BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 2604/08

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3

Instanzenzug: AG Köthen, 04 II 1509/06 vom AG Köthen, 04 II 1509/06 vom AG Köthen, 04 II 1509/06 vom

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung von Beratungshilfe nach dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz - BerHG).

I.

1.

Die Beschwerdeführerin erhielt von dem zuständigen Jobcenter einen Bescheid zur Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie beantragte beim Amtsgericht erfolglos Beratungshilfe für die Überprüfung. Die zuständige Rechtspflegerin wies den Antrag unter Hinweis auf die vorrangige Behördenberatung zurück.

Die Erinnerung wurde mit richterlichem Beschluss zurückgewiesen. Die Begründung eines Widerspruchs sei nicht erforderlich. Die Beratung könne zunächst bei dem Leistungsbetreuer oder der Widerspruchsstelle selbst eingeholt werden.

Die Anhörungsrüge, mit der die Beschwerdeführerin erneut auf die mangelnde Zumutbarkeit der behördlichen Beratung hingewiesen hat, wurde ebenso mit richterlichem Beschluss zurückgewiesen.

2.

Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin, dass die angegriffenen Entscheidungen gegen das Willkürverbot, den Anspruch auf rechtliches Gehör und die Rechtswahrnehmungsgleichheit verstießen.

3.

Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat von einer Stellungnahme abgesehen.

II.

1.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt.

2.

Die Verfassungsbeschwerde erweist sich danach als begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG).

Es wird insoweit auf den Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des , [...] - verwiesen, wonach die vom Amtsgericht befürwortete Auslegung des Beratungshilfegesetzes, dass es einem Rechtsuchenden zumutbar sei, selbst kostenlos Widerspruch einzulegen und dabei die Beratung derjenigen Behörde in Anspruch zu nehmen, die zuvor den Ausgangsverwaltungsakt erlassen hat, den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht wird.

Das Amtsgericht hat keine Umstände angeführt, die die Notwendigkeit fremder Hilfe hier in Frage stellen könnten. Die Verweisung auf die Beratung durch dieselbe Behörde, deren Entscheidung die Beschwerdeführerin angreifen will, überschreitet die Grenze der Zumutbarkeit.

III.

Die angegriffenen Entscheidungen werden gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen, das erneut zu entscheiden hat.

Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Fundstelle(n):
EAAAD-29541