BVerwG Beschluss v. - 4 B 36/11

Zur Kostengrundlage bei Folgekostenverträgen

Gesetze: § 11 Abs 1 S 2 Nr 3 BauGB

Instanzenzug: OVG Lüneburg Az: 1 LC 86/09 Urteil

Gründe

1Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

2Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).

31. Die Frage,

ob nur Kosten umlagefähig sind, die sich aus den ursprünglichen Schulplanungen ergeben haben abzüglich etwaiger Zuschüsse von dritter Seite, im vorliegenden Fall also des Landkreises Diepholz,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass einem Folgekostenvertrag die für die städtebaulichen Maßnahmen insgesamt entstandenen Kosten zugrunde gelegt werden können. Dabei sind die Zuschüsse Dritter abzuziehen ( BVerwG 4 C 15.07 - BVerwGE 133, 85 Rn. 34). Daraus ergibt sich, dass es für die gerichtliche Kontrolle auf die der Gemeinde tatsächlich entstandenen Kosten ankommt. Auf die Höhe der Kosten, wie sie "ursprünglichen Schulplanungen" zugrunde gelegen haben, könnte es nur ankommen, wenn die von der Beschwerde angesprochenen und im Urteil behandelten (UA S. 20) Mehrkosten zum einen unangemessen und zum anderen auch umgelegt worden wären. Das Oberverwaltungsgericht hat aber ausdrücklich festgestellt, dass die Mehrkosten nicht durch Folgekostenbeiträge umgelegt worden seien.

42. Die Frage,

ob in das Gesamtkonzept einer Gemeinde auch Gebiete völlig unterschiedlichen Charakters und insbesondere solche Gebiete mit eingestellt werden dürfen, die überhaupt keinen Zusatzbedarf an städtebaulichen Folgemaßnahmen hervorrufen,

bedarf ebenfalls keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Mit der Formulierung "Gebiete völlig unterschiedlichen Charakters" nimmt die Beschwerde Bezug auf die Unterscheidung, die das Oberverwaltungsgericht zwischen Zuzugsgebieten und Eigenentwicklungsgebieten macht (UA S. 21 ff.). Es kann nicht zweifelhaft sein, dass auch Gebiete mit unterschiedlichen Eigenschaften in das Gesamtkonzept eingestellt werden können. Dem ist gegebenenfalls durch eine unterschiedliche Behandlung Rechnung zu tragen (hierzu UA S. 21). Gebiete, die überhaupt keinen Zusatzbedarf an städtebaulichen Folgemaßnahmen hervorrufen, sind nach den - nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen - Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht einbezogen worden (UA S. 23). Die Klägerin wendet sich im Gewand der Grundsatzrüge gegen die tatrichterliche Würdigung, dass der Zuzug in Eigenentwicklungsgebiete einen Folgebedarf auslöst. Mit einer Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung ist der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO jedoch nicht dargelegt.

53. Die Formulierung,

ob die Bewertung des anzufechtenden Urteils trotz der <vorstehend> unter a) bis f) aufgeführten Sachverhalte dem vom Bundesverwaltungsgericht herausgearbeiteten Gebot der Transparenz überhaupt noch entspricht oder ob dies verletzt ist,

lässt ebenfalls keinen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf erkennen. Der Senat hat in seinem dieselben Beteiligten betreffenden Urteil vom folgende Grundsätze aufgestellt (a.a.O. Rn. 32; vgl. auch BVerwG 4 C 11.10 - BVerwGE 139, 262 Rn. 11):

