Soldatenversorgung - Versorgungskrankengeld - Höhe - Berechnung - Regelentgelt - Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse - unbestimmter Rechtsbegriff - selbstständige Tätigkeit - Bemessungsgröße: tatsächlicher und fiktiver Vertreter - Gewinn - Gewinnerwartung - Gewinnprognose
Leitsatz
Ist das einem vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit selbstständig tätigen Beschädigten zustehende Versorgungskrankengeld "unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse" (§ 16b Abs 4 BVG) festzusetzen, sind der Berechnung jedenfalls die Kosten für einen tatsächlichen oder fiktiven Vertreter für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit zugrunde zu legen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Beschädigte aus der selbstständigen Tätigkeit langfristig einen Gewinn erwarten konnte.
Gesetze: § 16 Abs 1 Buchst a BVG vom , § 16a Abs 1 BVG vom , § 16b Abs 1 S 9 BVG vom , § 16b Abs 1 S 10 BVG vom , § 80 S 1 SVG vom , § 16b Abs 4 BVG vom
Instanzenzug: SG Itzehoe Az: S 6 VS 157/05 Urteilvorgehend Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Az: L 2 VS 43/07 Urteil
Tatbestand
1Streitig ist die Gewährung von Versorgungskrankengeld (VKrG).
2Der 1948 geborene Kläger war von Juli 1968 bis Juni 1980 als Soldat bei der Bundeswehr. Später war er - zuletzt bis zum - versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend übte er eine selbstständige Tätigkeit aus. Für die Zeit vom 15.4. bis gewährte ihm die Bundesagentur für Arbeit Überbrückungsgeld in Höhe von 19.170,30 Euro.
3Ab war der Kläger arbeitsunfähig. Im selben Monat beantragte der Kläger Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Nach seinen Angaben erhielt er aus einer privaten Krankenversicherung ein monatliches Krankengeld (KrG) von etwa 2.000 Euro. Für die Zeit der Teilnahme an einer medizinischen Maßnahme zur Rehabilitation vom 12.10. bis gewährte der zuständige Rentenversicherungsträger, Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund, dem Kläger Übergangsgeld (Übg) in Höhe von täglich 92,48 Euro.
4Mit Bescheid vom erkannte das beklagte Land - unter Hinweis auf den Erstbescheid der Wehrbereichsverwaltung West vom - "Prostataerkrankung im Stadium der Heilungsbewährung, Verlust von Prostatagewebe; Harninkontinenz" als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 80 vH nach § 30 Abs 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) an. Zur Prüfung eines Anspruchs des Klägers auf VKrG zog der Beklagte den den Kläger betreffenden Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 sowie eine vom Steuerberater des Klägers erstellte Jahresübersicht über die geschäftliche Entwicklung der selbstständigen Tätigkeit in der Zeit von April bis Dezember 2004 bei. Mit Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom lehnte er die Gewährung von VKrG ab, weil der Kläger vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit (AU) keinen Gewinn erzielt habe und auch nicht erkennbar sei, dass er ohne die AU im weiteren Verlauf seiner selbstständigen Tätigkeit Gewinne erzielt hätte.
5Klage und Berufung des Klägers haben keinen Erfolg gehabt (Urteile des Sozialgerichts Itzehoe <SG> vom und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts <LSG> vom ). Das LSG hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:
Das VKrG des Klägers könne nicht nach der Regelung zur Kontinuität der Bemessungsgrundlage in § 16d BVG auf der Grundlage des Übg berechnet werden, das dem Kläger vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit der Teilnahme an einer medizinischen Maßnahme zur Rehabilitation vom 12.10. bis gewährt worden sei. Vielmehr komme allein eine Ermittlung des Regelentgelts "unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse" nach § 16b Abs 4 BVG in Betracht. Da das VKrG im Grundsatz den wirtschaftlichen Schaden während der AU ausgleichen solle, habe sich auch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Gesamtverhältnisse" an dieser Zielrichtung zu orientieren. Dabei sei der bei einem Selbstständigen auszugleichende wirtschaftliche Schaden umfassend zu verstehen. Der Anspruch auf ein VKrG hänge danach nicht ausnahmslos davon ab, dass vor der schädigungsbedingten AU ein Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit nachgewiesen sei. Insbesondere im Aufbaustadium einer selbstständigen Existenz werde der Wert der geleisteten Arbeit eines Selbstständigen oft erst in einem Gewinn deutlich, der sich nach Monaten oder Jahren zeige. Vorauszusetzen sei jedoch, dass wenigstens langfristig ein Gewinn aus der der Bemessung zugrunde liegenden selbstständigen Tätigkeit zu erwarten sei. Dafür gebe es vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte.
