BVerwG Beschluss v. - 5 B 61.14

Instanzenzug:

Gründe

11. Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2Danach kommt einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (vgl. 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt (vgl. 5 B 58.11 - [...] Rn. 2 m.w.N.). Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt einer Klärung gerade durch die höchstrichterliche Entscheidung bedarf. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und/oder mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation und auf dieser Grundlage ohne Weiteres beantworten lässt (stRspr, vgl. 6 B 22.06 - Buchholz 442.066 § 78 TKG Nr. 1 Rn. 7 m.w.N.). An den vorstehenden Grundsätzen gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.

3a) Grundsätzlichen Klärungsbedarf sieht die Beschwerde zunächst im Hinblick auf die Frage, ob die Übernahme der Kosten für den Besuch einer Privatschule eine Leistung der Eingliederungshilfe in der Form der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 35a Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe - i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 3134) i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch i.d.F. des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2495) sein kann.

4Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt. Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, vor allem im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht, ohne dass insoweit eine Altersgrenze genannt ist. Diese Hilfen schließen Maßnahmen zu Gunsten behinderter Kinder und Jugendlicher ein, sofern diese Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem jungen Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern ( 5 C 1.88 - Buchholz 436.0 § 40 BSHG Nr. 12 S. 6, vom - 5 C 35.06 - BVerwGE 130, 1 und - 5 C 34.06 - [...], jeweils Rn. 16, und vom - 5 C 21.11 -BVerwGE 145, 1 Rn. 17). Allerdings obliegt die Bereitstellung der räumlichen, sächlichen, personellen und finanziellen Mittel für die Erlangung einer angemessenen, den Besuch weiterführender Schulen einschließenden Schulbildung auch solcher Kinder und Jugendlicher, deren seelische Behinderung festgestellt ist oder die von einer solchen bedroht sind, grundsätzlich nicht dem Träger der Kinder- und Jugendhilfe, sondern dem Träger der Schulverwaltung. Da die Schulgeldfreiheit in Verbindung mit der Schulpflicht eine Leistung der staatlichen Daseinsvorsorge darstellt und aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialgesetzbuches gefunden hat, ist grundsätzlich für einen gegen den Träger der Kinder- und Jugendhilfe gerichteten Rechtsanspruch auf Übernahme der für den Besuch einer Privatschule anfallenden Aufwendungen (Aufnahmebeitrag, Schulgeld etc.) kein Raum (vgl. zu einem entsprechenden Anspruch gegen den Träger der Sozialhilfe 5 C 70.88 - Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr. 16 S. 5; vgl. ferner 5 C 21.11 - BVerwGE 145, 1 Rn. 37). Ausnahmen von diesem durch das Verhältnis der Spezialität geprägten Grundsatz sind nur für den Fall in Betracht zu nehmen, dass auch unter Einsatz unterstützender Maßnahmen keine Möglichkeit besteht, den Hilfebedarf des jungen Menschen im Rahmen des öffentlichen Schulsystems zu decken, mithin diesem der Besuch einer öffentlichen Schule aus objektiven oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen unmöglich bzw. unzumutbar ist. Maßstab für die Unzumutbarkeit ist die Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe, die Entwicklung junger Menschen zu fördern (§ 8 Satz 2 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch i.d.F. des Gesetzes vom <BGBl. I S. 1163>) (vgl. 5 C 70.88 - Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr. 16 S. 5 und Beschluss vom - 5 B 259.02 - [...] Rn. 17; vgl. ferner Urteil vom - 5 C 21.11 - BVerwGE 145, 1 Rn. 39).

5An diese Rechtsprechung, die für die vormals einheitlich geregelte Eingliederungshilfe im Sinne der §§ 39 f. des Bundessozialhilfegesetzes entwickelt worden ist und die somit bereits seinerzeit auch auf seelisch behinderte Kinder und Jugendliche Anwendung fand, hat das nunmehr für das Sozialhilferecht zuständige Bundessozialgericht ausdrücklich angeknüpft ( - BSGE 112, 196 Rn. 16 f.).

6Weitergehenden rechtsgrundsätzlichen, das heißt, nicht einzelfallbezogenen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Die Anwendung dieser Grundsätze auf eine bestimmte Fallgestaltung, so auf die Frage, ob es der Klägerin möglich und zumutbar gewesen wäre, eine öffentliche weiterführende Schule zu besuchen, betrifft keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage und entzieht sich deshalb einer rechtsgrundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren.

7b) Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache des Weiteren in der sinngemäß aufgeworfenen Frage, ob der Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Zuge der Entscheidung über die Übernahme der Kosten einer Privatbeschulung im Wege der Gewährung von Eingliederungshilfe in der Form der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung verpflichtet ist, nicht nur den schulischen Hilfebedarf eines von seelischer Behinderung betroffenen Kindes umfassend festzustellen, sondern diesem auch einen geeigneten Platz zur Beschulung im Rahmen des Regelschulsystems nachzuweisen.

8Die Revision kann aber nicht im Hinblick auf eine Rechtsfrage, die sich - wie hier - nur stellen könnte, wenn von einem anderen als dem vom Berufungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird, nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden ( 5 B 52.09 - EuG 2011, 100 <102> = [...] Rn. 7).

9Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage würde sich nach den bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts und dessen differenzierter Würdigung der konkreten Hilfeplanung in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Sie knüpft an die Annahme des Oberverwaltungsgerichts an, die Beklagte habe bei ihrer Hilfeplanung und der hierauf gestützten Ablehnung der selbst beschafften Leistung die Grenzen fachlicher Vertretbarkeit überschritten. Ihr Hilfekonzept, das dem Bescheid vom zugrunde gelegen habe, habe keine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten. Denn es habe sich aufgedrängt, dass die jugendhilferechtliche Bedarfslage der Klägerin nur unzureichend erfasst und abgearbeitet worden sei (UA S. 23). Die Deckung des Bedarfs im Sinne des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII habe keinen zeitlichen Aufschub mehr geduldet, da es der Klägerin mit Blick auf den absehbar anstehenden Wechsel auf eine weiterführende Schule angesichts ihrer festgestellten Beeinträchtigungslage und der drohenden Gefahr einer Verfestigung und Verschlimmerung nicht zuzumuten gewesen sei, sich zunächst auf eine weitere Beschulung an einer Regelschule einzulassen, nachdem die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfeplanung nicht aufzuzeigen vermocht habe, dass dieser Weg zu einer adäquaten Bedarfsdeckung führe (UA S. 28). Von den dieser Beweiswürdigung zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen wäre in einem Revisionsverfahren auszugehen, da sie von der Beschwerde nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind. Mithin wäre in einem Revisionsverfahren die hier in Rede stehende Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung in ihrer Allgemeinheit nicht entscheidungserheblich.

102. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO.

113. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

Fundstelle(n):
FAAAE-87613