BAG Urteil v. - 10 AZR 878/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: Überleitungstarifvertrag zwischen der ThyssenKrupp Industrieservice GmbH und der IG BAU, IG Metall und IG BCE vom in den Fassungen vom und § 13; Überleitungstarifvertrag zwischen der ThyssenKrupp Industrieservice GmbH und der IG BAU, IG Metall und IG BCE vom in den Fassungen vom und § 13a

Instanzenzug: ArbG Naumburg 4 Ca 2908/04 vom LAG Sachsen-Anhalt 11 Sa 72/06 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger für das Jahr 2004 zustehenden tariflichen Jahressondervergütung.

Der Kläger war vom bis zum bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 2.179,00 Euro in der Niederlassung L beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Überleitungstarifvertrag zwischen der ThyssenKrupp Industrieservice GmbH (ehemals: WIG Industrieinstandhaltung GmbH) und den Industriegewerkschaften IG Bauen-Agrar-Umwelt, IG Metall und IG Bergbau-Chemie-Energie vom in der Fassung vom (im Folgenden: Rahmentarifvertrag = RTV) Anwendung. Der Kläger ist Mitglied einer der vertragschließenden Gewerkschaften.

Im RTV war Folgendes geregelt:

"§ 13 Jahressondervergütung

1. Die Arbeitnehmer erhalten eine Jahressondervergütung des tariflichen Monatseinkommens in Höhe von 132 % des im April des Kalenderjahres vereinbarten tariflichen Monatsentgeltes auf der Grundlage der geltenden Tarifsätze der jeweiligen Entgeltgruppe.

2. ...

2a. ...

3. Die Jahressondervergütung wird jeweils zur Hälfte mit der April- bzw. Oktober-Abrechnung, spätestens zum 15. des Folgemonats, fällig.

4. Arbeitnehmer, die während des Kalenderjahres mit Aufhebungsvertrag oder ordentlicher Kündigung aus dem Betrieb ausscheiden und dem Unternehmen bereits 12 Monate angehören, erhalten für jeden vollen Beschäftigungsmonat 1/12 der Jahressondervergütung nach Ziffer 1 und 2.

5. Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt wurde, haben keinen Anspruch auf eine Jahressondervergütung.

§ 13 a Sonderregelung neue Bundesländer

1. Arbeitnehmer, die in einer Niederlassung in den neuen Bundesländern beschäftigt werden, erhalten eine Jahressondervergütung des tariflichen Monatseinkommens:

2002: 80 %

2003: 82,5 %

des im April des Kalenderjahres vereinbarten tariflichen Monatsentgeltes auf der Grundlage der geltenden Tarifsätze der jeweiligen Entgeltgruppe. Die Jahressondervergütung wird jeweils zur Hälfte mit der April- bzw. OktoberAbrechnung fällig. Für die Niederlassung Brandenburg gilt die bisherige vereinbarte Jahressondervergütung von 100 % als Besitzstand weiter.

2. Mitarbeiter, die vor dem von betriebsbedingten Kündigungen betroffen sind, erhalten die Jahressondervergütung in Höhe von 132 %.

3. Der Arbeitgeber erklärt, dass keine Niederlassung in den neuen Bundesländern in den Jahren 2002 und im Jahr 2003 geschlossen wird."

Seit Anfang 2004 verhandelten die tarifvertragschließenden Gewerkschaften und die Beklagte über eine Fortschreibung der in § 13a RTV geregelten Jahressondervergütung für die Arbeitnehmer in der Region Mitte, zu der auch die Niederlassung L gehört. Am vereinbarten die Verhandlungsteilnehmer, dass die Frage der Jahressondervergütung im Zusammenhang mit einem Gesamtsanierungskonzept für die neuen Bundesländer verhandelt werden solle. Schließlich einigten sich die Verhandlungsführer am über die Fortschreibung des § 13a RTV in der folgenden Fassung (nF):

