BFH Beschluss v. - VII S 19/12

Beiordnung eines Notanwalts; Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschwerdefrist

Gesetze: FGO § 56, FGO § 116 Abs. 3, FGO § 142, FGO § 62 Abs. 4, FGO § 116 Abs. 3, ZPO § 78b, ZPO § 117

Instanzenzug:

Gründe

1 Der Senat versteht das Begehren des Antragstellers „einen Notanwalt zu stellen, der das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde…betreibt sowie dazu bereit ist, ein PKH-Verfahren aufzunehmen” als Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts i.S. des § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 78b der Zivilprozessordnung (ZPO) und als Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) i.S. des § 142 FGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO.

2 1. Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwalts i.S. des § 78b Abs. 1 ZPO, der nach § 155 FGO auch im Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) sinngemäß anzuwenden ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom VII S 5/96, BFH/NV 1996, 627; vom VII S 33/02, nicht veröffentlicht), sind nicht erfüllt. Die Beiordnung eines Notanwalts setzt danach voraus, dass die Partei trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.

3 a) Es kann offenbleiben, ob die vom Antragsteller vorgelegten, die Mandatsübernahme ablehnenden Schreiben geeignet sind zu belegen, dass er sich ernsthaft und ohne Vorbedingungen um die Bestellung eines Prozessbevollmächtigten bemüht hat (zu dieser Voraussetzung vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 627, m.w.N.).

4 b) Offenbleiben kann auch, ob sich die Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde schon daraus ergibt, dass sie bisher nicht eingelegt wurde, die Frist für ihre Einlegung (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO) abgelaufen und noch kein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist nach § 56 Abs. 1 FGO gestellt worden ist. Jedenfalls kommt Wiedereinsetzung nicht in Betracht, weil das Hindernis für eine wirksame Fristwahrung, das Fehlen eines zur Vertretung bereiten vertretungsbefugten Prozessbevollmächtigten, kein vom Antragsteller unverschuldetes Hindernis darstellen würde.

5 Unverschuldet wäre dieses Hindernis nur dann, wenn der Antragsteller alles in seinen Kräften Stehende getan hätte, damit über seinen Antrag auf Bestellung eines Notanwalts ohne Verzögerung entschieden werden könnte. Das folgt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), der sich der erkennende Senat anschließt, daraus, dass einer Partei, welche keinen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden hat, nach denselben Grundsätzen Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist zu gewähren ist wie einer solchen Partei, die aus finanziellen Gründen zur Fristwahrung nicht in der Lage war und deshalb PKH beantragt (, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 2011, 323, m.w.N.).

6 Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kann PKH und damit Wiedereinsetzung in die Nichtzulassungsbeschwerde-Frist nur gewährt werden, wenn der Antragsteller innerhalb der insoweit maßgebenden Beschwerdebegründungsfrist des § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO zumindest in laienhafter Weise einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt hat. Die für die Bewilligung von PKH erforderliche Erfolgsaussicht einer Nichtzulassungsbeschwerde besteht deshalb nicht, wenn sich aus dem PKH-Antrag keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes i.S. von § 115 Abs. 2 FGO erkennen lassen (vgl. (PKH), BFH/NV 2010, 455, m.w.N.).

7 Im Streitfall hat sich der Antragsteller zu den Gründen für die einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde nicht geäußert. Es ist nicht erkennbar, weshalb die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung haben oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordern könnte. Da dem Antragsteller danach Wiedereinsetzung in die versäumte Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gewährt werden könnte und das Rechtsmittel deshalb keine Erfolgsaussicht hat, kann der Antrag auf Bestellung eines Notanwalts keinen Erfolg haben.

8 2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, für den kein Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 FGO besteht ( (PKH), BFH/NV 2010, 2295) scheitert ebenfalls an der mangelnden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 114 Satz 1 ZPO), weil die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO) durch einen vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten verstrichen ist.

9 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen dieser Fristversäumung kommt im Streitfall auch im Hinblick auf die beantragte PKH nicht in Betracht. Zwar ist einem nicht vertretenen Antragsteller Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn er innerhalb der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels alle Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH geschaffen hat. Dazu gehört nicht nur, dass er einen fristgerechten Antrag auf Gewährung von PKH stellt, sondern auch, dass er innerhalb der Beschwerdefrist eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem dafür vorgeschriebenen Formblatt vorlegt (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 und 4 ZPO; vgl. (PKH), BFH/NV 2005, 1582). Auf Unkenntnis kann sich der Antragsteller nicht berufen, da er sich über die Voraussetzungen einer Bewilligung von PKH grundsätzlich selbst kundig machen muss (vgl. (PKH), BFH/NV 2009, 1132, m.w.N.); die Gerichte treffen insoweit keine besonderen Hinweispflichten (, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1992, 426; z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1132, m.w.N.).

10 Der Antragsteller hat die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht eingereicht. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Beschwerdefrist sind nicht erfüllt.

11 3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen im PKH-Verfahren nicht (§ 142 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO und § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis, vgl. z.B. (PKH), BFH/NV 2012, 239). Bei dem Verfahren zur Beiordnung eines Notanwalts handelt es sich um ein unselbständiges Zwischenverfahren, für das Gerichtsgebühren nicht entstehen (Senatsbeschluss in BFH/NV 1996, 627).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2012 S. 1624 Nr. 10
HAAAE-15731