BAG Urteil v. - 10 AZR 362/09

Betrieblicher Geltungsbereich des VTV-Bau - Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung - Betrieb des Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärhandwerks

Gesetze: § 1 Abs 2 Abschn VII Nr 12 VTV-Bau, § 1 Abs 2 Abschn II VTV-Bau, § 5 Abs 4 TVG

Instanzenzug: Az: 98 Ca 62519/06 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 23 Sa 792/08 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten noch über die Verpflichtung der Beklagten, für den Zeitraum von Dezember 2005 bis Dezember 2006 nach den tarifvertraglichen Regelungen des Sozialkassenverfahrens der Bauwirtschaft Auskunft zu erteilen und im Falle nicht fristgerechter Auskunftserteilung eine Entschädigung iSv. § 61 Abs. 2 ArbGG zu leisten.

2Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse für das Baugewerbe. Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Der Beitragseinzug richtet sich nach den Bestimmungen des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV).

3Bei dem Betrieb der Beklagten handelt es sich um einen Mischbetrieb, in dem unter anderem Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Elektroinstallationsarbeiten sowie Anstreich-, Tapezier-, Maurer- und Trockenbauarbeiten ausgeführt werden.

Der VTV ist in der Fassung vom mit Wirkung vom und in der Fassung vom mit Wirkung vom für allgemeinverbindlich erklärt worden (AVE-Bekanntmachung vom , BAnz. Nr. 71 vom S. 2729). In Abschn. III Nr. 6 enthält die Allgemeinverbindlicherklärung die nachfolgende Einschränkung:

5Die Beklagte ist Mitglied der Innung für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Oder Spree (Innung), die Mitglied des Fachverbands Sanitär, Heizung, Klempner, Klima Land Brandenburg (Landesinnungsverband) ist. Dieser ist wiederum Mitglied des Zentralverbands Sanitär - Heizung - Klima (Bundesinnungsverband). Der Landesinnungsverband hat mit der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) mehrere Tarifverträge, darunter den „Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer in den SHK-Handwerken“ (nachfolgend: MTV SHK-Handwerke Brandenburg) geschlossen, die mit Wirkung zum in Kraft traten.

Der MTV SHK-Handwerke Brandenburg bestimmt seinen Geltungsbereich wie folgt:

7Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Betrieb der Beklagten falle unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV. Die betriebliche Gesamtarbeitszeit bestehe lediglich zu etwa 40 % aus Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärinstallationsarbeiten. Die restliche Arbeitszeit verteile sich auf Elektroinstallationsarbeiten (etwa 15 %), auf Anstreich- und Tapezierarbeiten (etwa 9 %), auf die Herstellung und den Einbau von Fenstern und Türen aus Metall (etwa 16 %) und auf Maurer- sowie Trockenbauarbeiten (etwa 20 %). In dem Betrieb der Beklagten würden daher überwiegend Tätigkeiten des Ausbaugewerbes iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV bzw. Maurerarbeiten und Trocken- und Montagebauarbeiten (§ 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 23 und 37 VTV) ausgeführt. Der betriebliche Geltungsbereich werde nicht durch § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV eingeschränkt, da nicht mehr als die Hälfte der betrieblichen Gesamtarbeitszeit auf eines der dort aufgeführten Gewerke entfalle.

Die Klägerin hat beantragt,

9Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und sich auf die Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeit gem. Abschn. III Nr. 6 der AVE-Bekanntmachung vom berufen. Über die Hälfte der betrieblichen Tätigkeiten entfielen auf die Gewerke „Sanitär, Heizung, Klempner und Klima“. Im Jahr 2005 seien 52,93 % und im Jahr 2006 52,61 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit auf den Bereich „HLS“ (Heizung, Lüftung, Sanitär) entfallen. Der MTV SHK-Handwerke Brandenburg sei im Verhältnis zu den Tarifverträgen des Baugewerbes spezieller.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin nach Beweisaufnahme zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Auskunfts- und Entschädigungsansprüche für den Zeitraum von Januar bis November 2005 haben die Parteien in der Revisionsverhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt.

Gründe

11Die zulässige Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Der Senat kann in der Sache mangels entsprechender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

12I. Es ist nicht auszuschließen, dass der Betrieb der Beklagten unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fällt.

131. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV hängt davon ab, ob in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschn. I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Werden baugewerbliche Tätigkeiten in diesem Sinne erbracht, sind ihnen diejenigen Nebenarbeiten ebenfalls zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen (Senat - 10 AZR 370/03 - zu II 1 b der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 264; - 10 AZR 507/01 - zu II 2 der Gründe). Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst und auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an (st. Rspr., zB Senat - 10 AZR 593/08 - Rn. 16).

