BFH Beschluss v. - III B 140/06

Von der Familienkasse gegenüber einem Rechtsanwalt zu erstattende Aufwendungen

Gesetze: EStG § 77

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhielt für seinen im Dezember 1980 geborenen Sohn T Kindergeld.

Mit Bescheid vom hob die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung von Januar bis Dezember 2004 auf, weil die Einkünfte und Bezüge von T über dem Jahresgrenzbetrag von 7 680 € lägen. Gleichzeitig forderte die Familienkasse das Kindergeld für diesen Zeitraum zurück. Seinen am eingelegten Einspruch begründete der Kläger damit, T habe seine Berufsausbildung im Januar 2004 beendet und im März 2004 ein Studium begonnen. Kindergeld habe er erst seit März 2004 erhalten. Lediglich im Sommer des Kalenderjahres 2004 habe T Einkommen aus einer Beschäftigung bei der X erzielt. Die Familienkasse forderte den Kläger auf, bis zum entsprechende Unterlagen vorzulegen. Die Nachweise gingen noch im April 2005 bei der Familienkasse ein.

Mit Schriftsatz vom zeigten die Prozessbevollmächtigten des Klägers ihre Vertretung an und fassten den bisherigen Sach- und Streitstand des Einspruchsverfahrens zusammen. Angesichts der Sachlage habe im Jahr 2004 jedenfalls mindestens seit März 2004 bis Dezember 2004 ein Kindergeldanspruch des Klägers bestanden. Ferner habe der Kläger ab Januar 2005 Kindergeld beantragt und die entsprechenden Formulare bereits eingereicht. Hierüber habe die Familienkasse bis Mitte des Jahres 2005 noch nicht entschieden. Es werde daher eine „Einspruchsentscheidung innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfristen sowie eine möglichst umgehende rechtsmittelfähige Entscheidung bezüglich des Kindergeldanspruchs ab Januar 2005” beantragt.

Die Familienkasse entsprach dem Einspruchsbegehren in vollem Umfang und erließ am einen Änderungsbescheid, mit dem sie für T Kindergeld für Januar 2004 und ab März 2004 festsetzte. Sie verpflichtete sich, dem Kläger die im Einspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen auf Antrag nach § 77 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu erstatten und erklärte gemäß § 77 Abs. 2 EStG die Zuziehung des Bevollmächtigten für notwendig.

Mit Kostenrechnung vom Juli 2005 beantragten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Erstattung eines Betrages von insgesamt 820,70 € brutto, wobei sie neben einer Geschäftsgebühr von 318,50 € (Gebührensatz 1,3 der Nr. 2400 des Vergütungsverzeichnisses —VV— des RechtsanwaltsvergütungsgesetzesRVG—) noch eine Erledigungsgebühr von 367,50 € (Gebührensatz 1,5 der Nr. 1200 VV RVG) ansetzten. Die Familienkasse erkannte die Erledigungsgebühr nicht an und setzte nach § 77 Abs. 3 EStG den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen auf 394,40 € brutto fest. Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG setze voraus, dass der Anwalt kausal zur Erledigung beigetragen habe. Die Regelung knüpfe insoweit an die Vorgängerregelung in § 24 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) an. Da die Erledigung des Rechtsstreits nicht auf die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten im Einspruchsverfahren zurückzuführen sei, sei eine Erledigungsgebühr nicht entstanden.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde beruft sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Es sei die Rechtsfrage zu klären, ob eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG im Unterschied zu § 24 BRAGO anfalle, wenn die Behörde im Einspruchsverfahren aufgrund der durch den Anwalt vorgetragenen für den Mandanten günstigen Umstände die Angelegenheit nochmals überprüft habe und bezüglich der geltend gemachten Ansprüche ein Anerkenntnis abgebe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) zu § 24 BRAGO habe eine Erledigungsgebühr —wenn auch nicht der Form nach— eine vergleichsweise Einigung vorausgesetzt. Es sei ebenfalls klärungsbedürftig, ob aufgrund der Anmerkung zu Nr. 1002 VV RVG sowie des Umstands, dass ein Vergleich kein gegenseitiges Nachgeben mehr voraussetze, die bisherige Rechtsprechung des BSG auch für das RVG gelte.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).

Die von dem Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig.

1. Nach Nr. 1002 VV RVG entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch den Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Das RVG hat die BRAGO ab abgelöst. In der BRAGO war die Erledigungsgebühr in § 24 geregelt. Danach erhielt der Rechtsanwalt eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Zurücknahme oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts erledigt und der Rechtsanwalt bei der Erledigung mitgewirkt hatte.

Ebenso wie § 24 BRAGO erfordert Nr. 1002 VV RVG die anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung. Die Erledigungsgebühr ist eine zusätzliche Vergütung dafür, dass der Rechtsanwalt durch seine Tätigkeit, insbesondere Verhandlungen mit der Verwaltungsbehörde, erreicht, dass die Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebt oder zugunsten des Mandanten ändert oder einen zunächst abgelehnten Verwaltungsakt doch noch erlässt (Riedel/ Sußbauer/Fraunholz, VV Teil 1 Rz 16).

Nach ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur erfordert die Entstehung der Erledigungsgebühr i.S. von Nr. 1002 VV RVG daher ebenso wie die Erledigungsgebühr nach § 24 BRAGO, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht allgemein auf Verfahrensförderung gerichtet ist, sondern auf den besonderen Erfolg einer Erledigung der Rechtssache ohne förmliche Entscheidung (vgl. zu § 24 BRAGO bereits , Der Betrieb 1970, 1811). Hat sich die Tätigkeit des Bevollmächtigten auf die Begründung des Einspruchs beschränkt, genügt dies nicht, die Erledigungsgebühr entstehen zu lassen. Wegen der geforderten anwaltlichen Mitwirkung ist eine über die Begründung hinausgehende Verfahrensförderung mit dem Ziel der Erledigung der Rechtssache erforderlich (vgl. z.B. , Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 926; , Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2006, 1496; Landessozialgericht —LSG— für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom L 1 AL 23/06, RVGreport 2006, 427, m.w.N.; Wolf in: AnwK RVG, 3. Aufl., VV 1002 Rz 18 ff.). Auch nach Auffassung des BSG setzt eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 i.V.m. 1002 VV RVG eine über die Begründung des Widerspruchs hinausgehende anwaltliche Mitwirkung voraus (Urteil vom B 1 KR 13/06 R, juris, Bestätigung des Urteils des Bayerischen , juris).

2. Die vom Prozessbevollmächtigten aufgeworfenen Rechtsfragen sind somit dahingehend geklärt, dass eine bloße Mitwirkung des Bevollmächtigten in Form einer ergänzenden Einspruchsbegründung —wie im Streitfall— jedenfalls nicht ausreichend ist, um neben der allgemeinen Geschäftsgebühr auch noch eine Erledigungsgebühr entstehen zu lassen. Im Streitfall kommt hinzu, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der ergänzenden Einspruchsbegründung in seinem Schriftsatz vom kein besonderes Bemühen für eine außergerichtliche Erledigung mit dem Ziel des Einlenkens erkennen ließ, sondern vielmehr nachdrücklich den baldigen Erlass einer Einspruchsentscheidung angemahnt hat (vgl. zur Abgrenzung Wolf in: AnwK RVG, a.a.O, VV 1002 Rz 20).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 1109 Nr. 6
QAAAC-41508