"§ 13 a Sonderregelung Region Mitte

1. Arbeitnehmer, die in einer Niederlassung der Region Mitte beschäftigt werden, erhalten eine Jahressondervergütung des tariflichen Monatseinkommens:

2004: 90 %

2005: 90 %

2006: 102 %

des im April des Kalenderjahres vereinbarten tariflichen Monatsentgeltes auf der Grundlage der geltenden Tarifsätze der jeweiligen Entgeltgruppe. Die Jahressondervergütung wird jeweils mit der April- bzw. Oktober-Abrechnung fällig. Für die Niederlassung Brandenburg gilt die bisherige vereinbarte Jahressondervergütung von 100 % als Besitzstand weiter.

2. Mitarbeiter, die vor dem von betriebsbedingten Kündigungen betroffen sind, erhalten die Jahressondervergütung in Höhe von maximal 132 %.

3. Betriebsbedingte Kündigungen von unbefristeten Arbeitsverhältnissen sind grundsätzlich nicht zulässig. Hierzu gibt es zwei Ausnahmen:

a) die Anzahl der unbefristeten Arbeitsverträge in der Region wird durch betriebsbedingte Kündigungen nicht 600 unterschreiten

oder

b) wenn ein freier zumutbarer Arbeitsplatz in der Region vorhanden ist und der Mitarbeiter diesen ablehnt.

4. In Fällen einer strukturellen Beschäftigungskrise werden die Tarifvertragsparteien darüber hinausgehende Regelungen zur Kündbarkeit unter Ziff. 3 vereinbaren."

Für das Jahr 2004 zahlte die Beklagte freiwillig eine Sondervergütung entsprechend § 13a RTV alter Fassung (aF) iHv. 82,5 % eines tariflichen Monatsentgelts. Der Kläger beendete im Rahmen eines dreiseitigen Vertrages vom sein mit der Beklagten bestehendes Arbeitsverhältnis "aus dringenden betriebsbedingten Gründen" zum und begründete zugleich ein Arbeitsverhältnis mit einer ua. aus Sozialplanmitteln der Beklagten finanzierten Transfergesellschaft für die Zeit vom bis zum .

Der Kläger meint, ihm stehe für das Jahr 2004 eine anteilige Jahressondervergütung nach Maßgabe des § 13 RTV auf der Basis von 132 % eines tariflichen Monatsentgelts zu. Er habe darauf vertraut, dass die ihm zustehenden tariflichen Leistungen aus § 13 RTV auch tatsächlich gezahlt würden. Eine Rückwirkung von § 13a RTV nF betreffe ihn nicht, weil sein Arbeitsverhältnis bereits am geendet habe. Der Anspruch ergebe sich auch aus § 13a Ziff. 2 RTV nF, weil sein betriebsbedingter Aufhebungsvertrag einer betriebsbedingten Kündigung gleichstehe.

Nachdem das Arbeitsgericht ihm rechtskräftig die Differenz zwischen der gezahlten Sonderzahlung zu einer anteiligen Zahlung auf der Basis von 90 % eines tariflichen Monatsentgelts zugesprochen hatte, hat der Kläger zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 762,17 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem zu zahlen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, § 13 RTV sei auf die in den neuen Bundesländern gelegene Niederlassung L und damit auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anwendbar. Mit Außerkrafttreten des § 13a RTV aF habe zunächst für das Jahr 2004 überhaupt kein tariflicher Anspruch auf Jahressondervergütung bestanden. Allenfalls habe der Kläger auf Grund des rückwirkend in Kraft gesetzten § 13a RTV nF einen Anspruch auf der Grundlage von 90 % eines tariflichen Monatseinkommens. § 13a Ziff. 2 RTV nF erfasse ausschließlich das Ausscheiden von Arbeitnehmern auf Grund einer betriebsbedingten Kündigung.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Dem Kläger steht für das Jahr 2004 nur eine anteilige tarifliche Jahressondervergütung auf der Basis von 90 % des Monatseinkommens nach § 13a RTV nF zu. Einen darüber hinausgehenden Anspruch hat er nicht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein Anspruch aus § 13 Ziff. 1, 4 RTV scheitere daran, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht dem räumlichen Geltungsbereich der Tarifnorm unterfalle, weil die in der Region Mitte gelegene Niederlassung L gem. § 13a RTV nF ausgenommen sei. Die Auslegung dieser Norm ergebe, dass sie rückwirkend das zwischenzeitlich beendete Arbeitsverhältnis der Parteien erfasse. Der Kläger habe nicht schutzwürdig auf den Fortbestand des § 13 RTV vertrauen können, weil er von den Verhandlungen der Tarifvertragsparteien über die Neuregelung der Jahressondervergütung im gesamten Jahr 2004 gewusst habe. Sein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 13a Ziff. 2 RTV nF, weil er nicht auf Grund einer betriebsbedingten Kündigung, sondern auf Grund eines dreiseitigen Vertrages ausgeschieden sei.