6Es ergäben sich bereits Schwierigkeiten bei der Feststellung von Art, Inhalt und Umfang der Tätigkeit des Klägers in der Zeit vor Eintritt der AU. Gegenüber dem beklagten Land und im vorliegenden Gerichtsverfahren habe der Kläger seine Tätigkeit zunächst ausschließlich mit "Pharmareferent" angegeben. Dagegen habe er gegenüber der Bundesagentur für Arbeit bei seinem Antrag auf Gewährung von Überbrückungsgeld seine Tätigkeit umfassender als "Marketingberater" bezeichnet und ausgeführt, dass es sich um die Gründung eines Unternehmens für Beratung, Marketing und Vertrieb sicherheitstechnischer und medizintechnischer Geräte sowie gesundheitsorientierter Produkte handele. Dazu seien drei Geschäftsbereiche geschildert worden, nämlich elektronisches Fahrradcodiersystem, Medizintechnik und Magnetfeldtherapiegeräte.
7Wie aus der vom Kläger vorgelegten Übersicht von Einnahmen und Ausgaben im Jahre 2004 hervorgehe, hätten sich seine finanziellen Erwartungen nicht erfüllt. In den Monaten bis zum Eintritt der AU im September 2004 habe er überhaupt keine Erlöse aus betrieblicher Tätigkeit erzielt. Darüber hinaus ließen auch die Betriebsausgaben, die zum überwiegenden Teil aus Abschreibungen bestünden, nicht den Schluss auf eine intensive Geschäftstätigkeit zu. Die größten Rechnungsposten stellten die Zahlung der Umsatzsteuer im April 2004 sowie die fast identische Erstattung der Umsatzsteuer im Juli 2004 dar. Der Eindruck, den die im Verwaltungsverfahren vorgelegte betriebswirtschaftliche Auswertung vermittle, werde durch die im Berufungsverfahren vorgelegten umfangreichen Unterlagen des Klägers nicht widerlegt. Zwar gehe daraus hervor, dass der Kläger Konzepte erstellt und auch Handelsvertreterverträge abgeschlossen habe. Es werde aber nicht deutlich, in welchem Umfang er auf dieser Grundlage tatsächliche Aktivitäten entfaltet habe. Jedenfalls hätten die möglichen Aktivitäten des Klägers in den etwa fünf Monaten bis zum Eintritt der AU nicht nur zu keinem Gewinn, sondern auch zu keinen Erlösen geführt, und es gebe auch keine konkreten Hinweise dafür, dass sich dies ohne den Eintritt der AU in absehbarer Zeit geändert hätte.
8Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung geltend gemacht habe, dass aufgrund schlechter Zahlungsmoral gewisse Zeiträume von der Rechnungserstellung bis zur endgültigen Zahlung zu berücksichtigen seien, habe sich dieses Vorbringen als unzutreffend erwiesen, denn die einzige Rechnung, die er habe vorlegen können, sei die über den Verkauf eines Wehenschreibers unter dem Rechnungsdatum vom gewesen. Der Kläger habe dagegen keine nicht bezahlten oder verspätet bezahlten Rechnungen aus der Zeit vor Eintritt der AU vorlegen können. Selbst wenn es naheliegend erscheine, dass dem Verkauf des Wehenschreibers Aktivitäten des Klägers aus der Zeit vor Eintritt der AU zugrunde gelegen hätten, so lasse sich daraus nicht herleiten, dass der Kläger wenigstens langfristig mit einem Gewinn aus der begonnenen selbstständigen Tätigkeit habe rechnen können. Dass sich seine Erwartungen aus dem Vertrieb des Bikefinder-Mikrochips nicht erfüllt hätten, habe der Kläger in der mündlichen Berufungsverhandlung nachvollziehbar geschildert und dargelegt, dass er weder bei der Polizei noch bei den Versicherungsunternehmen auf erkennbares Interesse gestoßen sei.
