BGH Beschluss v. - XII ZR 87/11

Mietrechtsstreit: Gehörsverletzung durch Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens; Beweislast des Vermieters für fehlendes Verschulden bei Beschädigung eingebrachter Sachen des Gewerberaummieters

Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 544 Abs 7 ZPO, § 280 BGB, § 535 BGB, §§ 535ff BGB

Instanzenzug: Az: 1 U 82/10vorgehend Az: 30 O 294/09

Gründe

1Die Nichtzulassungsbeschwerde ist teilweise begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

2Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

31. Es hat den von den Beklagten mit der Hilfsaufrechnung geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen einer Beschädigung der Telefonanlage durch die Bauarbeiten abgelehnt, weil die Beklagten den ihnen obliegenden Beweis dafür, dass die Bauarbeiten ursächlich für die Beschädigung gewesen seien, nicht geführt hätten.

4Das Berufungsgericht hat die Annahme des Privatgutachters, die Zerstörung der Stromversorgung in der Telefonanlage sei durch eine Überspannung verursacht worden, die auf die erheblichen Bauarbeiten in unmittelbarer Nähe der Telefonanlage zurückzuführen sei, als bloße Spekulation bewertet. Den von den Beklagten für ihre Behauptung darüber hinaus angebotenen Zeugen- und Sachverständigenbeweis hat es nicht erhoben, weil das Haus und die Telefonanlage für eine Begutachtung nicht mehr zur Verfügung stünden und die Beklagten den Beweis deshalb nicht führen könnten. Damit lässt das Berufungsgericht entscheidungserheblichen unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten außer Acht. Denn es ist nicht auszuschließen, dass ein Sachverständiger auf der Grundlage der von dem Privatgutachter festgestellten Schäden der Telefonanlage und aufgrund der Aussagen der von den Beklagten benannten Zeugen zu den Bauarbeiten und dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausfall der Telefonanlage beurteilen kann, ob die Schäden der Telefonanlage auf die Bauarbeiten zurückzuführen sind. Für etwaige andere Schadensursachen ist nichts ersichtlich, insbesondere haben die Kläger solche nicht vorgetragen. Von der Einholung eines Sachverständigengutachtens darf jedoch nur dann abgesehen werden, wenn auszuschließen ist, dass damit der erforderliche Beweis geführt werden kann ( - NJW-RR 2008, 1380).

5Die unter Beweis gestellte Ursächlichkeit der Bauarbeiten für die Beschädigungen der Telefonanlage ist auch entscheidungserheblich. Entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung fehlt es nicht bereits an dem für eine Haftung der Kläger erforderlichen Verschulden.

6Die Kläger waren als Vermieter verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die mit ihrem Einverständnis von der H.      GmbH mit den Bauarbeiten betrauten Personen ihrer Mieterin, der Beklagten zu 1, keinen Schaden zufügen. Da hier nach der Behauptung der Beklagten die Schadensursache aus dem Herrschafts- und Einflussbereich der Kläger herrührt, liegt die Beweislast dafür, dass die Kläger kein Verschulden trifft, bei diesen ( - NJW 2009, 142 f. und vom - XII ZR 272/97 - NJW 2000, 2344, 2345; - NJW 1964, 33, 35 f.).

7Das Berufungsgericht hätte somit den angebotenen Sachverständigenbeweis erheben und die zum Beweis für die im Zusammenhang mit den Bauarbeiten aufgetretene Beschädigung der Telefonanlage angebotenen Zeugen hören müssen.

82. Auch die Annahme des Berufungsgerichts, eine Aufrechnung mit dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Zerstörung von Spirituosen scheide aus, weil der Vortrag der Beklagten zu der Beschädigung und zu dem eingetretenen Schaden nicht ausreichend substantiiert sei, verletzt den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör. Das Berufungsgericht meint, die Beklagten hätten darlegen müssen, an welchem Tag im August 2009 und genauer durch welche Arbeiten und Mitarbeiter der H.     P.        GmbH die Flaschen beschädigt worden seien.

9Damit hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Substantiierungspflicht überspannt.

10Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist schlüssig, wenn der Anspruchsteller Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Anspruchsstellers entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Das Gericht muss in der Lage sein, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs vorliegen. Eine Beweisaufnahme zu einem bestrittenen erheblichen Vorbringen darf nicht abgelehnt werden, wenn die Behauptung konkret genug ist, um eine Stellungnahme des Gegners zu ermöglichen und die Erheblichkeit des Vorbringens zu beurteilen ( - NJW-RR 2003, 69 f. mwN).

11Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe haben die Beklagten die Schadensursache und den Schaden hinreichend substantiiert dargetan. Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch ist, dass die im Einverständnis mit den Klägern tätigen Bauarbeiter bei Bohrarbeiten im Keller irrtümlich eine Bohrung durch die Wand in das Kühlhaus vorgenommen haben, wobei ein mit Spirituosen bestücktes Regal umgestürzt ist und die gesamten Spirituosen vernichtet worden sind. An welchem Tag im August 2009 dies geschehen ist und welche mit Zustimmung der Kläger von der H.    GmbH beauftragten Arbeiter die Fehlbohrung durchgeführt haben, ist für das Entstehen des Anspruchs ohne Bedeutung. Diese Angaben waren auch nicht erforderlich, um eine Stellungnahme der Kläger zu ermöglichen. Hier konnten die Kläger sich über ihre Vertragspartnerin, die H.    GmbH, der sie die Bauarbeiten im Keller gestattet haben, Kenntnis davon verschaffen, ob es im August 2009 zu dem von den Beklagten behaupteten Vorfall gekommen ist. Die Beklagten haben die Arbeiten, durch die der Schaden entstanden ist, benannt. Sie haben dargelegt, dass bei Bohrarbeiten eine Wand des Kühlhauses durchbohrt wurde und dadurch ein mit im Einzelnen beschriebenen Spirituosen bestücktes Regal umgestürzt sei.

12Der Vortrag der Beklagten ist folglich schlüssig. Das Berufungsgericht hätte deshalb die von den Beklagten zum Beweis für die Schadensursache und den Schaden angebotenen Zeugen vernehmen müssen.

133. Die Gehörsrügen haben danach bis zur Höhe der zulässigen Aufrechnung von 3.270 € Erfolg, soweit die Beklagten Schadensersatz wegen der Beschädigung der Telefonanlage (1.794,79 €), Ersatz der Kosten für die Einholung des Privatgutachtens (1.091,67 €) und Schadensersatz für die Zerstörung der Spirituosen (3.210,50 €) verlangen. Das Berufungsurteil ist daher in Höhe der Klagforderung von 3.270 € nebst den vom Berufungsgericht zuerkannten Zinsen aus 1.635 € ab dem und aus weiteren 1.635 € ab dem aufzuheben. Insoweit ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zur Erhebung der angebotenen Beweise zurückzuverweisen.

144. Im Übrigen ist die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen, weil ein Zulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegt. Der Rechtsstreit der Parteien hat insoweit weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Dose                                   Weber-Monecke                                Vézina

                 Schilling                                              Günter

Fundstelle(n):
QAAAE-15968