BGH Beschluss v. - VII ZB 31/13

Zwangsvollstreckungsverfahren: Voraussetzungen einer Befreiung vom Formularzwang für Anträge auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses

Gesetze: § 829 Abs 4 S 2 ZPO, § 2 Nr 2 Anl 2 ZVFV, § 3 ZVFV, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Instanzenzug: LG Mannheim Az: 10 T 26/13 Beschlussvorgehend AG Mannheim Az: 653 M 372/13

Gründe

I.

1Die Gläubigerin begehrt den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.

2Sie ist Inhaberin einer gegen den Schuldner titulierten Hauptforderung in Höhe von 3.931,40 € nebst Zinsen und Kosten in Höhe von 6.546,34 €.

3Wegen dieser Ansprüche und entstandener Vollstreckungskosten in Höhe von 217,96 € hat die Gläubigerin bei dem Amtsgericht die Pfändung und Überweisung angeblicher Forderungen des Schuldners gegen dessen Arbeitgeber beantragt. Hierzu hat sich die Gläubigerin eines Antragsformulars bedient, welches nicht vollständig mit dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 der Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung (Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung - ZVFV, BGBl. 2012 I S. 1822, 1827) übereinstimmt.

4Die in diesem Formular vorgegebenen Textlinien fehlen in dem von der Gläubigerin ausgefüllten Antragsformular teilweise und sind zum Teil durch ergänzenden Text ersetzt worden. Die Gläubigerin hat auf Seite 4 unter "Anspruch A (an Arbeitgeber)" unter 3. bis 5. in einer von dem vorgegebenen Text abweichenden Schriftart die Pfändung zusätzlicher Forderungen beantragt.

5Sie hat ferner auf Seite 4 im obersten Rahmen unter "B (an Agentur für Arbeit bzw. Versicherungsträger) Art der Sozialleistung:" eine zusätzliche Eintragung eingefügt. Auf Seite 5 unter "Anspruch D (an Kreditinstitute)" hat die Gläubigerin das Antragsformular unter Nr. 6. bis 8. in einer sich vom sonstigen Schriftbild nicht unterscheidenden Schriftart um weitere zu pfändende Ansprüche ergänzt. Schließlich hat die Gläubigerin den auf Seite 6 unter "Anspruch F (an Bausparkassen)" in dem amtlichen Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV vorgesehenen Text, den sie für fehlerhaft gehalten hat, inhaltlich abgeändert.

6Das Antragsformular ist zudem in schwarz-weiß gehalten und weist nicht die in dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV vorgesehenen grünfarbigen Elemente auf.

7Das Amtsgericht hat den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach vorherigem Hinweis zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Gläubigerin die Aufhebung der zurückweisenden Beschlüsse und den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung.

II.

8Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

91. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, der Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sei nicht formgerecht eingereicht worden, da es sich nicht um das verbindliche Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV handele. Die Gläubigerin habe im Feld "Anspruch D (an Kreditinstitute)" zusätzlich zu den fünf vorgedruckten Alternativen weitere drei Alternativen als formularmäßigen Text hinzugefügt und im Feld "Anspruch F (an Bausparkassen)" darüber hinaus den amtlichen Text inhaltlich abgeändert. Im Hinblick auf diese schwerwiegenden inhaltlichen Änderungen handele es sich nicht mehr um das amtlich vorgeschriebene Formular.

10Die Einführung des Formularzwangs solle die Arbeit der Amtsgerichte vereinfachen. Dies würde jedoch in das Gegenteil verkehrt, wenn eine umständliche Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit selbst erstellter Formulare erforderlich wäre.

11Dass das amtlich vorgeschriebene Formular unvollständig sei, hindere nicht dessen Nutzung, da ausdrücklich Felder zur Ergänzung vorgesehen seien und, wenn diese nicht ausreichten, die Möglichkeit bestehe, durch Beifügung von Ergänzungsblättern beliebige weitere Ausführungen zu machen. Soweit die amtlichen Formulare in einigen Punkten Unrichtigkeiten aufwiesen, sei es nicht Sache der Gläubigerin, etwaige Fehler des Gesetzgebers durch die Erstellung eigener Formulare zu korrigieren. Vielmehr müsse sie sich auf eine erkennbare Abänderung unter Benutzung des amtlichen Formulars verweisen lassen.

122. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

13Der Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses kann nicht mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung, er sei nicht formgerecht eingereicht worden, als unzulässig zurückgewiesen werden.

14a) Der Antrag ist nicht deshalb formunwirksam, weil die Gläubigerin auf Seite 4 des Formulars unter "Anspruch A (an Arbeitgeber)" zusätzliche Eintragungen vorgenommen hat.

15Gemäß § 829 Abs. 4 Satz 1 ZPO wird das Bundesministerium der Justiz ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einzuführen. Soweit nach Satz 1 Formulare eingeführt sind, muss sich der Antragsteller ihrer bedienen, § 829 Abs. 4 Satz 2 ZPO. Am ist die Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung in Kraft getreten (BGBl. I 2012 S. 1822). Nach deren § 2 Nr. 2, § 3 ist für Anträge auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses seit dem verbindlich das in Anlage 2 zur Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung vorgegebene Antragsformular zu nutzen. Für den bis zum keinem Formzwang unterliegenden Pfändungsantrag gelten seitdem strenge Formanforderungen.

16Wie der Senat mit Beschluss vom - VII ZB 39/13 (zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) entschieden hat, sind die den Formularzwang regelnden Normen verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Gläubiger vom Formularzwang entbunden ist, soweit das Formular unvollständig, unzutreffend, fehlerhaft oder missverständlich ist. In den Bereichen, in denen das Formular aus diesen Gründen den Fall des Gläubigers nicht zutreffend erfasst, ist es nicht zu beanstanden, wenn er in dem Formular zusätzliche Eintragungen vornimmt, selbst wenn das Formular an dieser Stelle keine oder eine für die Eintragung zu geringe Anzahl an Freizeilen aufweist. Die Gläubigerin war daher berechtigt, das amtliche Formular auf Seite 4 unter "Anspruch A (an Arbeitgeber)" über die bereits vorgegebene Aufzählung hinaus um weitere Ansprüche zu ergänzen, die das Formular nicht vorsieht.

17Ebenfalls unschädlich ist es, dass die Gläubigerin auf Seite 5 unter "Anspruch D (an Kreditinstitute)" für ihre Zwecke ergänzende Eintragungen und auf Seite 6 unter "Anspruch F (an Bausparkassen)" Korrekturen des vorgegebenen Textes vorgenommen hat.

18b) Der Antrag ist auch nicht deshalb formunwirksam, weil das von der Gläubigerin verwendete Antragsformular bezüglich des Layouts von dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV abweicht.

19Die den Formularzwang regelnden Normen sind nach ihrem Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass auch die Nutzung solcher Formulare zulässig ist, die im Layout geringe, für die zügige Bearbeitung des Antrags nicht ins Gewicht fallende Änderungen enthalten (, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

20Weicht - wie hier - ein Antragsformular von dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV lediglich in der Darstellung der Linien oder in sonstigen Layoutelementen ab, die den Aufbau des Formulars nicht verändern, so wird die Antragsbearbeitung durch das Vollstreckungsgericht hierdurch nicht beeinträchtigt. Der Rechtspfleger findet bei der Bearbeitung des Formulars die erforderlichen Angaben in der üblichen Reihenfolge vor.

21Unerheblich ist schließlich, dass das von der Gläubigerin verwendete Antragsformular nicht die in dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV enthaltenen grünfarbigen Elemente aufweist. Die farbige Gestaltung der Formulare dient nicht in erster Linie dem Ziel, die Vollstreckungsgerichte zu entlasten, sondern hat den Zweck, dem Antragsteller das Ausfüllen des Formulars zu erleichtern (vgl. , zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

III.

22Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Es ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich, dass die weiteren Voraussetzungen für den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vorliegen. Die Sache war daher an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückzuverweisen, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO.

Kniffka                                                    Safari Chabestari                                              Eick

                                Kartzke                                                       Graßnack

Fundstelle(n):
IAAAE-59320