BVerwG Beschluss v. - 1 WB 61.11;1 WB 65.11

Gründe

I

1Der Antragsteller wendet sich gegen die verzögerte Bearbeitung seiner Anträge auf Teilnahme an einer Sprachsonderprüfung Englisch während seiner Verwendung in Großbritannien (BVerwG 1 WB 61.11) und auf Teilnahme an einer Sprachsonderprüfung Englisch mit dem Standardisierten Sprachleistungsprofil (SLP) "4444" (BVerwG 1 WB 65.11) durch die Stammdienststelle der Bundeswehr.

2Der 1972 geborene Antragsteller ist Berufssoldat in der Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes. Seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 31. Dezember 2027. Am 26. März 2004 wurde er zum Hauptfeldwebel befördert. Vom 1. Oktober 2007 bis 30. April 2012 war der Antragsteller beim Deutschen Anteil .../Großbritannien als "Militärisches Nachrichtenwesen Feldwebel/Bootsmann Streitkräfte" eingesetzt. Seit dem 1. Mai 2012 wird er als Feldwebel für Militärisches Nachrichtenwesen beim Jagdbombergeschwader ... in ... verwendet.

3 1.

Verfahren BVerwG 1 WB 61.11:

4Mit Schreiben vom 22. Juli 2010, der Stammdienststelle der Bundeswehr zugegangen am 9. August 2010, beantragte der Antragsteller von seiner Dienststelle in Großbritannien aus die Teilnahme an einer Sprachsonderprüfung Englisch, weil sein SLP im Jahre 2010 und damit noch während seines Dienstes in Großbritannien die Gültigkeit verlieren werde.

5Mit Schreiben vom 1. März 2011 legte der Antragsteller Beschwerde ein, weil er bis dahin keinen Bescheid auf seinen Antrag erhalten hatte.

6Mit Bescheid vom 30. März 2011 lehnte die Stammdienststelle den Antrag vom 22. Juli 2010 mit der Begründung ab, es sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht vertretbar, den Antragsteller zu einer Sprachsonderprüfung nach Deutschland einzubestellen. Aufgrund seiner Verwendung in Großbritannien könne davon ausgegangen werden, dass sich seine Englischkenntnisse allenfalls verbessert hätten. Die Durchführung der Sprachprüfung in Großbritannien sei nicht möglich; eine nochmalige Ablegung sei für die derzeitige Verwendung aber auch nicht erforderlich. Es sei vorgesehen, den Antragsteller nach Abschluss seiner Auslandsverwendung zu einer Sprachsonderprüfung Englisch auf dem Niveau SLP "3333" einzuplanen. Für die lange Bearbeitungsdauer werde um Entschuldigung gebeten.

7Mit Bescheid vom 12. Juli 2011 wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die Beschwerde des Antragstellers vom 1. März 2011 zurück und lehnte den Antrag auf Teilnahme an einer Sprachsonderprüfung ab. Die Untätigkeitsbeschwerde sei zulässig, weil der Antragsteller nicht innerhalb eines Monats einen Bescheid auf seinen Antrag vom 22. Juli 2010 erhalten habe. Im Wege der Zuständigkeitsverlagerung sei deshalb in der Sache selbst, also über den ursprünglich gestellten Antrag zu entscheiden. Die Beschwerde sei unbegründet, weil nach dem "Handbuch für die Personalbearbeitung der Soldaten bei Dienststellen der Streitkräftebasis der Bundeswehr im Ausland sowie bei integrierten Dienststellen der NATO im Inland" von einer erneuten Sprachprüfung abgesehen werden könne, wenn die bereits nachgewiesenen fremdsprachlichen Fertigkeiten in der zuletzt ausgeübten dienstlichen Tätigkeit hätten angewendet werden müssen. Ferner sei die Teilnahme von im Ausland verwendeten Soldaten an nationalen Lehrgängen im Inland während der Dauer der Auslandsverwendung grundsätzlich nicht vorgesehen. Ergänzend werde auf die zutreffenden Aussagen in dem Bescheid der Stammdienststelle vom 30. März 2011 verwiesen.

8Hiergegen beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 21. Juli 2011 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - legte den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 16. November 2011 dem Senat vor.

9Zur Begründung führt der Antragsteller aus, er habe seine Beschwerde wegen der Untätigkeit der personalbearbeitenden Stelle und nicht wegen des Inhalts des Bescheids vom 30. März 2011 eingelegt. Wie sein Antrag beschieden worden sei, ob positiv oder negativ, sei vollkommen irrelevant. Es gehe ihm darum, dass sein Antrag im Zeitpunkt der Beschwerde seit über sieben Monaten nicht beschieden worden sei, wobei auch Zwischenbescheide nicht ergangen seien. Als Soldat habe er Anspruch auf eine korrekte Personalbearbeitung. Das Verhalten der personalbearbeitenden Dienststelle sei inakzeptabel, zumal es sich nicht um einen Einzelfall handele. Er fordere deshalb ein Zugeständnis der Versäumnisse der personalbearbeitenden Dienststelle und die Umsetzung einer strikteren Regelung seitens der vorgesetzten Dienststelle, damit derartige Zuwiderhandlungen sich nicht wiederholen könnten.

10Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

11Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei unzulässig, weil sich der Antragsteller ausdrücklich nicht gegen die Ablehnung seines Antrags auf Teilnahme an der Sprachsonderprüfung wende, sondern vielmehr nur die Art und Weise rüge, wie sein Begehren von der Stammdienststelle bearbeitet worden sei. Die Art und Weise der Bearbeitung von Vorgängen könne jedoch nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit der dazu ergangenen Entscheidung angefochten werden. Außerdem habe sich die Stammdienststelle bereits für die lange Bearbeitungsdauer entschuldigt, sodass die Forderung nach einem "Eingeständnis des Versäumnisses" erfüllt sei und daher auch insoweit keine Rechtsverletzung mehr vorliegen könne.

12 2.

Verfahren BVerwG 1 WB 65.11:

13Im Anschluss an den Bescheid der Stammdienststelle vom 30. März 2011 bat der Antragsteller mit Schreiben vom 11. April 2011, zu prüfen, ob es möglich sei, ihn für eine Sprachsonderprüfung Englisch mit dem (höchsten) Leistungsniveau SLP "4444" einzuplanen. Er habe kürzlich den vom Luftfahrtbundesamt vorgeschriebenen "language proficiency test" für Berufspiloten der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation erfolgreich mit Level 6 durchlaufen; dies entspreche dem SLP "4444".

14Mit Schreiben vom 21. Juli 2011 legte der Antragsteller wiederum Beschwerde ein, weil er bis dahin weder einen Bescheid noch einen Zwischenbescheid auf diesen Antrag erhalten habe.

15Mit Bescheid vom 16. November 2011 wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die Beschwerde zurück. Die Stammdienststelle habe von dem Antrag vom 11. April 2011 erstmals am 4. August 2011 durch die Übersendung der Beschwerde Kenntnis erlangt; der Kommandant Stabsquartier des Kommandos Strategische Aufklärung habe den Antrag - offenbar in der Annahme, es handele sich um eine Zweitausfertigung - nicht an die Stammdienststelle weitergeleitet. Die Untätigkeitsbeschwerde sei daher unzulässig, weil sie vor dem Eingang des Antrages bei der für die Entscheidung zuständigen Stelle eingelegt worden sei. Die Stammdienststelle habe noch über das Anliegen des Antragstellers zu entscheiden.

16Hiergegen beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 5. Dezember 2011 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - legte den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 16. Dezember 2011 dem Senat vor.

17Zur Begründung führt der Antragsteller ebenso wie in seinem Antrag vom 21. Juli 2011 aus, er habe die Beschwerde wegen der Untätigkeit des Dienstherrn eingelegt. Es gehe ihm darum, dass sein Antrag auf Teilnahme an einer Sprachsonderprüfung SLP "4444" zum Zeitpunkt der Beschwerde seit über drei Monaten nicht beschieden worden sei, wobei auch Zwischenbescheide unterblieben seien. Sein Antrag sei auf dem vorgeschriebenen Dienstweg an den Dienstherrn gestellt worden; welcher Teil des Dienstwegs die Verzögerung verursacht habe, sei für ihn irrelevant. Er fordere deshalb auch insoweit ein Zugeständnis der Versäumnisse des Dienstherrn und die Umsetzung einer strikteren Regelung seitens der vorgesetzten Dienststelle, damit derartige Zuwiderhandlungen sich nicht wiederholen könnten.

18Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

19Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei unzulässig, weil der Antragsteller wiederum ausdrücklich nur die Art und Weise rüge, wie sein Antrag bearbeitet worden sei. Ein "Eingeständnis des Versäumnisses" gehöre nicht zu den in § 17 WBO genannten Rechten eines Soldaten. Soweit der Antragsteller zudem eine dienstaufsichtliche Maßnahme begehre, berühre auch dies nicht seine subjektiven Rechte.

20Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird ergänzend auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: ... und ... - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

211.

Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung werden wegen des sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 93 Satz 1 VwGO).

222.

Die Anträge sind unzulässig.

23a)

Soweit sich der Antragsteller mit der Forderung nach einem "Zugeständnis der Versäumnisse der personalbearbeitenden Dienststelle" bzw. "des Dienstherrn" gegen die Untätigkeit der zuständigen Dienststellen bzw. gegen die Verzögerungen bei der Bearbeitung seiner Anträge vom 22. Juli 2010 und 11. April 2011 wendet, sind die Anträge auf gerichtliche Entscheidung unzulässig, weil die Art und Weise der Verfahrensbehandlung nicht zum Gegenstand eines selbständigen Verfahrens vor den Wehrdienstgerichten gemacht werden kann.

24Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) nur geltend gemacht werden, dass eine dienstliche Maßnahme oder die Unterlassung einer solchen Maßnahme rechtswidrig ist. Der Begriff der Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift setzt dabei eine dem öffentlichen Recht zugehörige Handlung eines Vorgesetzten oder einer Dienststelle der Bundeswehr voraus, die im Verhältnis der Über- und Unterordnung getroffen oder erbeten wird. Die Art und Weise der Verfahrensbehandlung stellt für sich genommen keinen statthaften Beschwerdegegenstand dar; sie ist nicht isoliert bzw. selbständig anfechtbar. Rechtsschutz wird allein gegen die Maßnahme selbst oder deren Unterlassung gewährt; nur im Rahmen der Anfechtung einer Maßnahme kann auch eine Überprüfung auf eventuelle Verfahrensfehler erfolgen (stRspr, vgl. z.B. BVerwG 1 WB 12.10 - Rn. 28 mit zahlreichen Nachweisen).

25Der Antragsteller zielt mit seinen Anträgen auf gerichtliche Entscheidung ausdrücklich nicht auf die sachlichen Gegenstände seiner ursprünglichen Anliegen - Teilnahme an einer Sprachsonderprüfung Englisch während der Auslandsverwendung bzw. Teilnahme an einer Sprachsonderprüfung Englisch mit dem SLP "4444" -; er begehrt nicht die Verpflichtung des Bundesministers der Verteidigung, ihn zu den gewünschten Sprachsonderprüfungen zuzulassen. Vielmehr beklagt der Antragsteller lediglich die Verzögerungen und Säumnisse, die bei der Bearbeitung seiner Anträge vom 22. Juli 2010 und 11. April 2011 aufgetreten sind. Eine solche isolierte Überprüfung der Art und Weise der Verfahrensbehandlung, die sich nicht zugleich auf eine bestimmte dienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO und damit auf eine bestimmte andere Entscheidung in der Sache richtet, findet im Rahmen eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung durch das Wehrdienstgericht nicht statt.

26b)

Mit der weiteren Forderung nach "Umsetzung einer strikteren Regelung seitens der vorgesetzten Dienststelle", damit sich die von ihm beanstandeten "Zuwiderhandlungen" nicht wiederholen könnten, zielt der Antragsteller auf ein dienstaufsichtliches Einschreiten gegenüber der Stammdienststelle und ggf. anderen mit der Bearbeitung seiner Anträge befassten Dienststellen. Auch insoweit sind die Anträge auf gerichtliche Entscheidung unzulässig, weil der Antragsteller kein im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) beschwerdefähiges Recht geltend machen kann.

27Die Dienstaufsicht ist ein Kontrollinstrument, das der Durchsetzung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dient. Entsprechend sieht § 14 WBO vor, dass die Untersuchung einer Beschwerde stets auch darauf zu erstrecken ist, ob mangelnde Dienstaufsicht oder sonstige Mängel im dienstlichen Bereich vorliegen. Wird eine Beschwerde verspätet eingelegt, so ist diese zwar zurückzuweisen, gleichwohl ist ihr im Wege der Dienstaufsicht nachzugehen und soweit erforderlich für Abhilfe zu sorgen (§ 12 Abs. 3 WBO). Gleiches gilt dann, wenn eine Beschwerde zurückgenommen wird (§ 8 Abs. 2 WBO). Die Dienstaufsicht wird jedoch durch den zuständigen Vorgesetzten allein im öffentlichen Interesse gegenüber dem Dienstherrn ausgeübt; sie obliegt dem Vorgesetzten nicht gegenüber seinen Untergebenen und dient damit nicht der Wahrung der Rechte eines Soldaten im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (stRspr, vgl. BVerwG 1 WB 51.06 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 62 = NZWehrr 2007, 252, vom 23. Februar 2010 - BVerwG 1 WB 36.09 - BVerwGE 136,119 = Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 17 = NZWehrr 2011, 36 und vom 28. Februar 2012 - BVerwG 1 WB 22.11 - Rn. 14).

28Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist deshalb ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem ein bestimmtes dienstaufsichtliches Einschreiten begehrt wird, unzulässig, weil ein Soldat keinen dahingehenden Rechtsanspruch im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO hat (vgl. zuletzt BVerwG 1 WB 18.12 - Rn. 20 m.w.N.).

293.

Dem Antragsteller sind keine Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil der Senat die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht als gegeben erachtet.

Fundstelle(n):
ZAAAE-16509