BGH Beschluss v. - VII ZB 88/08

Leitsatz

Leitsatz:

a) Lautet ein Titel auf die einzelnen Wohnungseigentümer, sind nur diese berechtigt, aus dem Titel zu vollstrecken. Die Notwendigkeit der für die Tätigkeit ihres Rechtsanwalts im Vollstreckungsverfahren entstehenden Mehrvertretungsgebühr kann daher nicht mit der Begründung verneint werden, die Gebühr wäre nicht angefallen, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähiger Verband den Vollstreckungsauftrag erteilt hätte (im Anschluss an , NJW-RR 2007, 955).

b) Zur Frage, ob eine Klage der Wohnungseigentümer gegen den Veräußerer von neu errichtetem Wohnungseigentum nach Änderung der Rechtsprechung zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft im Hinblick auf die Obliegenheit, die Kosten der Zwangsvollstreckung niedrig zu halten, auf eine Klage des teilrechtsfähigen Verbandes hätte umgestellt werden müssen.

Gesetze: ZPO § 788; RVG § 7 Abs. 1; RVG-VV Nr. 1008

Instanzenzug: LG Tübingen, 5 T 153/08 vom AG Tübingen, 2 M 10183/08 vom Veröffentlichungen: Amtliche Sammlung: nein; BGHR: ja; Nachschlagewerk: ja

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit der Erhöhungsgebühr für die Vertretung mehrerer Personen im Vollstreckungsverfahren.

Die Gläubiger sind Miteigentümer einer Wohnungseigentumsanlage, die von der Schuldnerin als Bauträgerin errichtet wurde. Auf die am von ihnen erhobene Klage auf Schadensersatz wegen Mängeln und auf Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung wurde die Schuldnerin u.a. durch rechtskräftiges Schluss- und Endurteil des verurteilt, an die Gläubiger 41.506,70 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Nach Zustellung des Urteils haben die Gläubiger über ihren damaligen Verfahrensbevollmächtigten den zuständigen Gerichtsvollzieher mit der Sicherungsvollstreckung nach § 720 a ZPO wegen dieses Betrages, der Zinsen und der Kosten des Vollstreckungsauftrages beauftragt, wobei sie eine 2,0 Erhöhungsgebühr für die Vertretung mehrerer Personen nach RVG VV Nr. 1008 in Höhe von 2.092 EUR zuzüglich Umsatzsteuer geltend machten.

Auf die gegen die Vollstreckungsankündigung des Gerichtsvollziehers eingelegte Erinnerung der Schuldnerin hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - die Zwangsvollstreckung wegen der Erhöhungsgebühr des Gläubigervertreters mit der Begründung eingestellt, diese Gebühr sei nicht erstattungsfähig, nachdem die Klage erst nach Veröffentlichung der Entscheidung des zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft erhoben worden sei. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubiger hat das Beschwerdegericht den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und die Erinnerung der Schuldnerin zurückgewiesen.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

II. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, durch den Vollstreckungsauftrag der Gläubiger an ihren Verfahrensbevollmächtigten sei nicht nur die Gebühr nach RVG VV Nr. 3309, sondern auch die sogenannte Mehrvertretungsgebühr nach RVG VV Nr. 1008 entstanden. Entscheidend hierfür sei, dass der zu Grunde liegende Vollstreckungstitel - ob zu Recht oder zu Unrecht - ausschließlich auf die fünfzehn Gläubiger persönlich gelautet und deshalb nur für diese eine Vollstreckung ermöglicht habe. Die Kammer schließe sich der Auffassung des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs an, dass der Gläubiger eines Titels diesen ohne weitere Maßnahmen, insbesondere Berichtigungen oder Umschreibungen, umgehend zur Vollstreckung einsetzen dürfe, auch wenn hierdurch zusätzliche Kosten auf Schuldnerseite entstünden. Der Grundsatz, unnötige Kosten für die Gegenseite zu vermeiden, könne nicht dazu führen, eigene Interessen, z.B. das grundlegende Interesse an der raschen Realisierung eines Urteils durch Zwangsvollstreckung, unterzuordnen. Dies gelte völlig unabhängig von den speziellen Übergangsproblemen im Zusammenhang mit dem im Verfahren V ZB 32/05.

2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Die von den Gläubigern für das Zwangsvollstreckungsverfahren geltend gemachte Erhöhungsgebühr nach § 7 Abs. 1 RVG i.V.m. RVG VV Nr. 1008 ist erstattungsfähig. Die hierdurch entstandenen Kosten sind notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung.

a) Nach § 788 Abs. 1 Satz 1, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO fallen die Kosten der Zwangsvollstreckung, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, dem Schuldner zur Last. Diese Regelung beruht auf der Entscheidung des Gesetzgebers, dass die obsiegende Partei die notwendigen Kosten der durch das Urteil eröffneten Maßnahmen zur Verfolgung und Durchsetzung ihres Anspruchs von dem unterlegenen Schuldner ersetzt verlangen kann. Die Erstattungspflicht erstreckt sich nur auf die notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung. Auch in der Zwangsvollstreckung hat der Gläubiger seine Maßnahmen zur Wahrung seiner Rechte so einzurichten, dass die Kosten möglichst niedrig gehalten werden (Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 788 Rdn. 8 f.).

b) Diesen Anforderungen sind die Gläubiger unabhängig davon gerecht geworden, ob die Ansprüche auf Schadensersatz wegen Mängeln und auf Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung von der Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähigem Verband der Wohnungseigentümer hätten geltend gemacht werden müssen.

aa) Ob eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme notwendig war und die dadurch veranlassten Kosten erstattungsfähig sind, bestimmt sich grundsätzlich nach der bei Vollstreckungsbeginn gegebenen Rechtslage. Eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme ist danach notwendig, wenn der Gläubiger die Vollstreckungsmaßnahme zur Durchsetzung des titulierten Anspruchs bei verständiger Würdigung der Sachlage objektiv für erforderlich halten durfte ( IXa ZB 146/03, NJW-RR 2003, 1581). Diese Voraussetzungen haben die Gläubiger erfüllt. Die Vollstreckung aus dem Schluss- und Endurteil war nur für die einzelnen Wohnungseigentümer möglich.

Das Beschwerdegericht geht - von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet - davon aus, dass Klagepartei unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung richtigerweise nicht die einzelnen Wohnungseigentümer hätten sein dürfen, sondern die Wohnungseigentümergemeinschaft hätte sein müssen. Davon ausgehend konnte jedoch eine Vollstreckung für die Wohnungseigentümergemeinschaft, die eine Erhöhungsgebühr nach RVG VV Nr. 1008 nicht ausgelöst hätte, nicht erfolgen. Denn die Zwangsvollstreckung darf nur beginnen, wenn die Personen, für die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind, § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Handelt es sich bei dem die Vollstreckung betreibenden Gläubiger und dem Titelgläubiger um unterschiedliche Rechtssubjekte, darf die Vollstreckung nicht durchgeführt werden. Das Schluss- und Endurteil weist die im Einzelnen aufgeführten Wohnungseigentümer der - nicht rechtsfähigen - Miteigentümergemeinschaft als Gläubiger aus. Diese ist mit dem - teilrechtsfähigen - Verband der Wohnungseigentümer nicht identisch (, NJW-RR 2007, 379).

bb) Die Erstattungsfähigkeit der Mehrvertretungsgebühr lässt sich nicht mit der Begründung verneinen, die Gläubiger seien unter kostenrechtlichen Gesichtpunkten gehalten gewesen, von vornherein einen auf die Wohnungseigentümergemeinschaft lautenden Titel zu erwirken.

(1)

Die Wohnungseigentümer waren unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten nicht verpflichtet, bereits die Klage als Verband zu erheben.

Bis zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (, BGHZ 163, 154 und Urteil vom - V ZR 350/03, NJW 2005, 3146) galt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als nicht rechtsfähig. Die Ansprüche mussten daher von den einzelnen Wohnungseigentümern geltend gemacht werden.

Mit den Entscheidungen vom 2. und stellte der Bundesgerichtshof die Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft, beschränkt auf die Teilbereiche des Rechtslebens fest, bei denen die Wohnungseigentümer im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnehmen. Eine Klärung, inwieweit die Wohnungseigentümergemeinschaft als insoweit rechts- und parteifähiger Verband befugt ist, Rechte der Wohnungseigentümer wegen Mängeln an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums und des Sondereigentums geltend zu machen, ist erst nach Erhebung der Klage mit Urteil des Senats vom (VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42) erfolgt. Im Hinblick auf die bis dahin bestehende Rechtsunsicherheit über den Umfang der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft, kann den Gläubigern unter kostenrechtlichen Aspekten nicht angelastet werden, die Klage im August 2005 durch alle Wohnungseigentümer erhoben zu haben.

(2)

Es kann dahinstehen, ob Wohnungseigentümer im Hinblick auf ihre Obliegenheit, die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens niedrig zu halten, überhaupt verpflichtet sind, die zu Recht gemeinsam erhobene Klage nach Änderung der Rechtsprechung auf eine Klage des Verbandes umzustellen oder auf eine entsprechende Rubrumsberichtigung hinzuwirken, so dass der Titel dann für die Wohnungseigentümergemeinschaft erginge. Denn gegen eine solche Obliegenheit haben die Gläubiger unter Berücksichtigung der besonderen Umstände dieses Falles nicht verstoßen. Die Entscheidung des Senats vom ist im Juli 2007 veröffentlicht worden. Es kann den Gläubigern nicht angelastet werden, dass sie bis zur letzten mündlichen Verhandlung im Dezember 2007 nicht auf die geänderte Rechtsprechung reagiert haben. Zu diesem Zeitpunkt war der Rechtsstreit bereits knapp zwei Jahre anhängig. Die Rechtsprechung hatte sich noch nicht verfestigt; weder das Gericht noch die Beklagte hatten Einwände gegen die Parteibezeichnung erhoben. Ein unmittelbarer Anlass, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die von den Wohnungseigentümern erhobene Klage weiterhin von ihnen oder von der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft zu verfolgen sei, war für die Gläubiger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gegeben.

cc) Den Gläubigern kann auch nicht als Obliegenheitsverletzung vorgeworfen werden, dass sie vor Erteilung des Vollstreckungsauftrags nicht auf eine Rubrumsberichtigung des Vollstreckungstitels hingewirkt haben. Nachdem die Erwirkung des Vollstreckungstitels für die Wohnungseigentümer aus kostenrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist, waren die Gläubiger hierzu schon wegen der zeitlichen Verzögerung, die mit der Beantragung und der erforderlichen Zustellung des berichtigten Titels verbunden gewesen wäre, nicht verpflichtet. Der Grundsatz, dass eine Partei die Kosten niedrig zu halten hat, die sie von der Gegenseite erstattet verlangen will, darf nicht dazu führen, dass sie in ihren berechtigten Belangen, wozu das Interesse an einer schnellen Vollstreckung zählt, beeinträchtigt wird (, a.a.O.).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW 2010 S. 1007 Nr. 14
NJW 2010 S. 8 Nr. 6
WM 2010 S. 729 Nr. 15
ZIP 2010 S. 202 Nr. 4
AAAAD-35522