BGH Beschluss v. - III ZB 22/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 85 Abs. 2; ZPO § 222 Abs. 2; ArbeitszeitVO § 2 Abs. 3; Tv-L § 6 Abs. 3

Instanzenzug: AG Hannover, 512 C 8825/07 vom LG Hannover, 8 S 94/07 vom

Gründe

I.

Das Amtsgericht Hannover verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 4.173 € an die Klägerin. Die Entscheidung wurde seinem Prozessbevollmächtigten am zugestellt. Dieser legte mit an das Landgericht Hannover - Berufungskammer - gerichtetem Schriftsatz von Samstag, dem , im Auftrag des Beklagten Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil ein. Infolge eines Eingabefehlers wurde der Schriftsatz jedoch per Telefax nicht an das Land-, sondern an das Amtsgericht Hannover versandt, wo er am einging. Montag, der war beim Amtsgericht dienstfrei. Deshalb blieb der Schriftsatz dort liegen und wurde erst nach den Weihnachtsfeiertagen am an das Landgericht Hannover weitergeleitet, wo er am selben Tage einging.

Nachdem der Vorsitzende der Berufungskammer den Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit Verfügung vom auf die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels hingewiesen hatte, hat dieser am Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, die Berufung erneut eingelegt und zugleich begründet.

Mit Beschluss vom hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen und seine Berufung gegen das angefochtene Urteil verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Allerdings ist das Rechtsmittel im Übrigen nicht zulässig. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).

Insbesondere ist dem Beklagten durch die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags und die Verwerfung seiner Berufung nicht der Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert worden (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom - III ZB 72/03 - BGH-Report 2004, 1102, 1103; - NJW 2004, 367, 368 m.w.N.).

1. Der Beklagte hat, wie er nicht in Abrede stellt, die einmonatige Frist zur Einlegung der Berufung (§ 517 ZPO) versäumt, da die Berufungsschrift auch unter Berücksichtigung von § 222 Abs. 2 ZPO erst nach Ablauf dieses Zeitraums beim Berufungsgericht einging.

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten war ihm auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren. Eine Partei kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verlangen, wenn sie ohne Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten (§ 233 ZPO).

a) Wie die Beschwerde selbst nicht in Zweifel zieht, beruht die versehentliche Übersendung des Berufungsschriftsatzes an das Amts- statt an das Landgericht auf einem dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten.

b) Der zur Versäumung der Berufungsfrist führende Kausalverlauf ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht durch einen Fehler der Justizbehörden unterbrochen worden (vgl. hierzu z.B. BVerfGE 93, 99, 115 f; - NJW-RR 2004, 1655, 1656). Zwar ist das vorbefasste Gericht aufgrund der einem Verfahren nachwirkenden Fürsorgepflicht gehalten, einen vor Fristablauf bei ihm eingehenden, aber ersichtlich für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz an dieses weiterzuleiten. Wird eine Rechtsmittelfrist versäumt, obwohl der Schriftsatz so zeitig bei dem vorbefassten unzuständigen Gericht einging, dass die rechtzeitige Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht noch ohne weiteres erwartet werden konnte, hat dieses auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (BVerfGE aaO, S. 114 ff; BVerfG NJW 2005, 2137, 2138; BGH aaO). Jedoch darf sich die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung bei gerichtlicher Fürsorge von Verfassungs wegen geboten ist, nicht nur an dem Interesse der Rechtsuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern muss auch berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss ( aaO und Beschluss vom - VIII ZB 125/04 - NJW 2005, 3776, 3777). Aus diesem Grunde ist das unzuständige Gericht, bei dem fehlerhaft ein Rechtsmittelschriftsatz eingegangen ist, nur gehalten, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Gericht weiterzuleiten (BVerfG NJW 2005 aaO; aaO und Beschluss vom aaO).

Hiernach war das Amtsgericht Hannover nicht verpflichtet, die Berufungsschrift noch am an das Landgericht weiterzuleiten, und der Prozessbevollmächtigte des Beklagten durfte hierauf nicht vertrauen. Eine solche Maßnahme hätte außerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs gelegen, da der ein arbeitsfreier Tag war. Auch wenn der 24. Dezember kein gesetzlicher Feiertag ist, ist er nach § 2 Abs. 3 der Niedersächsischen Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten vom (Arbeitszeitverordnung - GVBl. S. 476) und gemäß § 6 Abs. 3 Tv-L dienst- beziehungsweise arbeitsfrei. Auf diese Regelungen musste das Amtsgericht seine Geschäftsorganisation einrichten. Auch der Prozessbevollmächtigte des Beklagten konnte und musste sich hierauf einstellen.

Fundstelle(n):
QAAAC-93809

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein