BFH Beschluss v. - VII B 20/09

Anspruch auf Steuererstattung bei zusammen veranlagten Ehegatten; Absicht eines der zusammen veranlagten Ehegatten, die Steuervorauszahlung nur auf eigene Rechnung bewirken zu wollen, muss im Zahlungszeitpunkt erkennbar sein

Gesetze: AO § 37 Abs. 2, EStG § 26, EStG § 26b, FGO § 40 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 139 Abs. 4, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Die Beigeladene und Beschwerdeführerin (Beigeladene) und der Kläger wurden bis zum Jahr 2000 vom seinerzeit zuständigen Finanzamt W (FA W) als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für das Jahr 2001 setzte das FA W gegen die Eheleute Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag fest. Im September 2002 beantragte die Beigeladene beim FA W für das Jahr 2001 die getrennte Veranlagung, teilte mit, dass die im Jahr 2001 geleisteten Vorauszahlungen nur ihr zuzurechnen seien, und beantragte die rückwirkende Herabsetzung der Vorauszahlungen unter Zugrundelegung allein ihres zu versteuernden Einkommens 2001. Das FA W entsprach diesem Antrag im Oktober 2002 und überwies das sich aus der Neufestsetzung der Vorauszahlungen 2001 ergebende Guthaben auf das von der Beigeladenen benannte Konto.

2 Dem Kläger teilte das FA W mit, dass sein Einkommensteuerkonto und die Einkommensteuerakte der Eheleute geschlossen seien, lehnte seinen Antrag, die geleisteten Vorauszahlungen des 1. bis 3. Quartals 2001 hälftig zwischen den Eheleuten zu teilen, ab und verwies ihn hinsichtlich seiner Einwendungen gegen die Aufteilung der Vorauszahlungen auf einen bei dem für ihn zuständigen Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) zu beantragenden Abrechnungsbescheid.

3 Im Abrechnungsteil des für den Kläger erlassenen Einkommensteuerbescheids 2001 berücksichtigte das FA die geleisteten Vorauszahlungen —trotz anders lautenden Antrags des Klägers— nicht. Seinen insoweit erhobenen Einspruch wertete es als Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids, in dem es jedoch die Vorauszahlungen erneut nicht zu seinen Gunsten auswies.

4 Der hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt und änderte den Abrechnungsbescheid dahin, dass dem Kläger die bis zum geleisteten Vorauszahlungen zur Hälfte angerechnet wurden. Das FG urteilte, dass Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer bei gemeinsam veranlagten Eheleuten als auf die Steuerschuld beider Eheleute bewirkt anzusehen seien, falls keine andere Tilgungsabsicht bekundet werde. Im Streitfall habe das FA W im Zeitpunkt der Entrichtung der festgesetzten Vorauszahlungen jedoch keinen Anlass gehabt anzunehmen, dass allein die Steuerschuld der Beigeladenen habe beglichen werden sollen.

5 Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beigeladenen, welche sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt.

6 II. Die Beschwerde hat —ungeachtet der zwischen der Beigeladenen und dem FA streitigen Fragen rechtswirksam unterzeichneter Schriftsätze bzw. gegebener Beschwer der Beigeladenen— keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert, jedenfalls aber nicht vorliegen.

7 1. a) Entgegen der von der Beschwerde vertretenen Ansicht lässt sich aus dem Umstand, dass das FG die Klage als zulässig angesehen hat, kein Verfahrensmangel herleiten. Da das FA einen an den Kläger gerichteten Abrechnungsbescheid erlassen hat, war der Kläger befugt, gegen diesen ihn beschwerenden Verwaltungsakt Klage zu erheben (§ 40 Abs. 2 FGO). Ob das (für den Kläger auch zuständige) FA berechtigt war, einen Abrechnungsbescheid zu erlassen, obwohl —wie die Beschwerde meint— das (insoweit unzuständige) FA W bereits zuvor einen solchen vom Kläger nicht angefochtenen Bescheid erlassen hatte, ist zum einen keine Frage der Zulässigkeit der Klage. Zum anderen hat das FG in den Schreiben des FA W an den Kläger keinen an den Kläger gerichteten Abrechnungsbescheid gesehen. Soweit die Beschwerde sich gegen diese Ansicht des FG wendet, legt sie keinen Verfahrensmangel dar, denn für einen insoweit seitens der Beschwerde geltend gemachten Verstoß des FG gegen den klaren Inhalt der Akten ist nichts ersichtlich. Die Beschwerde würdigt lediglich anhand bestimmter Indizien die Tatsachen anders, als es das FG getan hat. Darüber hinaus ist es aber auch nicht zweifelhaft, dass —wie das FG erkannt hat— finanzamtliche Schreiben, mit denen lediglich mitgeteilt wurde, dass das Einkommensteuerkonto der Eheleute geschlossen sei, bzw. dem Begehren des Klägers, geleistete Vorauszahlungen hälftig zu teilen, widersprochen wurde, nicht als Abrechnung für die Einkommensteuer 2001 des Klägers angesehen werden können.

