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Grundlagen vom

Innergemeinschaftliche Lieferung

Jürgen Scholz und Stefanie Nattkämper

A. Problemanalyse

I. Normzweck

1. Begriffsbestimmung

1 Als innergemeinschaftliche Lieferungen werden solche Lieferungen bezeichnet, die in einem EU-Mitgliedstaat beginnen und in einem anderen EU-Mitgliedstaat enden. Als innergemeinschaftliche Lieferungen gelten auch sog. innergemeinschaftliche Verbringenstatbestände, bei denen ein Gegenstand von einem Unternehmer (ohne dass insoweit ein zivilrechtliches Kaufgeschäft zugrunde liegt) zu seiner eigenen Verfügung in einen anderen EU-Mitgliedstaat (§ 1 Abs. 2a UStG) transportiert wird.

Bei Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale, insbesondere der sog. Buch- und Belegnachweise, sind innergemeinschaftliche Lieferungen von der Umsatzsteuer befreit (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG, § 6a UStG).

Für die Lieferung neuer Fahrzeuge bestehen ebenso wie für die Lieferung verbrauchsteuerpflichtiger Waren Sonderbestimmungen.

2-4Einstweilen frei

2. Bedeutung
5 Umsetzung des Bestimmungslandprinzips

Die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen dient der Umsetzung des sog. Bestimmungslandprinzips. Demnach soll der Verbrauch von Gütern innerhalb der EU nicht in dem Mitgliedstaat besteuert werden, in dem diese produziert wurden, sondern in dem Mitgliedstaat, in dem sie für den letztlichen Verbrauch oder eine weitere Verwendung bestimmt sind.

Zu diesem Zweck wird bei Gegenständen, bei denen Produktionsstaat und der EU-Mitgliedstaat des Verbrauchs auseinanderfallen, der Transport aus dem Produktionsstaat heraus von der Umsatzsteuer befreit. Gleichzeitig ist der Empfänger verpflichtet, hinsichtlich dieser Gegenstände im Bestimmungsland (dem EU-Mitgliedstaat, in dem sie verbraucht oder weiter verwendet werden sollen) eine Besteuerung – den sog. „innergemeinschaftlichen Erwerb” (§ 1a UStG) – durchzuführen.

6 Interessenkollision zwischen Steuerpflichtigem und Finanzverwaltung

Zur Umsetzung dieses Bestimmungslandprinzips verzichtet der Gesetzgeber hinsichtlich an sich der Umsatzsteuerpflicht unterliegender Lieferungen auf sein Besteuerungsrecht. Im Gegenzug muss der Steuerpflichtige im Rahmen des sog. Buch- und Belegnachweises darlegen, dass die entsprechenden Gegenstände tatsächlich von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen EU-Mitgliedstaat gelangt sind.

Vor dem Hintergrund, dass es sich bei innergemeinschaftlichen Lieferungen um ein Massengeschäft handelt, bei denen Betrugsfälle durchaus regelmäßig zu beobachten sind, ergibt sich hieraus ein Spannungsfeld. Die Finanzverwaltung verlangt zur Sicherstellung des tatsächlichen Gelangens der Gegenstände in einen anderen EU-Mitgliedstaat möglichst lückenlose und optimal aufbereitete Aufzeichnungen und Belege vom Steuerpflichtigen. Dieser hingegen ist bestrebt, den hierdurch entstehenden administrativen Aufwand der Prüfung des Abnehmers, Auswahl eines besonders gewissenhaften Transportdienstleisters, Kontrolle der bereitgestellten Belege und deren nachfolgende Archivierung möglichst gering zu halten und dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

Dieses hat dazu geführt, dass die Frage der Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen seit der Einführung des EU-Binnenmarkts im Jahr 1993 zu den Themen zählt, mit denen sich sowohl der EuGH als auch nationale Finanzgerichte am häufigsten befassen.

7 Gemeinschaftsrechtliche Grundlage und innergemeinschaftliches Kontrollsystem

Das System der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen (bei gleichzeitiger Besteuerung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland) ist in Art. 138 MwStSystRL kodifiziert und in allen EU-Mitgliedstaaten in nationales Rechts umgesetzt worden.

Praxistipp

Obwohl die Regelungen zu innergemeinschaftlichen Lieferungen in den EU-Mitgliedstaaten verpflichtend umzusetzen sind, überlässt es der EuGH den Mitgliedstaaten, insbesondere hinsichtlich der insoweit zu führenden Nachweise, geeignete nationale Bestimmungen zu treffen. Dies führt dazu, dass die Regelungen zu innergemeinschaftlichen Lieferungen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten mitunter höchst uneinheitlich gehandhabt werden. Der Lieferer sollte sich daher vor Ausführung der Lieferung zur Vermeidung umsatzsteuerlicher Risiken mit den jeweiligen nationalen Bestimmungen vertraut machen.

Um sicherzustellen, dass innergemeinschaftlichen Lieferungen in einem EU-Mitgliedstaat auch entsprechende innergemeinschaftliche Erwerbe in einem anderen EU-Mitgliedstaat gegenüberstehen, wurde von den EU-Mitgliedstaaten das „MwSt-Informationsaustauschsystem (MIAS)” initiiert.

In der zentralen MIAS-Datenbank werden von den nationalen Finanzbehörden Informationen über den innergemeinschaftlichen Handel gesammelt. Diese Informationen stammen u. a. aus den Umsatzsteuer-Erklärungen der Steuerpflichtigen, den entsprechenden Zusammenfassenden Meldungen sowie aus Außenprüfungen und eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Hierdurch werden die nationalen Finanzbehörden in die Lage versetzt, den Fluss des innergemeinschaftlichen Handels zu beobachten und auf etwaige Unregelmäßigkeiten hin zu überprüfen.

Hinweis

Die in diesem Beitrag dargestellten Regelungen geben – soweit dies nicht explizit anderweitig beschrieben ist – ausschließlich den Rechtsstand in Deutschland wieder. Soweit infolge der Korrespondenz zwischen innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb in einem anderen EU-Mitgliedstaat beispielsweise auf Regelungen zum innergemeinschaftlichen Erwerb verwiesen wird, erfolgt dies aus Vereinfachungsgründen in der Annahme, dass die Regelungen im Bestimmungsmitgliedstaat den Regelungen des deutschen UStG entsprechen. In der Praxis sind insoweit die tatsächlichen nationalen Regelungen zu beachten.

8-9Einstweilen frei

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