BFH Beschluss v. - VII B 49/08

Fehlgeschlagene Zustellung eines Schriftstücks an eine sich im Insolvenzverfahren befindende Person wegen angeordneter Postsperre; Verletzung des Rechts auf Gehör

Gesetze: FGO § 53, FGO § 91 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), mit der er sich gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wendet, wurde mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom , zu der der Kläger nicht erschienen war, ergangenem Urteil des Finanzgerichts (FG) abgewiesen. Die Ladung des Klägers zur mündlichen Verhandlung hatte das FG durch die Post mit Zustellungsurkunde an die vom Kläger angegebene Anschrift übermittelt. Nach den Eintragungen in der Zustellungsurkunde war die Ladung jedoch dem Büro des über das Vermögen des Klägers bestellten Insolvenzverwalters zugeleitet worden, wo sie am einer Mitarbeiterin des Insolvenzverwalters übergeben worden war. Einen kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag des Klägers auf Verlegung des Termins, den er unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit einer Erkrankung begründet hatte, lehnte das FG mit der Begründung ab, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kein ausreichender Nachweis für die Verhandlungsunfähigkeit des Klägers sei.

Mit seiner gegen das FG-Urteil gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde, die der Kläger auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt, wird geltend gemacht, dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung, die wegen einer nach § 99 der Insolvenzordnung angeordneten Postsperre dem Insolvenzverwalter ausgehändigt worden sei, nicht an ihn (den Kläger) weitergeleitet worden sei. Von dem anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung habe er erst einen Tag vorher anlässlich einer Rücksprache bei der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) erfahren und sodann wegen seiner damaligen Erkrankung den Antrag auf Terminsverlegung gestellt.

II. Die Beschwerde führt gemäß § 116 Abs. 6 FGO zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Der von der Beschwerde in zulässiger Weise geltend gemachte Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) liegt vor und das Urteil des FG beruht auch auf diesem Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 3 FGO).

Mit dem Vorbringen des Klägers, dass das FG ohne ihn verhandelt habe, obwohl er zur mündlichen Verhandlung nicht geladen worden sei, wird ein Verfahrensmangel in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise schlüssig dargelegt. Ist ein Beteiligter nicht ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen worden und wird der Termin gleichwohl in seiner Abwesenheit durchgeführt, liegt darin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 91 Rz 14), was einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO darstellt (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 80). Die schlüssige Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör, weil das Gericht verfahrensfehlerhaft in Abwesenheit des Beteiligten aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden hat, erfordert keine Ausführungen darüber, was bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre und dass dieser Vortrag die Entscheidung des Gerichts hätte beeinflussen können (, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802).

Der Verfahrensmangel liegt auch vor. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO sind die Beteiligten zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem FG mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen zu laden. Nach § 53 Abs. 1 und 2 FGO ist die Ladung nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) zuzustellen. Die im Streitfall vom FG veranlasste Zustellung der Ladung im Wege eines Zustellungsauftrags an die Post (§ 53 Abs. 2 FGO i.V.m. §§ 176 ff. ZPO) ist jedoch nicht ordnungsgemäß bewirkt worden, weil die vom FG angegebene Anschrift des Klägers —offenbar durch die Post— wegen der angeordneten Postsperre in die Anschrift des Büros des Insolvenzverwalters geändert worden ist, weshalb die Ladung am dort übergeben wurde. Mit der Aushändigung der Ladung an den Insolvenzverwalter wurde ihre Zustellung an den Kläger nicht bewirkt. Vielmehr sind bei einer im Insolvenzverfahren angeordneten Postsperre an den Schuldner gerichtete förmliche Zustellungen als unzustellbar an den Absender zurückzuleiten (vgl. MünchKommInsO/ Passauer/Stephan, 2. Aufl., § 99 Rz 35; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 99 Rz 7; Hess, Insolvenzrecht, Großkommentar, § 99 Rz 46).

Der Zustellungsmangel ist auch nicht gemäß § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 189 ZPO durch den späteren tatsächlichen Zugang der Ladung beim Kläger geheilt worden. Da die zweiwöchige Ladungsfrist zwischen der Zustellung der Ladung und dem anberaumten Termin liegen muss (vgl. Gräber/Koch, a.a.O., § 91 Rz 11), hätte die Ladung zur mündlichen Verhandlung am dem Kläger spätestens am zugehen müssen. Dass dies geschehen ist, lässt sich indes nicht feststellen. Nach der vom beschließenden Senat eingeholten telefonischen Auskunft des Insolvenzverwalters gibt es keinen Nachweis darüber, wann die ihm ausgehändigte Ladung an den Kläger weitergeleitet worden ist. Über den Inhalt dieser Auskunft hat der Senat die Steuerberaterkammer —ebenfalls telefonisch— unterrichtet. Ob das Vorbringen des Klägers, die Ladung überhaupt nicht erhalten zu haben, zutrifft, bedarf daher keiner weiteren Klärung.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 212 Nr. 2
AAAAC-97802