Änderung des Bescheides nach § 173 AO rechtfertigen kann, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.
Sachverhalt: Der Kläger erzielt aus einem Schrotthandel Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Jahr 2011 führte das Finanzamt bei dem Kläger eine Außenprüfung durch. Dabei stellte der Prüfer fest, dass für die in den Gewinnermittlungen der Streitjahre als Betriebsausgaben erfassten Wareneinkäufe keine Belege vorhanden waren. Nach einem Telefonvermerk des Prüfers forderte er den Kläger unter ausdrücklichem Hinweis auf § 160 AO dazu auf, die Empfänger der entsprechenden Betriebsausgaben zu benennen. Diesem Benennungsverlangen kam der Kläger nicht nach. Aufgrund dieser Prüfungsfeststellungen änderte das Finanzamt die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die ursprünglich in den Gewinnermittlungen abgezogenen Aufwendungen für den Wareneinkauf berücksichtigte das Finanzamt dabei nicht mehr.
Hierzu führte das Finanzgericht u.a. aus:

  • Das Finanzamt war im Streitfall nicht berechtigt, die von dem Kläger für die Streitjahre geltend gemachten Aufwendungen für Wareneinkauf gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 AO vom Betriebsausgabenabzug vollständig auszuschließen.

  • Auch wenn die Voraussetzungen für die Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO grds. vorliegen, kann diese Rechtsfolge in Fällen, in denen bereits ein Steuerbescheid ergangen ist, nur dann eingreifen, wenn zusätzlich die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Nichterfüllung des Benennungsverlangens vorliegen. Diese Bedingung ist im Streitfall nicht erfüllt.

  • Die erstmaligen Steuerbescheide waren nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen und daher nur nach Maßgabe der §§ 172 ff. AO änderbar.

  • Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit nachträglich Tatsachen bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Tatsachen, Stellung eines Benennungsverlangens und dessen Nichterfüllung durch den Steuerpflichtigen, sind im Streitfall nicht nachträglich bekannt geworden.

  • Nachträglich bekannt werden können Tatsachen nur, wenn sie bereits bei Erlass des zu ändernden Verwaltungsakts hätten bekannt sein können, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits vorhanden waren.

Anmerkung: Dass die Einkaufsbelege, deren Nichtvorlage im Rahmen der Betriebsprüfung zu dem streitgegenständlichen Benennungsverlangen Anlass gegeben haben, mutmaßlich schon bei Durchführung der Erstveranlagungen nicht vorhanden waren, rechtfertigte nach Ansicht des Finanzgerichts keine andere Beurteilung. Das Fehlen dieser Belege hätte das Finanzamt zwar zu einer abweichenden Schätzung des Wareneinsatzes berechtigt, nicht aber dazu, den Betriebsausgabenabzugs insoweit vollständig zu versagen. Auch die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerbescheide nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis) waren nach Ansicht des Gerichts nicht erfüllt. Das Benennungsverlangen sei lediglich eine Vorbereitungshandlung für die Steuerfestsetzung, die den der Besteuerung zugrunde zu legenden Sachverhalt materiell-rechtlich nicht verändert.
Quelle: FG Niedersachsen online
Hinweis: Das Finanzgericht hat die Revision zum BFH zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. Ein Aktenzeichen des BFH wurde in diesem Verfahren noch nicht veröffentlicht. In einem anderen Verfahren ist bezüglich der hier streitigen Rechtsfrage jedoch bereits ein Verfahren beim BFH anhängig (BFH-Az. NWB TAAAE-36084). Den Text der o.g. Entscheidung des Finanzgerichts finden Sie auf dessen Internetseiten. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.
 

Fundstelle(n):
NWB QAAAF-11827