BGH Urteil v. - VII ZR 254/13

Schadensersatzprozess gegen einen Werkunternehmer: Anscheinsbeweis bei Leitungswasserschaden anlässlich von Trockenestrich- und Parkettverlegearbeiten

Leitsatz

Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist, was grundsätzlich auch bei der Feststellung von Ursachen für Leitungswasserschäden in Wohnungen anlässlich von Trockenestrich- und Parkettverlegearbeiten in Betracht kommen kann.

Gesetze: § 286 ZPO, § 631 BGB, §§ 631ff BGB

Instanzenzug: Az: 8 S 50/11vorgehend Az: 24 C 184/10

Tatbestand

1Der klagende Versicherer nimmt den Beklagten auf Schadensersatz aus einem Werkvertrag zwischen diesem und seinem Versicherungsnehmer auf Grund eines Wasserschadens aus übergegangenem Recht in Anspruch.

2Der Beklagte baute im Wohnzimmer des Anwesens des Versicherungsnehmers am eine Unterkonstruktion für einen Parkettfußboden und Trockenestrichelemente ein und verließ anschließend die Baustelle. Am verlegte er das Parkett. Vier Tage später stellte der Versicherungsnehmer aufsteigende Feuchtigkeit an den Wänden des Wohnzimmers fest. Ursächlich hierfür war ein in den Trockenestrich geschlagener Stahlnagel, der ein direkt unter dem Trockenestrich verlaufendes, wasserführendes Heizungsrohr beschädigt hatte. Die Klägerin regulierte den Schaden in Höhe der Klageforderung.

3Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Gründe

4Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

5Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Zwar fehlt es angesichts der auf die Umstände des Einzelfalles abstellenden Entscheidung des Berufungsgerichts an einem Zulassungsgrund im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO; ein solcher wird vom Berufungsgericht auch nicht begründet. Der Senat ist an die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht aber gebunden, § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

II.

61. Das Berufungsgericht sieht den Vollbeweis einer schadensursächlichen Pflichtverletzung des Beklagten als durch die Klägerin nicht erbracht an. Das nimmt die Revision hin und ist aus revisionsrechtlicher Sicht auch nicht zu beanstanden.

7Das Berufungsgericht ist weiter der Meinung, dass für die Klägerin kein Beweis des ersten Anscheins streite. Dies setze voraus, dass der Gläubiger bei der Abwicklung des Vertrages geschädigt worden sei (Bezug auf , BGHZ 8, 239, 241; vom - VII ZR 176/58, VersR 1960, 344, 345; vom - II ZR 98/62, BGHZ 41, 151, 153; vom - X ZR 71/84, BauR 1985, 704, 705). Die bisher entschiedenen Sachverhalte seien mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da in jenen Fällen der Schaden jeweils in Ausführung der vertraglichen Tätigkeit entstanden sei. Hier stehe jedoch gerade nicht fest, dass der Nagel eingeschlagen wurde, während die Mitarbeiter des Beklagten Trockenestrichelemente verlegten. Denn die Mitarbeiter des Beklagten, die am Objekt vom 14. bis zum gearbeitet hätten, seien in der Zeit vom Nachmittag des bis zum nicht vor Ort gewesen. In dieser Zeit seien die Arbeitsräume aber für im Haus befindliche Personen frei zugänglich gewesen. Aufgrund dieser zeitlichen Zäsur sei der unmittelbare Zusammenhang zwischen werkvertraglicher Ausführungstätigkeit und Entstehung des Schadens nicht mehr gegeben. Es sei nicht auszuschließen, dass in dieser Zwischenzeit von einer anderen Person der Nagel in die Trockenestrichplatte geschlagen worden sei.

82. Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Grundsätze des Anscheinsbeweises verkannt.

9a) Nach ständiger Rechtsprechung greift der Beweis des ersten Anscheins bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (, VersR 1974, 750; vom - IV ZR 160/76, VersR 1978, 74, 75; vom - VII ZR 104/79, VersR 1980, 532; vom - VI ZR 55/82, VersR 1984, 63, 64; vom - VI ZR 33/09, VersR 2010, 392 Rn. 8; vom - VI ZR 409/12, MDR 2014, 155 Rn. 14, jeweils m.w.N.). Dieser Schluss setzt eine Typizität des Geschehensablaufs voraus, was in diesem Zusammenhang allerdings nur bedeutet, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Falles sehr groß ist (vgl. , aaO, m.w.N.).

10b) Das Berufungsgericht hat nicht erwogen, ob es eine solche Typizität des Geschehensablaufes im vorliegenden Fall gibt. Es hat nicht überprüft, ob Estrich- und Parkettleger abgebrochene oder lose Teile einer Trockenestrichplatte üblicherweise mit Nägeln oder in vergleichbarer Art im Boden fixieren, bevor sie auf ihnen das Parkett verlegen. In diesem Fall würde ein Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass der Nagel von den Mitarbeitern des Beklagten eingeschlagen wurde.

11Das Berufungsgericht war von dieser Prüfung nicht durch die von ihm zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises im Werkvertragsrecht enthoben. Der Bundesgerichtshof hat in diesen oder anderen Entscheidungen die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises im Werkvertragsrecht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht in dem Sinne beschränkt, dass der Gläubiger "bei Abwicklung des Vertrages geschädigt" worden sein müsse und diese Voraussetzung sodann in den Fällen verneint werden müsse, in denen der Schaden nicht "in Ausführung der Tätigkeit" entstanden sei, was bedeute, dass der Anscheinsbeweis immer dann ausscheide, wenn nicht feststehe, dass sich das schädigende Ereignis während der werkvertraglichen Arbeiten ereignet habe und eine zeitliche Zäsur zwischen den Ausführungsarbeiten und dem Schadenseintritt liege. Während sich die Entscheidungen vom (VII ZR 176/58, aaO), vom (II ZR 98/62, aaO) und vom (X ZR 71/84, aaO) überhaupt nicht mit dem Beweis ersten Anscheins beschäftigen, ging es bei der Entscheidung vom (VI ZR 54/52, aaO) um die Anwendung des Anscheinsbeweises bei einem Verkehrsunfall mit der Haftung aus unerlaubter Handlung und einem Beförderungsvertrag. Auch in dieser Entscheidung findet sich die vom Berufungsgericht formulierte Einschränkung des Anscheinsbeweises nicht. Im Gegenteil ist der Zweck der Rechtsfigur des Anscheinsbeweises gerade die Überwindung der Beweisschwierigkeiten im Ursachenzusammenhang, wenn sich nicht völlig ausschließen lässt, dass auch andere als die vom Gläubiger genannten, nach typischem Geschehensablauf wahrscheinlichen Ursachen für die Schadensverursachung in Betracht kommen. Seine Anwendung ist durch zeitliche Zäsuren von mehreren Tagen oder sogar Wochen nicht gehindert (vgl. , MDR 1958, 326).

Kniffka                       Eick                         Halfmeier

                Jurgeleit                 Graßnack

Fundstelle(n):
BB 2014 S. 1537 Nr. 26
NJW 2014 S. 6 Nr. 27
NJW-RR 2014 S. 1115 Nr. 18
WM 2014 S. 1646 Nr. 34
EAAAE-67683