BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 281/09

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BVerfGG § 95 Abs. 2; BerHG § 1 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3

Instanzenzug: AG Zwickau, 014 UR II 01657/08 vom

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung von Beratungshilfe nach dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz - BerHG).

I.

1. Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Er beantragte beim Amtsgericht erfolglos Beratungshilfe für einen Widerspruch wegen der Höhe des Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Die zuständige Rechtspflegerin wies den Antrag unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Amtsgerichts zurück, wonach es zumutbar sei, dass sich der Rechtsuchende selbst und ohne anwaltliche Hilfe an die zuständige Arbeitsgemeinschaft (ARGE) wende.

Die Erinnerung wurde mit richterlichem Beschluss als unbegründet zurückgewiesen. Dem Beschwerdeführer stehe eine andere zumutbare Hilfe im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG zur Verfügung. Er könne mit dem Sachbearbeiter der ARGE Argumente austauschen und selbständig Widerspruch einlegen.

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 sowie sinngemäß von Art. 20 Abs. 1 GG. Er trägt insbesondere vor, dass er als unbemittelter Rechtsuchender gegenüber bemittelten Rechtsuchenden ungleich behandelt werde.

3. Das Sächsische Staatsministerium der Justiz, dem die Verfassungsbeschwerde gemäß § 94 Abs. 2 BVerfGG zugestellt wurde, hat von einer Stellungnahme abgesehen.

II.

1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt.

2. Die Verfassungsbeschwerde erweist sich danach als begründet. Die angegriffene richterliche Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG).

Es wird insoweit auf den Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des , [...] - verwiesen, wonach die vom Amtsgericht befürwortete Auslegung des Beratungshilfegesetzes, dass es einem Rechtsuchenden zumutbar sei, selbst kostenlos Widerspruch einzulegen und dabei die Beratung derjenigen Behörde in Anspruch zu nehmen, die zuvor den Ausgangsverwaltungsakt erlassen hat, den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht wird.

Das Amtsgericht hat keine Umstände angeführt, die die Notwendigkeit fremder Hilfe hier in Frage stellen könnten. Die Verweisung auf die Beratung durch dieselbe Behörde, deren Entscheidung der Beschwerdeführer angreifen will, überschreitet die Grenze der Zumutbarkeit.

III.

Die angegriffene Entscheidung wird gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen, das erneut über die Erinnerung zu entscheiden hat.

Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BverfGG abgesehen.

Fundstelle(n):
TAAAD-28901