BGH Beschluss v. - VI ZR 190/10

Beweisaufnahme im Zivilverfahren: Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Unterlassung einer gebotenen Zeugenvernehmung

Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 286 Abs 1 S 1 ZPO, § 373 ZPO

Instanzenzug: Saarländisches Az: 5 U 429/09 - 98 Urteilvorgehend Az: 4 O 462/08

Gründe

I.

1Der Kläger, der Bürgermeister der Gemeinde W., verlangt von den Beklagten die Richtigstellung von Äußerungen in einem Beitrag, der am um die Mittagszeit im Programm SR 3 Saarlandwelle-Region des Beklagten zu 1 ausgestrahlt worden ist. Die der Sendung zugrunde liegenden Fakten wurden vom Beklagten zu 2 recherchiert. In dem Beitrag wurde u.a. behauptet, dass Mitarbeiter des Bauhofes und des Parkbades der Gemeinde W. gegenüber dem Zeugen St., dem Leiter des Landesbezirks der Gewerkschaft Verdi, darüber geklagt hätten, dass sie mit Videokameras überwacht würden. Der Kläger bestreitet, dass Beschwerden durch die betreffenden Mitarbeiter geführt worden seien und eine Überwachung erfolgt sei. Die auf dem Gelände des Schwimmbades installierten Kameras seien zum Schutz vor Vandalismus aufgestellt worden. Zwischenzeitlich seien sie wieder entfernt worden.

2Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

3Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht durfte das Beweisangebot des Klägers auf Vernehmung der betreffenden Bediensteten als Zeugen nicht außer Betracht lassen, obwohl es sich von der Richtigkeit der unter Beweis gestellten Behauptungen nicht überzeugen konnte. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, NJW 2005, 1487).

4Zutreffend beurteilt das Berufungsgericht allerdings die angegriffenen Äußerungen nach ihrem Aussagegehalt als Tatsachenbehauptungen, deren Unwahrheit nach allgemeinen Beweisregeln grundsätzlich der Kläger zu beweisen hat (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 20 mwN). Der Antrag des Klägers war nicht schon deshalb unbeachtlich, weil er auf eine rechtlich unzulässige Ausforschung des zugrunde liegenden Sachverhalts gerichtet gewesen wäre (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. vor § 284 Rn. 5). Im Streitfall hat der Kläger keine andere Möglichkeit einer Beweisführung, als - wie geschehen - sämtliche Bedienstete der Gemeinde in dem fraglichen Bereich zu Zeugen anzubieten.

5Der Beweis einer negativen Tatsache, wie er vom Kläger zu führen ist, begegnet im Allgemeinen besonderen Beweisschwierigkeiten, doch ändert dies noch nicht die Beweislast (vgl. Senat, Urteil vom - VI ZR 304/82, VersR 1985, 42, 43 mwN). Den Schwierigkeiten, denen sich die Partei gegenübersieht, die das Negativum (das Nichtvorliegen der Tatsache) beweisen muss, ist im Rahmen des Zumutbaren regelmäßig dadurch zu begegnen, dass sich der Prozessgegner seinerseits nicht mit bloßem Bestreiten begnügen darf, sondern darlegen muss, welche tatsächlichen Umstände für das Vorliegen des Positiven sprechen. Der Beweispflichtige genügt dann der ihm obliegenden Beweispflicht, wenn er die gegnerische Tatsachenbehauptung widerlegt oder ernsthaft in Frage stellt (vgl. , NJW-RR 1993, 746, 748). Im Streitfall ist den Beklagten die namentliche Benennung der Informanten schon deshalb nicht zumutbar, weil der Zeuge St. auch dem Beklagten zu 2 gegenüber Angaben, mit denen die Identifizierung der Informanten möglich wäre, nicht gemacht hat. Unter diesen Umständen konnte der Kläger nur alle in Betracht kommenden Bediensteten als Zeugen benennen.

6Das Berufungsgericht war gehalten, trotz der eidesstattlichen Versicherungen die Zeugen zu vernehmen. Der Annahme, dass diese wahrheitswidrig aus Sorge vor Nachteilen im Arbeits- oder Dienstverhältnis abgegeben worden seien, liegt eine unzulässige Beweisantizipation zugrunde. Will das Gericht Aussagen aufgrund fehlender Glaubwürdigkeit der Zeugen außer Betracht lassen, hat es sich einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit der Zeugen und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen zu verschaffen. Dem entspricht, dass das Berufungsgericht bei pflichtgemäßer Ausübung des ihm durch §§ 525 Satz 1, 398 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens einen bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals vernehmen muss, wenn es dessen Glaubwürdigkeit abweichend vom Erstrichter beurteilen will (vgl. Senat, Urteile vom - VI ZR 262/95, NJW 1997, 466; vom - VI ZR 30/97, NJW 1998, 2222, 2223; , BGHZ 158, 269, 274 f. mwN). Die Verwertung eidesstattlicher Versicherungen im Wege des Urkundenbeweises ist mangels des persönlichen Eindrucks hierfür ungeeignet.

7Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Vernehmung der angebotenen Zeugen zu einem anderen Beweisergebnis und mithin zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre. Schon aufgrund der öffentlichen Stellung des Klägers besteht ein berechtigtes Interesse an der begehrten Richtigstellung bei Erweislichkeit der Unwahrheit der Tatsachen, weil deren Behauptung das Persönlichkeitsrecht des Klägers in schwerwiegender Weise beeinträchtigt.

Galke                                Zoll                                   Diederichsen

                 Pauge                              von Pentz

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Fundstelle(n):
IAAAD-79528