BGH Beschluss v. - 4 StR 241/11

Mord durch Unterlassen: Prüfung einer Strafrahmenmilderung

Gesetze: § 13 Abs 2 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 211 StGB

Instanzenzug: LG Mönchengladbach Az: 27 Ks 6/10 - 501 Js 467/10 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.

2Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen teilweisen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3Der Schuldvorwurf des versuchten Mordes (in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und Fahren ohne Fahrerlaubnis) im Fall II. 3 der Urteilsgründe beruht darauf, dass der Angeklagte, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, in der Nacht zum mit einem Pritschenwagen Daimler-Benz „Sprinter“ nach einer Kollision mit einem Fahrradfahrer, den er wegen Unaufmerksamkeit nicht bemerkt und deshalb mit seinem etwa 70 km/h schnellen Fahrzeug erfasst und zu Fall gebracht hatte, den Unfallort verließ, ohne ärztliche Hilfe zu holen oder sonstige Rettungsmaßnahmen zu ergreifen, um nicht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bestraft zu werden. Nach den Feststellungen der Strafkammer erlitt der Geschädigte bei dem Unfall lebensgefährliche innere Verletzungen, so dass er auch bei sofortiger Verständigung des Notarztes wahrscheinlich nicht mehr hätte gerettet werden können. Der Angeklagte rechnete mit der Möglichkeit lebensbedrohlicher Verletzungen, die sofortige medizinische Hilfe erfordert hätten. Kurze Zeit, nachdem sich der Angeklagte entfernt hatte, fanden andere Verkehrsteilnehmer den Geschädigten, der trotz einer sofortigen Notoperation verstarb.

II.

41. Der Schuldspruch wegen eines versuchten Tötungsdeliktes durch Unterlassen (in Tatmehrheit mit fahrlässiger Tötung [Fall II. 2 der Urteilsgründe]) hält rechtlicher Nachprüfung stand (vgl. insoweit , BGHSt 7, 287, 288; , bei Dallinger MDR 1966, 22, 24). Auch die Annahme von Verdeckungsabsicht begegnet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keinen rechtlichen Bedenken (vgl. aaO; , BGHSt 41, 358, 360 ff.; aaO insoweit überholt; vgl. dazu Fischer StGB 58. Aufl., § 211 Rn. 72 m.w.N.).

52. a) Auf der Grundlage dieser zutreffenden rechtlichen Würdigung kam neben der von der Strafkammer vorgenommenen Milderung des Strafrahmens wegen Versuchs (§ 23 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB) auch eine solche gemäß § 13 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB in Betracht. Das Landgericht hat jedoch nicht geprüft, ob bei der von ihm angenommenen Begehung des Tötungsdelikts durch Unterlassen die Strafe hier zu mildern war.

6b) Die Frage, ob eine Strafrahmenmilderung nach § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB geboten ist, muss der Tatrichter in einer wertenden Gesamtwürdigung der wesentlichen unterlassungsbezogenen Gesichtspunkte prüfen und seine Auffassung in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise darlegen. Dabei sind vor allem diejenigen Umstände zu berücksichtigen, die etwas dazu aussagen, ob das Unterlassen im Verhältnis zur Begehungstat weniger schwer wiegt oder nicht. Besondere Bedeutung kommt der Frage zu, ob die gebotene Handlung von dem Unterlassungstäter mehr verlangt als den Einsatz rechtstreuen Willens (, NJW 1982, 393; Beschluss vom – 2 StR 94/87, BGHR StGB § 13 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 1).

73. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom zutreffend ausgeführt hat, kann der Senat im Hinblick auf die für die Milderung nach § 13 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB maßgebenden Gesichtspunkte im vorliegenden Fall nicht ausschließen, dass das Landgericht die Strafrahmenmilderung vorgenommen und eine geringere Einsatzstrafe verhängt hätte. Die Aufhebung der Einzelstrafe (als Einsatzstrafe) zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.

Ernemann                                    Roggenbuck                                           Franke

                         Bender                                                  Quentin

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Fundstelle(n):
QAAAD-88457