II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.

1. Nach Auslaufen des zeitlich befristeten § 13a RTV aF hätte der Kläger im Jahr 2004 einen Anspruch nach § 13 RTV gehabt, wenn § 13a RTV nF nicht rückwirkend in Kraft getreten wäre. Der Anspruch auf die Jahressondervergütung 2004 ist jedoch durch § 13a RTV nF wirksam rückwirkend auf 90 % des tariflichen Monatseinkommens gesenkt worden. Das ergibt die Auslegung der Tarifvereinbarung vom .

a) Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Wortlaut zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt ( -BAGE 108, 176, 180 f. mwN). Der Zweck einer tariflichen Jahressonderzahlung ergibt sich vorrangig aus den rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird. Der Bezeichnung der Sonderzahlung kommt allenfalls zusätzliche Indizwirkung zu ( - aaO S. 181).

b) Nach seinem eindeutigen Wortlaut regelt § 13a RTV nF für Arbeitnehmer, die in einer Niederlassung der Region Mitte beschäftigt werden, die Jahressondervergütung ausdrücklich auch für das Jahr 2004. Dass die neuen Bundesländer nunmehr als "Region Mitte" bezeichnet werden, ändert daran nichts, weil der räumliche Geltungsbereich unverändert ist. Die Tarifvertragsparteien bezweckten, in der Region Mitte die in § 13a RTV aF vorgesehene Sonderregelung gegenüber § 13 RTV ohne zeitliche Lücke fortzuschreiben und sie in den Folgejahren stufenweise an die in § 13 RTV geregelte Jahressondervergütung anzunähern. Wenn die Tarifvertragsparteien im Januar 2005 vereinbarten, dass die Jahressondervergütung jeweils zur Hälfte bereits im April bzw. Oktober 2004 fällig gewesen ist, bestehen an der gewollten Rückwirkung keine Zweifel.

c) Die Rückwirkung ist auch wirksam.

aa) Im Verhältnis zwischen zwei gleichrangigen Tarifnormen gilt das Ablösungsprinzip. Innerhalb seiner zeitlichen Geltungsdauer ändert § 13a RTV nF die bis dahin tarifvertraglich geltende Rechtslage ( -BAGE 108, 176, 182; - 10 AZR 698/00 - EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 16). Tarifvertragliche Regelungen tragen auch während der Laufzeit des Tarifvertrages den immanenten Vorbehalt ihrer rückwirkenden Abänderbarkeit durch Tarifvertrag in sich. Dies gilt auch für bereits entstandene und fällig gewordene, noch nicht abgewickelte Ansprüche, die aus einer Tarifnorm folgen (sog. "wohlerworbene Rechte"). Diese genießen keinen Sonderschutz gegen eine rückwirkende Veränderung. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tarifvertraglicher Regelungen ist durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt; es gelten insoweit die gleichen Regelungen wie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Rückwirkung von Gesetzen. Der Vertrauensschutz in den Fortbestand einer tariflichen Regelung entfällt, wenn und sobald die Normunterworfenen mit einer Änderung rechnen müssen. Maßgebend sind insoweit die Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei hat der Wegfall des Vertrauensschutzes nicht zur Voraussetzung, dass der einzelne Tarifunterworfene positive Kenntnis von den zugrunde liegenden Umständen hat. Entscheidend und ausreichend ist vielmehr die Kenntnis der betroffenen Kreise (st. Rspr. vgl. - BAGE 78, 309; - 1 AZR 247/01 -AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 154 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 1; - 10 AZR 152/03 - aaO; - 4 AZR 486/05 - AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 24 = EzA TVG § 1 Rückwirkung Nr. 24).