8 b) Eine Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist nicht schlüssig dargelegt. Das FG ist in Anbetracht der gegenüber der Beigeladenen ergangenen Abrechnung zur Festsetzung von Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag davon ausgegangen, dass das FA W im Oktober 2002 mit der Überweisung eines für die Beigeladene errechneten Erstattungsbetrags auf das von dieser hierfür angegebene Konto eine Leistung auf Rechnung der Beigeladenen bewirken wollte. Auf die Frage, wer Verfügungsmacht über dieses Konto hatte, kam es nach dem —insoweit maßgeblichen— Rechtsstandpunkt des FG nicht an.

9 c) Auch die gerügte Gehörsverletzung ist nicht schlüssig dargelegt. Mit dem Hinweis auf den angeblich vom FG übergangenen, schriftsätzlich gestellten Antrag zu 4. der Beigeladenen, der —so die Beschwerde— die Kostenentscheidung gemäß § 139 Abs. 4 FGO betraf, macht die Beschwerde sinngemäß geltend, das FG hätte —soweit der Kläger im Verlauf des Klageverfahrens sein ursprüngliches Klagebegehren betragsmäßig beschränkt hat— dem Kläger auch einen Teil der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auferlegen müssen bzw. habe insoweit ihr Vorbringen nicht gewürdigt. Das FG wird durch den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör jedoch nicht verpflichtet, sich in der Urteilsbegründung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen hat (, BFH/NV 2001, 1292). Dass dies vorliegend nicht der Fall war, ist nicht erkennbar. Aus der die Kostenentscheidung betreffenden Urteilsbegründung ergibt sich, dass es dem FG bewusst war, dass der Kläger hinsichtlich der Kosten als teilweise unterlegener Beteiligter zu behandeln war. Wenn es gleichwohl entschieden hat, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auch nicht teilweise dem Kläger aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen, so stellt dies keinen Verfahrensmangel dar.

10 d) Hinsichtlich des übrigen Vorbringens zu seitens der Beschwerde gerügten Verfahrensmängeln sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO von einer Begründung ab.

11 2. a) Wie die Beschwerde unter Hinweis auf die Rechtsprechung des beschließenden Senats (Urteil vom VII R 120/89, BFH/NV 1991, 569) zutreffend ausführt, ist es eine Frage der Auslegung im Einzelfall, ob eine Äußerung des FA nach ihrem objektiven Erklärungswert als Abrechnungsbescheid anzusehen ist. Grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfragen ergeben sich insoweit nicht. Mit der seitens der Beschwerde formulierten Frage, unter welchen Umständen eine Löschung des steuerlichen Ehegattenkontos als ein Abrechnungsbescheid angesehen werden kann, wird lediglich eine Besonderheit des Streitfalls, die nach Ansicht der Beschwerde die FG-Entscheidung als rechtlich unzutreffend erscheinen lässt, in allgemeine Worte gekleidet. Darüber hinaus kann dieser Ansicht der Beschwerde aber auch nicht gefolgt werden. Mit einem Abrechnungsbescheid wird entschieden, inwieweit die in Steuerbescheiden festgestellten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis noch bestehen oder inzwischen ganz oder teilweise durch Zahlung, Aufrechnung, Erlass oder Verjährung (§ 47 der Abgabenordnung) erloschen sind. Im Abrechnungsbescheid werden daher in der Regel die streitigen Steuerforderungen nach Steuerart, Besteuerungszeitraum und Betrag sowie die in Betracht kommenden Erlöschenstatbestände substanziiert darzustellen sein. Schreiben des FA W, die sich lediglich zu einer im Rahmen eines Abrechnungsbescheids zu beantwortenden Rechtsfrage äußern bzw. angeben, dass ein Steuerkonto gelöscht worden sei, und den Kläger im Übrigen auf einen beim zuständigen FA zu stellenden Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids verweisen, erfüllen diese Voraussetzungen offensichtlich nicht. Zutreffend hat daher das FG in den Schreiben des FA W an den Kläger keinen Abrechnungsbescheid gesehen.