9Nach alledem könne ein Regelentgelt, auf dessen Grundlage ein VKrG berechnet werden könnte, nicht ermittelt werden.
10Mit seiner vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision macht der Kläger ua geltend: Das LSG habe zu Unrecht aus der vorliegenden Rechtsprechung des BSG den Schluss gezogen, dass es bei Fehlen aktueller Einnahmen des noch in der Aufbauphase befindlichen Selbstständigen insbesondere auf die positive wirtschaftliche Weiterentwicklung des Unternehmens als Voraussetzung für die Gewährung von VKrG ankomme. Eine derartige Gewinnprognose sei nicht sachgerecht, weil sie sich jedenfalls in seinem Falle als äußerst schwierig darstelle. Daher stehe ihm unabhängig davon ein Anspruch auf VKrG unter Heranziehung der Kosten eines fiktiven Vertreters als Regelentgelt zu. Sollte es dagegen dennoch auf die fiktive weitere wirtschaftliche Entwicklung seiner selbstständigen Existenz ankommen, sei die von der Vorinstanz vorgenommene Einschätzung diesbezüglich verfahrensfehlerhaft erfolgt, weil dem Berufungssenat eigene Sachkunde der Branche und der speziellen Marktchancen eines selbstständigen Pharmareferenten wie auch der Vertriebschancen bei dem Produkt Bikefinder ohne Heranziehung eines Sachverständigen offenbar gefehlt habe. Jedenfalls sei er (der Kläger) vorher nicht zum Bestehen einer entsprechenden Sachkunde der Richter angehört worden.
11Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen und des SG Itzehoe vom sowie den Bescheid des Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm VKrG für die Zeit vom 9.9. bis auf der Grundlage eines Regelentgelts zu gewähren, das sich an den Kosten für einen fiktiven Vertreter orientiert.
12Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
13Zur Begründung nimmt er auf das angefochtene Urteil Bezug.
14Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Gründe
15Die Revision des Klägers ist zulässig. Sie ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Die berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen reichen nicht aus, um die Sache abschließend zu entscheiden.
16Der Anspruch des Klägers auf VKrG richtet sich zunächst nach § 80 Satz 1 SVG idF vom (BGBl I 1258). Danach erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit im SVG nichts Abweichendes bestimmt ist. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger vor. Durch Bescheid des Beklagten vom sind bei ihm Folgen einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt worden. Die ihm damit auf seinen Antrag zustehende Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Nr 1 BVG ua auch Heilbehandlung (§§ 10 bis 24a BVG). Dazu gehört auch VKrG iS der §§ 16 ff BVG (vgl dazu allgemein - juris RdNr 28, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
17Nach dem hier einschlägigen § 16 Abs 1 Buchst a BVG idF vom (BGBl I 1638) wird VKrG nach Maßgabe der folgenden Vorschriften ua Beschädigten gewährt, wenn sie wegen einer Gesundheitsstörung, die als Folge einer Schädigung anerkannt ist oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht ist, arbeitsunfähig im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung werden. Nach der Rechtsprechung des BSG zur gesetzlichen Krankenversicherung ist AU gegeben, wenn der Versicherte seine bisherige Erwerbstätigkeit wegen einer Krankheit nicht mehr verrichten kann (vgl dazu BSG, aaO RdNr 42 mwN). Auch bei der entsprechenden Anwendung dieses Grundsatzes im sozialen Entschädigungsrecht ist - bei Fehlen abweichender Regelungen - zu verlangen, dass es sich bei der Tätigkeit, die aus Gesundheitsgründen nicht mehr verrichtet werden kann, um eine Erwerbstätigkeit handeln muss (BSG, aaO RdNr 43).