142. Das Landesarbeitsgericht hat zunächst zutreffend angenommen, dass in dem Betrieb während des Streitzeitraums nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV ausgeübt worden sind.

15a) Gem. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV werden solche Betriebe vom VTV erfasst, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Bauliche Leistungen umfassen alle Arbeiten, die - wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet - der Errichtung und Vollendung von Bauwerken oder der Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken zu dienen bestimmt sind, damit diese in vollem Umfang ihre bestimmungsgemäßen Zwecke erfüllen können. Hierzu gehören auch die Arbeiten des Ausbaugewerbes (Senat - 10 AZR 850/08 - Rn. 25 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 318).

16b) Dass die in dem Betrieb der Beklagten ausgeübten Tätigkeiten zugleich den Berufsbildern des Gas- und Wasserinstallateurs, des Zentralheizungs- und Lüftungsbauers, des Elektroinstallateurs oder dem eines Malers und Lackierers entsprechen können, ist unerheblich. § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV nimmt eine Reihe von Betrieben des Ausbaugewerbes ausdrücklich von dem Geltungsbereich des VTV aus. Damit sind alle nicht ausdrücklich in § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV ausgenommenen Betriebe des Ausbaugewerbes als Betriebe des Baugewerbes iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV anzusehen ( - zu II 3 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 135).

173. Aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht abschließend entschieden werden, ob der Betrieb der Beklagten während des Streitzeitraums gem. § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen war.

18a) § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV nimmt Betriebe des Klempnerhandwerks, des Gas- und Wasserinstallationsgewerbes, des Elektroinstallationsgewerbes, des Zentralheizungsbauer- und Lüftungsbauergewerbes sowie des Klimaanlagenbaus vom Geltungsbereich des VTV aus, soweit nicht Arbeiten der in Abschn. IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden. Ein Betrieb iSd. Ausnahmetatbestände kann aber nur dann vorliegen, wenn in ihm arbeitszeitlich zu mehr als der Hälfte Tätigkeiten verrichtet werden, die als solche einem der jeweiligen Handwerks- oder Gewerbezweige zuzuordnen sind. Einzelne, verschiedenen Ausnahmetatbeständen zuzuordnende Tätigkeiten sind dabei nicht zusammenzurechnen (vgl. zuletzt Senat - 10 AZR 850/08 - Rn. 28 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 318). Allerdings fallen Betriebe des „Gas- und Wasserinstallationsgewerbes“ und des „Zentralheizungsbauer- und Lüftungsbauergewerbes“ nach der zum erfolgten Zusammenfassung zum Gewerbe „Installateur und Heizungsbauer“ und der nachfolgenden Zusammenführung der Ausbildung zur/zum Anlagenmechaniker/in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik nicht mehr unter verschiedene Ausnahmetatbestände. Eine Differenzierung danach, ob in dem Betrieb Tätigkeiten ausgeführt werden, die für das Gas- und Wasserinstallationsgewerbe oder das Zentralheizungsbauer- und Lüftungsbauergewerbe typisch sind, ist daher nicht mehr möglich. Eine Ausnahme vom betrieblichen Geltungsbereich liegt vielmehr bereits dann vor, wenn in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten des Gewerbes „Installateur und Heizungsbauer“ verrichtet werden (Senat - 10 AZR 73/09 - Rn. 18 ff., AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 313).

19b) Die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, ob im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten des Gewerbes „Installateur und Heizungsbauer“ ausgeübt worden sind.

20Die Beklagte hatte zunächst vorgetragen, der Anteil der Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärinstallationen habe mehr als 50 % der Gesamtarbeitszeit ausgemacht. Im Laufe des Prozesses hat sie genaue Prozentangaben auf die Gewerke „Sanitär, Heizung, Klempner und Klima“ bezogen. In den von ihr vorgelegten Listen ist das Kürzel „HLS“ erwähnt. Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, von ihrer betrieblichen Gesamtarbeitszeit seien in dem Jahr 2005 52,9 % und in dem Jahr 2006 52,6 % auf die Gewerke „Sanitär, Heizung, Klempner und Klima“ entfallen. Damit ist nicht hinreichend erkennbar, ob sich die nach der Beweiswürdigung durch das Landesarbeitsgericht ergebenden Anteile an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausschließlich auf das nach der neueren Rechtsprechung des Senats zusammenzufassende Gewebe „Installateur und Heizungsbauer“ beziehen oder ob nicht etwa auch Klempnertätigkeiten enthalten sind, die nicht hinzuzurechnen wären. Diese Feststellungen wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben.