Ein Gesamtkonzept, wie es die Beklagte hier für sich in Anspruch nimmt, erfüllt nur dann die gesetzlichen Anforderungen, wenn die Gemeinde transparent, nachvollziehbar und damit kontrollierbar belegen kann, dass die von ihr in einem überschaubaren zeitlichen Zusammenhang zu beschließenden und realistischerweise verwirklichungsfähigen Bebauungspläne (oder anderen Satzungen) einen (weiteren) Bedarf an öffentlichen Einrichtungen hervorrufen. Ein derartiges Konzept muss vom Rat der Gemeinde beschlossen und damit von seiner planerischen und gestaltenden Willensbildung gedeckt sein. Wenn mehrere Bebauungspläne zur Begründung eines Bedarfs an öffentlichen Einrichtungen herangezogen werden sollen, kann dies - worauf die Beklagte vorliegend in besonderer Weise Bezug nimmt - mit einer Änderung des Flächennutzungsplans einhergehen. Dieser bereitet die weitere Planung durch Bebauungspläne vor und strukturiert damit die planerischen Absichten der Gemeinde auf einer übergreifenden Ebene. In jedem Fall muss anhand nachvollziehbarer und realistischer Prognosen dargelegt werden, mit welcher Zunahme der Bevölkerung gerechnet wird. Daraus ist abzuleiten und anhand von Erfahrungswerten zu belegen, welcher Bedarf an öffentlichen Anlagen und Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen, dadurch hervorgerufen wird und welche Kosten in dessen Folge (nach Abzug von Zuschüssen etc.) auf die Gemeinde zukommen.

6Auf dieser Grundlage hat das Oberverwaltungsgericht die Beschlüsse des Rats überprüft. Dass ein Gesamtkonzept im Sinne dieser Rechtsprechung aus mehreren Beschlüssen des Rats bestehen kann, versteht sich von selbst. Die weitere Kritik der Beschwerde am Vorgehen der Antragsgegnerin unter b) bis f) betrifft Besonderheiten des Einzelfalls, die einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich sind, oder Fragen des Landes-Kommunalrechts.

74. Die zum Gleichheitssatz gestellte Frage legt wie die oben unter 2. behandelte einen Sachverhalt zugrunde, der vom Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt worden ist. Denn dieses geht davon aus, dass auch in den Eigenentwicklungsgebieten ein Folgebedarf entsteht. Die Beschwerde legt auch keinen Klärungsbedarf zur Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes dar (vgl. hierzu Urteile vom a.a.O. Rn. 34 sowie vom a.a.O. Rn. 20).

85. Auch die Frage,

ob eine Unangemessenheit durch Überkompensation nicht auch dann besteht, wenn - abweichend vom ursprünglichen Konzept - bewusst Mehrkosten des Bauvorhabens aufgewendet werden, weil inzwischen ein Zuschuss von dritter Stelle erfolgt ist,

legt einen Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz nicht festgestellt hat. Das Oberverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Beklagte schon bei der Erstellung des Strukturplans die Absicht gehabt hat, eine besser ausgestattete Schule zu errichten (vgl. UA S. 4).

96. Die Frage,

ob nicht bei Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes die Gesamtbelastung des individuellen bau- oder veräußerungswilligen Grundstückseigentümers unangemessen ist mit der Folge, dass aus diesem Grund ein Folgekostenvertrag unwirksam ist,

rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass bei der Prüfung der Angemessenheit alle in einem städtebaulichen Vertrag enthaltenen Verpflichtungen des Grundstückseigentümers im Zusammenhang und damit in ihrer wirtschaftlichen Gesamtwirkung zu würdigen sind. Dies gilt in besonderer Weise bei einem Vertrag der vorliegenden Art, in dem sowohl eine Beschränkung des Preises bei einer Veräußerung des Grundstücks als auch eine Pflicht zur Zahlung von Folgekosten vereinbart worden sind (Urteil vom a.a.O. Rn. 34). Dem ist das angegriffene Urteil gerecht geworden. Auch bei einer Gesamtschau des Folgekostenbeitrags und der durch den städtebaulichen Vertrag vorgenommenen Preisdeckelung gelangt das Gericht indes zu einer Gesamtbelastung von etwa 28 % (UA S. 26). Damit stellt sich die Anwendbarkeit des sog. Halbteilungsgrundsatzes vorliegend nicht. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu diesem Grundsatz betreffen lediglich eine Hilfserwägung, auf der das Urteil nicht beruht (UA S. 26 letzter Absatz). Im Übrigen weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass auch das Bundesverfassungsgericht selbst für die Belastung mit Steuern (Einkommen- und Gewerbesteuer) den sog. Halbteilungsgrundsatz nicht als Belastungsobergrenze ansieht ( - BVerfGE 115, 97, 114).

10Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Fundstelle(n):
XAAAE-12561