18Der Senat geht davon aus, dass der Kläger gemessen an diesen Kriterien im streitigen Zeitraum wegen seiner anerkannten Schädigungsfolgen arbeitsunfähig war. Dazu hat das LSG allerdings selbst keine Tatsachenfeststellungen getroffen. Soweit es (S 11 seines Urteils) auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug genommen hat (§ 153 Abs 2 SGG), bezieht sich dies ausdrücklich nur auf die Zugrundelegung des § 16b Abs 4 BVG für die Berechnung des Regelentgelts. Selbst wenn man diese Bezugnahme weiter verstehen könnte (zu dem insoweit geltenden Bestimmtheitsgebot vgl allerdings BSG SozR 3-1500 § 142 Nr 1 S 3), enthielte auch das erstinstanzliche Urteil selbst keine verwertbaren Tatsachenfeststellungen zu diesem Punkt. Vielmehr hat das SG in seinen Entscheidungsgründen (S 6) zum Ausdruck gebracht, dass es insoweit der Begründung des angefochtenen Bescheides des Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom folge (§ 136 Abs 3 SGG). Darin wird ausgeführt, dass der Kläger seit dem aufgrund der mit Bescheid vom anerkannten Folgen einer Wehrdienstbeschädigung arbeitsunfähig sei. Angesichts der Schwere der beim Kläger anerkannten Gesundheitsstörungen ist nicht ersichtlich, dass diese Beurteilung unzutreffend sein könnte.
19Steht dem Kläger mithin dem Grunde nach VKrG zu, bleibt zu prüfen, in welcher Höhe ihm diese Leistung zu gewähren ist. Grundsätzlich beträgt das VKrG nach § 16a Abs 1 BVG idF vom (BGBl I 688) 80 vH des erzielten regelmäßigen Entgelts (Regelentgelt) und darf das entgangene regelmäßige Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen.
20Eine Sonderregelung trifft insoweit § 16d BVG. Danach ist bei der Berechnung des VKrG von dem bisher zugrunde gelegten Entgelt auszugehen, wenn der Berechtigte von einem anderen Rehabilitationsträger KrG, Verletztengeld oder Übg bezogen hat und ihm im Anschluss daran VKrG nach den §§ 16 bis 16f BVG zu gewähren ist. Diese Vorschrift greift hier - wie das LSG zutreffend erkannt hat - nicht ein. Zunächst besteht ein Anspruch des Klägers auf VKrG dem Grunde nach bereits ab , während er erst ab Übg von der DRV Bund erhalten hat. Insofern schließt also der Anspruch auf VKrG nicht an einen Übg-Bezug an, sondern geht ihm voraus. Auch für die Zeit nach Beendigung des Übg (am ) lässt sich die Berechnung des VKrG nicht auf § 16d BVG stützen. Denn zum ist kein neuer VKrG-Anspruch entstanden; vielmehr ist dieser für die Zeit des Übg-Bezuges bestehen geblieben. Ein zahlbares VKrG wäre lediglich gemäß § 16f Abs 3 Nr 1 BVG um den (um gesetzliche Abzüge verminderten) Betrag von Geldleistungen (wie dem Übg) zu kürzen, die eine öffentlich-rechtliche Stelle im Zusammenhang mit der Heil- und Krankenbehandlung oder Badekur gewährt hat.
22Zu Recht sind der Beklagte und die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall für die Bemessung des Regelentgelts § 16b Abs 4 BVG maßgebend ist. Abs 2 dieser Vorschrift ist nicht einschlägig, weil der letzten Veranlagung zur Einkommensteuer (Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003) keine Gewinne aus Gewerbebetrieb bzw selbstständiger Arbeit (vgl § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 EStG) zugrunde gelegt worden sind. Ebenso wenig führt § 16b Abs 3 BVG weiter, weil auch im letzten vor Beginn der AU abgelaufenen Kalenderjahr (2003) noch keine selbstständige (gewerbliche) Tätigkeit verrichtet worden ist. Ein Nachweis von Gewinnen ist demnach insoweit schon aus diesem Grunde unmöglich.
25Dadurch kommt - worauf der Kläger zu Recht hinweist - deutlich genug zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber mit dieser Neuregelung auch an die vorliegende Rechtsprechung des BSG anknüpfen wollte. Dementsprechend ist bei der Auslegung des § 16b Abs 4 BVG von folgenden Grundsätzen auszugehen:
26Der Gesetzgeber wollte mit § 16b BVG den Schwierigkeiten und Besonderheiten Rechnung tragen, die eine Bestimmung des Regelentgelts bei Selbstständigen mit sich bringt. Ziel war es dabei, eine praktikable Regelung zu treffen, die eine möglichst schnelle Entscheidung über die Höhe des VKrG ermöglicht. Denn das VKrG ist mit Beginn der AU fällig und soll seiner Zweckbestimmung entsprechend, während der AU die wirtschaftliche Basis des Berechtigten aufrechtzuerhalten, möglichst sofort gezahlt werden (vgl dazu BSG SozR 3100 § 16b Nr 3 S 9; BSG SozR 3100 § 16b Nr 4 S 16). Folglich dürfen bei der Festsetzung des Regelentgelts nur Beweismittel verwertet werden, die vorliegen oder zumindest ohne größeren Zeitaufwand sofort beschafft werden können (BSG SozR 3100 § 16b Nr 3 S 9). Die Einholung eines umfangreichen Sachverständigengutachtens scheidet somit von vornherein aus (vgl dazu 9a RV 7/82 - juris RdNr 12 f).