12 b) Ob das Gericht gemäß § 139 Abs. 4 FGO außergerichtliche Kosten des Beigeladenen aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei auferlegt, ist ebenfalls eine Frage des Einzelfalls. Was „unter Billigkeit i.S. des § 139 Abs. 4 FGO zu verstehen ist”, ist keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage und auch die Kostenentscheidung des FG im Streitfall wirft keine solchen Fragen auf. Die Beigeladene hat sich am Klageverfahren mit eigenen Anträgen beteiligt und hat ihren Antrag auf Klageabweisung aufrechterhalten, nachdem der Kläger seinen Klageanspruch bereits betragsmäßig beschränkt hatte. Sie hat sich also gegen den geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Teilung der Vorauszahlungsbeträge grundsätzlich gewandt, ohne dass es ihr in erster Linie auf eine bestimmte Höhe der Beträge ankam. Es ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG bei der Kostenentscheidung davon ausgegangen ist, dass die Beigeladene mit ihrem Antrag das unterlegene FA unterstützt hat.

13 c) Es entspricht der ständigen —von der Beschwerde auch zitierten— Rechtsprechung des beschließenden Senats, dass die Absicht des die Steuervorauszahlung leistenden Ehegatten, die Zahlung nur auf eigene Rechnung bewirken zu wollen, dem FA im Zahlungszeitpunkt erkennbar sein muss. Allein mit der hiergegen geäußerten Ansicht der Beschwerde, dass auch ein später erbrachter eindeutiger Nachweis für eine seinerzeit bestehende bestimmte Tilgungsabsicht beachtlich sei, wird der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht schlüssig dargelegt.

14 3. Auch hinsichtlich des geltend gemachten Zulassungsgrunds der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO fehlt es an schlüssigen Darlegungen.

15 Dieser Zulassungsgrund erfasst zunächst die Fälle der sog. Divergenzrevision und erfordert darüber hinaus auch dann eine Entscheidung des BFH, wenn die einheitliche Beantwortung einer Rechtsfrage nur durch eine Entscheidung des BFH gesichert werden kann. Letzteres kann der Fall sein, wenn —was die Beschwerde im Streitfall offenbar geltend machen will— dem FG bei der Auslegung und Anwendung des Rechts Fehler von so erheblichem Gewicht unterlaufen sind, dass sie, würden sie nicht von einem Rechtsmittelgericht korrigiert, geeignet wären, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798; vom VII B 344/03, BFHE 206, 226, BStBl II 2004, 896).

16 Dem Beschwerdevorbringen lassen sich derartige Rechtsfehler des FG jedoch nicht entnehmen. Die Beschwerde setzt den Ausführungen des FG zur Zulässigkeit der Klage, zu einem nicht bereits durch das FA W erlassenen Abrechnungsbescheid, zur Überweisung des Erstattungsbetrags durch das FA W auf Rechnung der Beigeladenen sowie zur Kostenentscheidung lediglich ihre eigenen tatsächlichen und rechtlichen Würdigungen unter Wiederholung ihres vorangegangenen Vorbringens entgegen und verbindet diese mit der Behauptung, die jeweils anders lautende Entscheidung des FG sei „offenkundig rechtswidrig”, was jedoch nicht zutrifft. Der Senat verweist auf seine vorstehenden Ausführungen und hält auch insoweit eine weitere Begründung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO für entbehrlich.

17 4. Von einer Übersendung der Akten an das Oberverwaltungsgericht X zum Zweck der Einsichtnahme durch die Beigeladene konnte der Senat absehen, weil sich aus dem Schriftsatz der Beigeladenen vom ergibt, dass sie die Akteneinsicht ausschließlich zu dem Zweck beantragt hat, die „Namen des Berichterstatters und des Mitberichterstatters des Verfahrens” in Erfahrung zu bringen, die aber aus den zur Einsichtnahme zur Verfügung zu stellenden Gerichtsakten ohnehin nicht ersichtlich wären. Die zur Entscheidung in der Sache berufene Richterbank, also der gesetzliche Richter, war der Beigeladenen ohnehin aus dem ihr übersandten Geschäftsverteilungsplan des Senats bekannt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 834 Nr. 5
HAAAD-39594