bb) Danach konnte der entstandene, fällig gewordene, aber noch nicht abgewickelte Anspruch des Klägers aus § 13 RTV auf eine Jahressondervergütung für das Jahr 2004 iHv. 132 % eines Monatseinkommens wirksam rückwirkend auf 90 % gesenkt werden. Die Tarifvertragsparteien waren auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes in ihrer Gestaltungsfreiheit zur rückwirkenden Änderung gehindert. Unstreitig haben die Tarifvertragsparteien bereits seit Anfang 2004 über eine Fortschreibung der Sonderregelung in § 13a RTV verhandelt. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die in der Niederlassung L tätigen Arbeitnehmer, einschließlich des Klägers, über die laufenden Verhandlungen im Jahr 2004 informiert waren. Diese Feststellung ist für das Revisionsgericht gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG, § 559 Abs. 2 ZPO bindend. Der Kläger hat keinen zulässigen und begründeten Revisionsangriff dagegen erhoben.

Der Kläger hat gerügt, die Beklagte habe in den Vorinstanzen unsubstantiiert die Kenntnis der Arbeitnehmer und seine persönliche Kenntnis behauptet. Für die unterstellte allgemeine Kenntnis der betroffenen Betriebsräte und Mitarbeiter hätten jegliche Angaben darüber gefehlt, wann, in welcher Form und welche Arbeitnehmer im Einzelnen informiert worden seien. Hierin liegt jedoch kein zulässiger Revisionsangriff. Bereits das Arbeitsgericht hat im Tatbestand seines Urteils festgestellt, dass die Arbeitnehmer von den sich über das Jahr 2004 erstreckenden Verhandlungen Kenntnis hatten. Dies hat der Kläger in der Berufungsinstanz nicht angegriffen. Er hat die Feststellung des Arbeitsgerichts vielmehr in der Berufungsbegründung referiert und dazu angemerkt, dass er dennoch im Hinblick auf sein Ausscheiden vor Jahresende Vertrauensschutz genieße. Hätte er die Tatsachenfeststellung des Arbeitsgerichts angreifen wollen, hätte er dies in der Berufungsinstanz tun müssen (§ 67 ArbGG). Angriffs- und Verteidigungsmittel sind in den Tatsacheninstanzen vorzubringen. Dazu gehört auch ein Bestreiten festgestellter Tatsachen. Im Übrigen hat der Kläger auch nunmehr nicht konkret behauptet, keine Kenntnis von den Verhandlungen gehabt zu haben. Er hat auch nicht behauptet, die Arbeitnehmer des Betriebes hätten keine Kenntnis gehabt.

cc) Der RTV nF konnte auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zurückwirken, obwohl dieser bereits vor dem Abschluss des Tarifvertrages aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.

(1) Ob sich die Rückwirkung der Tarifnorm auch auf schon beendete Arbeitsverhältnisse erstrecken soll, ist mangels ausdrücklicher Regelung durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist im Zweifel anzunehmen, dass eine umfassende Rückwirkung vereinbart wurde. Für die gegenteilige Annahme bedürfte es eines Anknüpfungspunkts im Tarifvertrag ( - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 154 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 1). Durch die rückwirkende Festlegung der Höhe der Jahressondervergütung für das Jahr 2004 haben die Tarifvertragsparteien zu verstehen gegeben, dass sie die sonst wirksame Regelung für den Rückwirkungszeitraum für nicht angemessen hielten. Anhaltspunkte dafür, dass sie den Bestand des Arbeitsverhältnisses im Januar 2005 voraussetzen oder nach dem Datum des Ausscheidens differenzieren wollten, lassen sich § 13a RTV nF nicht entnehmen.

