BFH Beschluss v. - XI B 115/06

Anforderungen an die Glaubhaftmachung der unverschuldeten Verhinderung (hier: Erkrankung des Prozessbevollmächtigten)

Gesetze: FGO § 56

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen.

1. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) am zugestellt. Die Frist zur Begründung der Beschwerde (§ 116 Abs. 3 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) ist am , 24.00 Uhr abgelaufen. Die am per Telefax eingegangene Beschwerdebegründung wurde demnach verspätet eingereicht.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist ist nicht zu gewähren.

a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO).

b) Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist des § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO einzuhalten. Dabei muss sich die Klägerin das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der ZivilprozessordnungZPO—). Zwar hat die Klägerin vorgetragen, sie sei durch eine Erkrankung ihrer Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gehindert gewesen. Die Prozessbevollmächtigte hat aber weder ein ärztliches Attest vorgelegt noch eine eidesstattliche Versicherung einer dritten Person über Art und Dauer ihrer Erkrankung eingereicht (vgl. hierzu Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VI B 45/99, BFH/NV 2001, 468; vom IV B 117/04, BFH/NV 2006, 348). Nach ihren Angaben sind ihre am Tag des Fristablaufs eingetretenen Beschwerden (Schwindelgefühle aufgrund einer Erkrankung an Multipler Sklerose) nach wenigen Tagen wieder abgeklungen, so dass sie keinen Arzt aufgesucht habe.

Als präsentes Beweismittel liegt dem Senat nur die eigene eidesstattliche Versicherung der unterzeichnenden Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor. Diese reicht indes zur Glaubhaftmachung im Streitfall nicht aus. Die Prozessbevollmächtigte, die erst seit selbständig tätig ist und deshalb im August 2006 noch keine Angestellten beschäftigte, hatte einen Berufskollegen gebeten, sie während ihrer Abwesenheitszeiten zu vertreten. Die Vertretung habe aber nicht funktioniert, weil der Berufskollege, mit dem sie mehrmals in der Woche Kontakt halte, am Tag des Fristablaufs () unterwegs gewesen sei. Den Ausführungen der Prozessbevollmächtigten ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob sie ihren Vertreter über ihre gesundheitlichen Probleme und damit über den Eintritt des Vertretungsfalls in Kenntnis gesetzt hat. Sollte sie ihn, wie es erforderlich gewesen wäre, über ihre Erkrankung informiert haben, hätte der Berufskollege eine Erklärung hierzu abgeben und gleichzeitig darlegen können und müssen, aus welchen Gründen er selbst an der Vertretung der Prozessbevollmächtigten gehindert gewesen ist. Damit hätte ein weiteres Beweismittel zur Glaubhaftmachung einer krankheitsbedingten Verhinderung der Prozessbevollmächtigten zur Verfügung gestanden, mit der Folge, dass ihre eidesstattliche Versicherung allein nicht zur Glaubhaftmachung genügt (vgl. , BFH/NV 2004, 219, m.w.N.). Hat die Prozessbevollmächtigte dagegen ihren Berufskollegen nicht von ihrer Verhinderung benachrichtigt, wäre die Nichteinhaltung der Begründungsfrist verschuldet. Denn sie hat keinerlei Umstände dargelegt, die darauf schließen lassen, dass ihr eine kurze Nachricht nicht möglich gewesen wäre.

3. Überdies wäre die Nichtzulassungsbeschwerde auch unzulässig, wenn der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Begründungsfrist gewährt werden könnte. Denn mit der Beschwerde wird keiner der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision schlüssig dargelegt, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.

a) Soweit das Vorbringen der Klägerin dahin zu verstehen wäre, dass sie rügt, das FG habe über eine zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden, ist ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht hinreichend dargetan. Es fehlen substantiierte Ausführungen dazu, weshalb die Klägerin das Fortbestehen ihrer gesundheitlichen Beschwerden in der Zeit vom bis nicht durch ärztliche Atteste nachweisen konnte; die von einem Allgemeinarzt ausgestellte Bescheinigung vom bestätigte lediglich eine Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 23. bis zum . Die Klägerin hat auch nicht näher erläutert, warum sie am die Geschäftsstelle des FG aufsuchen konnte, um dort wegen des ergangenen Gerichtsbescheids einen Antrag auf mündliche Verhandlung zu stellen, jedoch gleichzeitig verhindert war, wegen der versäumten Ausschlussfrist zur Angabe des Klagebegehrens eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen und ihr Klagebegehren zu benennen.

b) Die Klägerin hat auch keine tragenden und abstrakten Rechtssätze aus dem angegriffenen FG-Urteil herausgearbeitet, die zu den tragenden Rechtssätzen der BFH-Beschlüsse vom I B 248/04 (BFH/NV 2005, 1591) und des (Versicherungsrecht 1981, 839) im Widerspruch stehen. Das wäre aber für die Darlegung der Divergenz erforderlich gewesen (vgl. , BFH/NV 2007, 1683). Die Klägerin hat lediglich vorgetragen, dass eine schwere seelische Belastung die Versäumung einer Frist entschuldigen könne und dass bei ihr in der Zeit vor Weihnachten 2005 aufgrund einer seit Jahren bestehenden Autoimmunkrankheit ein akuter Krankheitsschub eingetreten sei, der bis zum angehalten habe. Deshalb habe sie im Verfahren vor dem FG das Klagebegehren nicht bis zum Ablauf der am endenden Ausschlussfrist bezeichnen können.

c) Eine Besetzungsrüge i.S. von § 119 Nr. 1 FGO ist nicht in zulässiger Weise erhoben worden. Sie hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sich dem Beschwerdevorbringen entnehmen lässt, dass der Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist (vgl. , BFH/NV 2007, 1330). Dies hat die Klägerin nicht dargelegt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 89 Nr. 1
FAAAC-63837