27Folglich hat das BSG angenommen, dass die Festsetzung des Regelentgelts (damals noch des Gewinns) nach den Gesamtverhältnissen eine Schätzung des durch die AU verursachten wirtschaftlichen Schadens ermöglicht (vgl BSG, aaO RdNr 15; ebenso BSG SozR 3100 § 16b Nr 4 S 15). Zwar orientiert sich diese Schätzung nach der gesetzgeberischen Konzeption in erster Linie an der Einkommenslage vor der AU (vgl § 16b Abs 2 und 3 BVG). Darauf kann jedoch gerade bei Unternehmen in der Aufbauphase - wie hier - nicht zurückgegriffen werden, weil insoweit keine über Jahre in etwa konstante Einkommenssituation vorliegt, die für die Zeit der AU hypothetisch fortgeschrieben werden könnte (vgl dazu BSG SozR 3100 § 16b Nr 4 S 16). Der Wert der ausgefallenen Arbeitskraft eines Selbstständigen erweist sich gerade in solchen Fällen unter Umständen erst nach Jahren (vgl BSG SozR 3100 § 16b Nr 3 S 12). Die Schätzung ist dann allgemein darauf gerichtet, dem selbstständigen Beschädigten für den zeitweisen Ausfall seiner Arbeitsfähigkeit eine angemessene Entschädigung zu geben (vgl dazu BSG SozR 3100 § 16b Nr 3 S 12 f). Als sachgerechte Bemessungsgröße hat das BSG insoweit die Kosten eines tatsächlichen oder fiktiven Vertreters angenommen (vgl BSG SozR 3100 § 16b Nr 4 S 19 f).
28Entgegen der Auffassung des LSG kommt eine solche Vorgehensweise nicht nur dann in Betracht, wenn wenigstens langfristig ein Gewinn aus der der Bemessung zugrunde liegenden selbstständigen Tätigkeit zu erwarten ist. Der Senat hat in der vom LSG zitierten Entscheidung (BSG SozR 3100 § 16b Nr 3 S 12) lediglich ausgeführt, es bestehe kein einleuchtender Grund, VKrG dann zu versagen, wenn der Berechtigte zwar vor der AU als Selbstständiger Einnahmen erzielt habe, aber keinen Gewinn nachweisen könne. Dies gelte "jedenfalls" dann, wenn kein Anhalt dafür bestehe, dass der Selbstständige auch ohne langfristig zu erwartenden Gewinn arbeite. Soweit durch diese Formulierung der Eindruck erweckt worden ist, die Gewährung von VKrG solle von einer langfristigen Gewinnprognose abhängig gemacht werden, stellt der Senat jetzt klar, dass er ein derartiges Kriterium schon deshalb nicht für sachgerecht hält, weil sich eine langfristige Prognose grundsätzlich nur mit sachverständiger Hilfe erstellen lässt. Eine derartige zeitraubende Beweiserhebung ist im Rahmen des § 16b BVG gerade nicht angebracht.
29Um den Wert der durch die AU ausgefallenen Arbeitskraft des selbstständigen Beschädigten an den Kosten eines fiktiven Vertreters orientieren zu können, sind allerdings die berufliche Qualifikation des Beschädigten und die von diesem in der Zeit vor der AU entwickelten beruflichen Aktivitäten möglichst genau festzustellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Zweifel bestehen, ob der Beschädigte überhaupt in nennenswertem Umfang erwerbstätig gewesen ist. Die bloße Anmeldung eines Gewerbes reicht insoweit jedenfalls nicht aus.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2010:290410UB9VS109R0
Fundstelle(n):
FAAAD-45356