BGH Beschluss v. - VIII ZB 79/11

Kostenfestsetzungsverfahren: Unterbrechung durch Insolvenz eines Verfahrensbeteiligten

Leitsatz

Das Kostenfestsetzungsverfahren wird auch dann durch die Insolvenz eines Verfahrensbeteiligten unterbrochen, wenn zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung die Kostengrundentscheidung bereits rechtskräftig ist (Fortführung von , NZI 2006, 128).

Gesetze: § 104 ZPO, § 240 ZPO

Instanzenzug: Az: 15 W 67/11vorgehend Az: 15 O 132/10 KfH

Gründe

I.

1Die Parteien haben zur Beilegung von zwei ursprünglich getrennt geführten Verfahren einen Vergleich geschlossen, dessen Zustandekommen mit festgestellt worden ist. Danach trägt die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs und des Mehrvergleichs, welche die Parteien jeweils selbst tragen. Am haben die Klägerinnen beantragt, die ihnen entstandenen Kosten gegen die Beklagte festzusetzen. Nachdem am das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet worden war, hat das die Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens festgestellt. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

2Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 575 ZPO) ist unbegründet.

31. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Das Kostenfestsetzungsverfahren sei durch die Insolvenz der Beklagten gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden. Denn das Kostenfestsetzungsverfahren gemäß §§ 103, 104 ZPO stelle ein selbständiges Verfahren dar, auf welches § 240 ZPO unabhängig davon anwendbar sei, ob der zugrundeliegende Rechtsstreit noch anhängig oder - wie hier - rechtskräftig abgeschlossen sei. Auch der Sinn und Zweck des § 240 ZPO, dem Insolvenzverwalter und den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zu geben, sich auf die durch die Insolvenzeröffnung eingetretene Veränderung der Sachlage einzustellen, spreche in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Auffassung in der neueren Rechtsprechung und Literatur für die Unterbrechungswirkung. Gegen eine Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens gemäß § 240 ZPO spreche, anders als die Beschwerde meine, auch nicht etwa, dass die Kostenfestsetzung "lediglich die Rechnung der Kosten" darstellen würde. Vielmehr handele es sich bei dem Kostenfestsetzungsverfahren um ein vielfach kontrovers geführtes Verfahren, das über eine bloße Berechnung feststehender Positionen auf der Grundlage einer Kostengrundentscheidung weit hinausgehe.

42. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Beschwerdegericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die Insolvenz der Beklagten gemäß §§ 240, 249 ZPO zur Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens geführt hat.

5Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass ein Kostenfestsetzungsverfahren für die Kosten der Vorinstanzen auch dann unterbrochen ist, wenn die Unterbrechungswirkung erst in einem späteren Rechtszug eintritt und die Kostengrundentscheidung somit nicht rechtskräftig wird (, NZI 2006, 128 unter II 2). Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde wird das Kostenfestsetzungsverfahren indes auch dann durch die Insolvenz eines Verfahrensbeteiligten unterbrochen, wenn zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung die Kostengrundentscheidung bereits rechtskräftig ist.

6Denn durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Dies hat zur Folge, dass der Schuldner auch die Prozessführungsbefugnis verliert, soweit die Insolvenzmasse betroffen ist (BAGE 120, 27, 29; BAG, NJW 2009, 3529, 3530; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 80 Rn. 9; vgl. RGZ 29, 29, 32 ff.), so dass ein Rechtsstreit nicht ohne Beteiligung des Insolvenzverwalters fortgeführt werden kann. Dies gilt auch für das Kostenfestsetzungsverfahren (, aaO; OLG Brandenburg, OLGR 2007, 424 f.; ZInsO 2011, 398 f.; KG Berlin, FamRZ 2008, 1203 f.; OLG Hamm, OLGR 2005, 95 f.). Denn das Kostenfestsetzungsverfahren ist ein selbständiges, an das Verfahren des ersten Rechtszuges angegliedertes (§ 103 Abs. 2 ZPO) Verfahren (, NJW 2008, 2040 Rn. 6; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 103 Rn. 2).

7Auch der Sinn und Zweck der §§ 240, 249 ZPO gebietet entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung eine Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens (, aaO). Mit der Unterbrechung soll den Beteiligten des Verfahrens und dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit gegeben werden, sich auf die durch die Insolvenz einer Partei eingetretene Veränderung der Sachlage einzustellen. Zwar ist der Kostenerstattungsanspruch bei Vorliegen eines Titels - wie hier der Fall - bereits dem Grunde nach gegeben; die Höhe dieses Anspruchs steht jedoch erst aufgrund des - gegebenenfalls streitig zu führenden - Kostenfestsetzungsverfahrens fest. Es ist daher geboten, auch insoweit dem Verwalter Gelegenheit zu geben, sich hinsichtlich des Verfahrens sachkundig zu machen und die Aufnahme des Verfahrens zu prüfen (, aaO; KG Berlin, aaO).

III.

8Bei der Festsetzung des Streitwertes hat der Senat 10 % der geltend gemachten Kostenausgleichsforderung zugrunde gelegt, da eine höhere Verteilungsquote im Insolvenzverfahren weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist (vgl. § 182 InsO; , aaO unter III mwN).

Ball                                               Dr. Frellesen                                               Dr. Milger

                      Dr. Fetzer                                                  Dr. Bünger

Fundstelle(n):
DStR 2012 S. 14 Nr. 32
NJW 2012 S. 8 Nr. 28
WM 2012 S. 1200 Nr. 25
ZIP 2012 S. 1263 Nr. 25
EAAAE-11701