21II. Sollte die gebotene Sachaufklärung zu dem Ergebnis führen, dass im Streitzeitraum arbeitszeitlich überwiegend Installateur- und Heizungsbauertätigkeiten ausgeübt wurden, so scheidet eine Anwendung des VTV bereits wegen § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV aus. Anhaltspunkte dafür, dass die Rückausnahme nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 letzter Halbs. VTV einschlägig ist oder dass ein baugewerbliches Gepräge im Hinblick auf sog. „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“ besteht (vgl. dazu zuletzt Senat - 10 AZR 351/09 -), sind nicht ersichtlich.

22III. Sofern das Landesarbeitsgericht wieder zu der Feststellung gelangt, dass kein Gewerbe iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV arbeitszeitlich überwiegend ausgeführt wurde, ist zwischen den Jahren 2005 und 2006 zu differenzieren.

231. Die Klage auf Auskunft und Entschädigung für den Monat Dezember 2005 kann nach Ablauf des keinen Erfolg mehr haben (vgl. dazu Senat - 10 AZR 169/04 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 113, 21). Sofern die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklären, ist noch entsprechend § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Kosten zu entscheiden. Dabei wird das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass die Allgemeinverbindlicherklärung für das Jahr 2005 nicht eingeschränkt war und der VTV deshalb anwendbar wäre.

24a) Für das Jahr 2006 entspricht die Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeit dem von den Tarifvertragsparteien für den Zeitraum ab dem gestellten Antrag (BAnz. Nr. 248 vom S. 17325). In dem Antrag für den Zeitraum ab dem (BAnz. Nr. 247 vom S. 24681) hatten die Tarifvertragsparteien hingegen beantragt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung „gemäß dem Ersten Teil der Maßgaben in der Bekanntmachung über die Allgemeinverbind-licherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom (BAnz. Nr. 20 vom S. 1385)“ einzuschränken sei. In der AVE-Bekanntmachung vom befand sich keine mit dem Ersten Teil Abschn. III Nr. 6 der AVE-Bekanntmachung vom vergleichbare Regelung. Dem Wortlaut nach differenziert die Einschränkung trotzdem nicht zwischen dem nach Buchst. e mit Wirkung zum für allgemeinverbindlich erklärten VTV in der Fassung vom und dem nach Buchst. f mit Wirkung zum für allgemein-verbindlich erklärten VTV in der Fassung vom . Der Senat hat bereits entschieden, dass insoweit ein redaktionelles Versehen des Normgebers vorliegt ( - 10 AZR 559/09 - Rn. 14 ff., NZA 2010, 953). Wie der Gesamtzusammenhang der Regelung zeigt, sollten beide Tarifverträge mit den jeweils beantragten Einschränkungen für allgemeinverbindlich erklärt werden. Dies verdeutlicht die Überschrift des Ersten Teils der Allgemeinverbindlicherklärung vom , indem es dort heißt: „Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung auf Antrag“. Es ist weder davon auszugehen, dass der Normgeber die Allgemeinverbindlichkeit über den Antrag hinaus erweitern (vgl. dazu Senat - 10 AZR 559/09 - Rn. 18, aaO) noch dass er nicht beantragte Einschränkungen vornehmen wollte. Demnach bestimmt sich der Umfang der Allgemeinverbindlichkeit für das Jahr 2005 nach wie vor nach dem Ersten Teil der Maßgaben in der Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom (BAnz. Nr. 20 vom S. 1385).

25b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist es der Klägerin nicht verwehrt, sich auf die fehlende Einschränkung zu berufen. Die zugunsten der Klägerin bestehenden Auskunfts- und Beitragspflichten betreffen nicht nur das Verhältnis zwischen den Parteien, sondern auch schutzwürdige Drittinteressen. Das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe soll den besonderen tatsächlichen Arbeits- und Produktionsbedingungen dieses Wirtschaftszweigs Rechnung tragen. Die von den Tarifvertragsparteien geschaffenen gemeinsamen Einrichtungen dienen in erster Linie den Interessen der Arbeitnehmer. Diesen soll beispielsweise durch besondere Urlaubsregelungen ermöglicht werden, trotz eines Wechsels des Arbeitgebers einen zusammenhängenden Urlaubsanspruch zu erwerben. Durch eine Zusatzversorgung wird einer Minderung der Rente durch häufige Arbeitsausfälle entgegengewirkt. Auf Arbeitgeberseite kommt es zu einer Form des gemeinsamen Lastenausgleichs. Aus diesem Grund legt § 32 Abs. 1 VTV der Klägerin ausdrücklich die Pflicht auf, die von ihr einzuziehenden Beiträge rechtzeitig und vollständig zu erheben. Dies hat gleichmäßig von allen tarifunterworfenen Arbeitgebern zu erfolgen. Der Erlass von Ansprüchen ist nur unter den in § 32 Abs. 2 VTV besonders geregelten Voraussetzungen möglich (Senat - 10 AZR 850/08 - Rn. 37, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 318). Diese übergeordneten Interessen würden missachtet, könnte sich die Beklagte aufgrund eines Redaktionsversehens des Normgebers dem Sozialkassenverfahren entziehen. Darüber hinaus konnte ein etwaiges Vertrauen in die Richtigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung ohnehin erstmals durch die AVE-Bekanntmachung vom und somit nach Ablauf des Kalenderjahres 2005 begründet werden. Bis dahin bestand für die Beklagte keinerlei Veranlassung, daran zu zweifeln, dass sich der Umfang der Allgemeinverbindlicherklärung nach dem Antrag vom richtet.

26c) Darüber hinaus wird das Landesarbeitsgericht im Rahmen der Kostenentscheidung die Frage einer möglichen Tarifkonkurrenz zwischen dem VTV und dem MTV SHK-Handwerke Brandenburg zu berücksichtigen haben.

272. Für den Zeitraum ab Januar 2006 käme es darauf an, ob der Betrieb der Beklagten aufgrund der Einschränkung im Ersten Teil Abschn. III Nr. 6 der AVE-Bekanntmachung von der allgemeinverbindlichen Geltung des VTV ausgenommen ist.

28Da der Betrieb der Beklagten nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im streitgegenständlichen Zeitraum mittelbar Mitglied des Zentralverbands Sanitär - Heizung - Klima war und seinen Sitz in Brandenburg hat, wird er vom MTV SHK-Handwerke Brandenburg erfasst, wenn er unter dessen fachlichen Geltungsbereich fällt (Senat - 10 AZR 576/05 - Rn. 30, BAGE 120, 1). Dabei ist durch Tarifauslegung der genaue Geltungsbereich dieses Tarifvertrags zu bestimmen. Tarifvertragsschließende Partei war auf Arbeitgeberseite der Fachverband Sanitär, Heizung, Klempner, Klima Land Brandenburg als Landesinnungsverband. Der Geltungsbereich ist mit der Bezeichnung „Betriebe und Nebenbetriebe der SHK-Handwerke“ vor diesem Hintergrund nicht eindeutig bestimmt. Beispielsweise lässt sich nicht erkennen, ob das Klempnerhandwerk von dem Tarifvertrag erfasst wird. Weitere Feststellungen sind dazu nicht getroffen; auch die Parteien hatten noch keine Gelegenheit, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Der Senat ist daher mangels Tatsachengrundlage nicht in der Lage, die entsprechende Auslegung selbst vorzunehmen. In einem weiteren Schritt wird festzustellen sein, ob der Betrieb der Beklagten überwiegend Tätigkeiten innerhalb dieses Geltungsbereichs ausgeführt hat. Ist dies zu bejahen, kommt es darauf an, ob es sich beim MTV SHK-Handwerke Brandenburg um einen spezielleren Tarifvertrag iSd. Ersten Teils Abschn. III Nr. 6 der AVE-Bekanntmachung handelt. Die Frage der Spezialität hängt maßgebend von den konkreten Erfordernissen und Eigenarten des Betriebs und der Tätigkeit der beschäftigten Arbeitnehmer ab. Sie kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall unter Heranziehung einschlägiger Kriterien beantwortet werden. Den maßgebenden Kriterien - der räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Nähe des Tarifvertrags - kommt dabei notwendigerweise je nach diesen Erfordernissen und Eigenarten unterschiedliches Gewicht zu, wobei der fachliche (betriebliche) Geltungsbereich besonderes Gewicht hat ( - BAGE 98, 263) und eine abschließende Gesamtabwägung vorzunehmen ist. Eine allgemeingültige Entscheidung der Frage, ob handwerksspezifische Spartentarifverträge spezieller als der BRTV oder der VTV sind, gibt es nicht ( - Rn. 42). Im Hinblick auf die fehlenden Feststellungen zum Geltungsbereich sieht der Senat von weiteren Hinweisen ab.

IV. Das Landesarbeitsgericht hat einheitlich über die Kosten, auch der Revision, zu entscheiden, hinsichtlich der übereinstimmenden Erledigungserklärung entsprechend § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Fundstelle(n):
JAAAD-73275