(2) Die normative Rückwirkung eines Tarifvertrages auf ein inzwischen beendetes Arbeitsverhältnis setzt allerdings voraus, dass sowohl zum Zeitpunkt des - rückwirkenden - Inkrafttretens als auch im Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages beidseitige Tarifbindung besteht. Andernfalls würde die Tarifbindung über die abschließenden Regelungen der §§ 3 und 5 TVG hinaus erweitert ( - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 154 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 1; so auch schon - AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 2). Beide Parteien waren nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sowohl während des gesamten Jahres 2004 als auch am tarifgebunden. Dies ist auch im Revisionsverfahren nicht streitig. Die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Betrieb zum Zeitpunkt des Tarifabschlusses berührt die Tarifbindung nicht.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zahlung von weiteren 762,17 Euro brutto aus § 13a Ziff. 2 RTV nF. Der Kläger hat keine betriebsbedingte Kündigung erhalten. Einer solchen steht das Ausscheiden durch einen dreiseitigen Vertrag, der zum einen einen (betriebsbedingten) Aufhebungsvertrag mit der Beklagten und zum anderen die Neubegründung eines befristeten Anschlussarbeitsverhältnisses enthält, nicht gleich. Dies ergibt die Auslegung von § 13a Ziff. 2 RTV nF. Bereits nach dem Wortlaut sind ausschließlich Kündigungen, dh. einseitige, zugangsbedürftige und rechtsgestaltende Willenserklärungen, nicht aber zweiseitige (Aufhebungs-)Verträge erfasst. Dass die in der Verwendung von juristischen Fachbegriffen erfahrenen Tarifvertragsparteien zwischen beiden Gestaltungsmöglichkeiten unterscheiden, zeigt § 13 Ziff. 4 RTV, worin beide Beendigungstatbestände gemeinsam aufgezählt werden. Wenn ein Aufhebungsvertrag in § 13a Ziff. 2 RTV nF nicht genannt ist, lässt dies auf den Willen schließen, ausschließlich solche Arbeitnehmer zu privilegieren, die eine betriebsbedingte Kündigung tatsächlich erhalten haben und nicht solche, die ohne einen Aufhebungsvertrag eine betriebsbedingte Kündigung erhalten hätten. Für diese Auslegung sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung. Die von einer betriebsbedingten Kündigung betroffenen Mitarbeiter sollen - neben der Sozialplanabfindung - deswegen eine höhere Jahressondervergütung erhalten, um die mit der Kündigung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile abzumildern. Der dreiseitige Vertrag mildert die wirtschaftlichen Nachteile des Klägers bereits dadurch, dass dieser nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht arbeitslos war, sondern für die Dauer eines Jahres ein befristetes Anschlussarbeitsverhältnis in einer von der Beklagten mitfinanzierten Transfergesellschaft erhielt. Ebenfalls für diese Auslegung spricht eine systematische Betrachtung von § 13a RTV nF. In dessen Ziff. 3 haben die Tarifvertragsparteien zwar betriebsbedingte Kündigungen von unbefristeten Arbeitsverhältnissen - mit Ausnahmen - für unzulässig erklärt, nicht jedoch betriebsbedingt veranlasste Aufhebungsverträge. Auch hierdurch wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien nur diejenigen Arbeitnehmer begünstigen wollten, die von einer einseitigen, vom Arbeitgeber ausgehenden Beendigung durch rechtsgestaltende Erklärung betroffen waren.

Fundstelle(n):
BB 2008 S. 105 Nr. 3
DB 2008 S. 247 Nr. 5
TAAAC-66861

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein