BGH Urteil v. - IX ZR 163/07

Leitsatz

[1] Eine Leistung, die der spätere Insolvenzschuldner zur Tilgung einer Forderung des Leistungsempfängers gegen einen Dritten erbringt, ist nicht unentgeltlich, soweit der Empfänger anschließend die von ihm geschuldete ausgleichende Gegenleistung an den Dritten erbringt (Abgrenzung zu , ZIP 2006, 957).

Gesetze: InsO § 134

Instanzenzug: AG Hamburg, 31b C 144/06 vom LG Hamburg, 309 S 41/07 vom

Tatbestand

Die Klägerin ist Verwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. AG (im Folgenden: Schuldnerin oder Insolvenzschuldnerin). Sie begehrt von der Beklagten Zahlung von 1.070,37 € aus Insolvenzanfechtung.

Am überwies die Schuldnerin von ihrem Geschäftskonto an die Beklagte als Beitrag 2004 für zwei Kfz-Versicherungen 1.614,52 € und 1.584,92 €. Vertragspartner und Schuldner der Forderung der Beklagten war die S. GmbH & Co. KG; diese beantragte am die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Der Antrag wurde am mangels Masse abgewiesen.

Auf Antrag der Schuldnerin vom wurde am das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Die Fahrzeuge wurden am und abgemeldet. Die Beklagte erstattete die Prämienanteile für den Zeitraum von der Abmeldung bis zum Ende des Jahres an die Klägerin. Außerdem erstattete sie der Klägerin anteilig die Prämien für die Zeit vom bis zum Zeitpunkt der Zahlung am .

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Prämienanteile für die Zeit vom bis zum jeweiligen Abmeldedatum. Sie meint, es handele sich um eine unentgeltliche und daher nach § 134 InsO anfechtbare Leistung der Klägerin.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat ihr auf Berufung der Klägerin stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung. Die Zahlung der Schuldnerin ist im streitigen Umfang nicht nach § 134 InsO anfechtbar. Auch sonstige Anfechtungsmöglichkeiten sind nicht gegeben.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die streitige Leistung sei nach § 134 InsO anfechtbar, weil sie unentgeltlich gewesen sei. Unentgeltlichkeit sei zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger keine ausreichende Gegenleistung zu erbringen habe. Für die Gegenleistung sei ausschließlich darauf abzustellen, ob die Forderung, die der Leistungsempfänger durch die Zahlung gegen seinen Schuldner verloren habe, werthaltig gewesen sei. Die Forderung der Beklagten gegen ihre Schuldnerin, die S. GmbH & Co. KG, sei wertlos gewesen, weil diese bereits kurz vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestanden habe, der dann mangels Masse abgewiesen worden sei.

Dass die Beklagte bis zum Zeitpunkt der Zahlung und anschließend bis zur Abmeldung der Fahrzeuge Versicherungsschutz erbracht habe, sei unerheblich.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht Stand. Das Berufungsurteil verkennt, anders als das amtsgerichtliche Urteil, die Entscheidung des Senats vom (IX ZR 84/05, ZIP 2006, 957).

1. Die Voraussetzungen einer Schenkungsanfechtung liegen nicht vor.

a) Im "Zwei-Personen-Verhältnis" ist eine Verfügung als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Verfügenden also keine Gegenleistung zufließen soll, die dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entspricht. Wird eine dritte Person in den Zuwendungsvorgang eingeschaltet, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Verfügende selbst einen Ausgleich für seine Verfügung erhalten hat. Maßgebend ist vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat. Denn es entspricht der Wertung des § 134 InsO, dass der Empfänger einer Leistung dann einen geringeren Schutz verdient, wenn er keine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat (BGHZ 41, 298, 302; 141, 96, 99 f; 162, 276, 279; , ZIP 2006, 957, 958 Rn. 10; v. - IX ZR 159/04, ZIP 2006, 1362, 1363 Rn. 10; v. - IX ZR 226/03, ZIP 2006, 1639 f Rn. 7; v. - IX ZR 285/03, ZIP 2006, 2391, 2392 f Rn. 15; v. - IX ZR 194/04, ZIP 2008, 125, 126 Rn. 8, z.V.b. in BGHZ 174, 228 bis 244).

b) Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob in diesem Sinne Unentgeltlichkeit vorliegt, ist der Zeitpunkt des Rechtserwerbs des Anfechtungsgegners infolge der Leistung des Schuldners, also z.B. der Erhalt der Zahlung (BGHZ 41, 17, 19; 162, 276, 281; aaO). Entscheidend ist grundsätzlich das objektive Verhältnis der ausgetauschten Werte (BGHZ 113, 98, 102 f; 113, 393, 396; 162, 276, 281; aaO).

Hat der Leistungsempfänger bereits zu einem früheren Zeitpunkt seinem Schuldner eine Leistung erbracht, kann deshalb auf ihren damaligen objektiven Wert nicht abgestellt werden. In diesem Fall kann die Unentgeltlichkeit nur nach dem Wert der Forderung bemessen werden, die dem Zuwendungsempfänger im Zeitpunkt des Rechtserwerbs gegen seinen Schuldner zusteht. Bezahlt nämlich der Verfügende die gegen einen Dritten gerichtete Forderung des Zuwendungsempfängers, liegt dessen Gegenleistung nunmehr darin, dass er mit der Leistung, die er gemäß § 267 Abs. 2 BGB nur bei Widerspruch seines Schuldners ablehnen kann, eine werthaltige Forderung gegen diesen verliert. Ist hingegen die Forderung des Zuwendungsempfängers wertlos, verliert dieser wirtschaftlich nichts, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann. In solchen Fällen ist die Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung anfechtbar. Der Zuwendungsempfänger ist gegenüber den Insolvenzgläubigern des Verfügenden (Zuwendenden) nicht schutzwürdig; denn er hätte ohne diese Leistung, auf die er keinen Anspruch hatte, seine Forderung nicht mehr durchsetzen können (BGHZ 41, 298, 302; 162, 276, 280; aaO Rn. 11; v. aaO).

An dieser ständigen Rechtsprechung hält der Senat uneingeschränkt fest ( aaO S. 129 Rn. 39). Was zu gelten hat, wenn der Zuwendungsempfänger in der Insolvenz seines Schuldners eine Quote zu erwarten hätte, bedarf entgegen der Auffassung der Revision keiner Erörterung. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, die Forderung der Beklagten wegen der von ihr bereits zuvor an ihre Schuldnerin erbrachten Leistungen war unstreitig nicht werthaltig, auch eine Quote war nicht zu erwarten. Die Beklagte hat deshalb insoweit die gezahlte Prämie zu Recht anteilig an die Klägerin erstattet.

c) Ist der Zuwendungsempfänger dagegen im Zeitpunkt des Rechtserwerbs verpflichtet, die Gegenleistung an seinen Schuldner erst noch zu erbringen, und erbringt er diese Gegenleistung anschließend vertragsgemäß tatsächlich, kann von Unentgeltlichkeit nicht die Rede sein. Die S. GmbH & Co KG mag ihren Anspruch auf Gewährung von Versicherungsschutz für das gesamte Jahr 2004 bereits zu Beginn dieses Jahres erworben haben. Dies ist - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - unerheblich. Entscheidend ist, wann die Beklagte diese Verpflichtung erfüllt hat. Auch nach Meinung der Revisionserwiderung war aber am nicht absehbar, ob die Beklagte der Versicherungsnehmerin weiter Versicherungsschutz gewähren würde.

Die von der Beklagten zu erbringende und tatsächlich erbrachte Gegenleistung war auch werthaltig.

Der Zuwendungsempfänger ist hier gegenüber den Insolvenzgläubigern des Verfügenden (Zuwendenden) im Rahmen der Schenkungsanfechtung auch schutzwürdig. Daran ändert nichts der Umstand, dass die Beklagte ohne die Zahlung der Insolvenzschuldnerin nicht berechtigt gewesen wäre, den Versicherungsschutz sofort fristlos zu kündigen, weil zuvor zunächst eine Zahlungsfrist für die Folgeprämie nach § 39 VVG von mindestens zwei Wochen hätte gesetzt werden müssen. Auch für den Zeitraum, in dem die Beklagte noch nicht hätte fristlos kündigen können, liegt eine werthaltige Gegenleistung vor, auch wenn sich die Beklagte der Verpflichtung zu dieser Gegenleistung nicht mehr in rechtmäßiger Weise hätte entziehen können. Die Pflicht zur Weitererbringung ihrer Leistung in Form von Versicherungsschutz lässt die anteilige Gegenleistung der Insolvenzschuldnerin auch in diesem Zeitraum nicht zu einer unentgeltlichen Zuwendung werden.

2. Die Voraussetzungen einer Deckungsanfechtung nach §§ 130, 131 InsO liegen schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte nicht Insolvenzgläubigerin der Schuldnerin war. Eine Anfechtung nach § 132 Abs. 1 InsO kommt nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht behauptet, die Insolvenzschuldnerin sei zum Zeitpunkt der Zahlung zahlungsunfähig gewesen und die Beklagte habe die Zahlungsunfähigkeit gekannt.

Schließlich ist eine Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO nicht gegeben. Die vorliegende inkongruente Deckung ergibt kein Indiz für die Kenntnis der Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin, weil für die Beklagte nach dem Vortrag der Klägerin kein Anlass bestand, an der Liquidität der Schuldnerin zu zweifeln (vgl. BGHZ 157, 242, 251; aaO Rn. 16).

3. Damit war nicht die Beklagte, sondern deren Schuldnerin, die S. GmbH & Co. KG, passivlegitimiert für die Ansprüche der Klägerin. Dies gilt sowohl für eine Anfechtung wegen unentgeltlicher Zuwendung (BGHZ 41, 298, 302; 162, 276, 280; aaO Rn. 10) als auch für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (BGHZ 70, 389, 396; 162, 276, 280; , WM 2004, 932, 933; v. aaO Rn. 10).

Fundstelle(n):
BB 2008 S. 1870 Nr. 35
NJW-RR 2008 S. 1628 Nr. 23
WM 2008 S. 1459 Nr. 31
ZIP 2008 S. 1385 Nr. 30
YAAAC-84435

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja